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Das Zeug schmeckt eigentlich gar nicht gut – für Kinder sowieso nicht. Zwischen dem süßen Schulhof-Pausenbrot, bunten Lakritzen und Wodka Orange befinden sich mehrere Oktaven des geschmacklichen Empfindens. Bier ist einfach nur bitter, und Sachen wie Weinbrand zeigen dem von Gummibärchen geplagten Gaumen, wie es ist, wenn man eine Grillkohle lutscht. Eine glühende natürlich.
Wieso kommt es also, dass Kinder, die eben noch ihren Plüschie mit sich herumschleppten oder ihre Barbie kämmten, auf einmal sturzbesoffen auf der Straße aufgegriffen werden?
Mittlerweile bieten sich Mädchen in dieser Disziplin nicht einmal mehr ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Jungs, sie haben sie längst überholt. Jedenfalls kann man das den Statistiken entnehmen, und vor einiger Zeit lag der traurige Rekord bei einem elfjährigen Mädchen. Das Kind hatte einen Promillepegel, der normalerweise jemanden, der kaum Alkohol gewohnt ist, töten kann.
Wie es geschehen kann, dass der flüssige Stoff zu einem unverzichtbaren Faktor im Leben ist, zeigen unzählige Fallbeispiele. Bei Jungs hat es oft etwas mit der Definition der Männlichkeit zu tun – wer viel säuft, ist wer, und wer viel verträgt, kommt gleich hinter dem Allercoolsten. Bier und Schnaps gehören zum männlichen Erwachsensein, jedenfalls in den Köpfen unsicherer Heranwachsender. Denn wer schon als Kind erlebt, dass eigentlich nichts geht ohne irgendetwas mit Alkohol, dass kein Familienfest oder keine Party ohne den Dämmstoff für emotionale Ängste stattfindet, der glaubt, dass Spaß mit Limo einfach keiner ist.
Mittlerweile brauchen die Kids aber keinen Vorwand mehr für den Suff, das war gestern. Man trifft sich einzig und allein mit dem Ziel, zu trinken, bis man am Boden liegt. Alarmsignale gehen im sozialen Umfeld unter, gerade weil es nicht gleich bemerkt wird, und man es wohl nicht als allzu schlimm empfindet, wenn der "Junge" mal einen gehoben hat – so mit vierzehn bis fünfzehn – denn Vater war ja auch kein Kind von Traurigkeit, nicht wahr.
Aber was ist mit den Mädchen? Wahrscheinlich klopft denen Mama nicht auf die Schulter, weil es ja schließlich zu einer gestandenen Frau gehört, am Wochenende Filmrisse zu haben. Auch dann nicht, wenn die Mutter selber Alkoholikerin ist.
Trinkende Frauen werden weitaus negativer gesehen als trinkende Männer. Logisch ist das nicht, denn ein sturzbetrunkener Mensch, der keinerlei Kontrolle mehr über Kopf und Körper hat, ist nicht eben ein schöner Anblick, ganz gleich, welchem Geschlecht er angehört. Außerdem sind die alten Rollenbilder am Bröckeln, was eine längst überfällige Entwicklung ist – die neuen jedoch sind nicht sehr eindeutig.
Propagiert werden selbstständige und aktive Frauen, die ihren eigenen Weg machen und keineswegs in Abhängigkeit von einem Mann leben. Nicht schlecht, aber die Tatsache, dass genau diese Powerfrauen sich den Busen vergrößern lassen, um einem von Männern propagiertem Idealbild zu entsprechen, verwirrt etwas.
Nach wie vor haben in den sozialen Gefügen von Familie und Beruf die alten Vorstellungen einen hohen Stellenwert. Für Mädchen bedeutet das, sie ecken ständig an. Auch sie suchen für sich eine Identität, an denen sie etwas festmachen können – etwas, das ihnen für sich einen Weg zeigt. Aber den Erwartungshaltungen entsprechen ist praktisch unmöglich – vor allem, was die eigenen Erwartungen an sich selbst betrifft.
Bei Mädchen ist es mit coolen Klamotten nicht getan, es hängt viel mehr daran. Jungs probieren vielleicht einmal ein neues Haargel – Mädchen kriegen täglich durch die Medien einen dicken Katalog voll mit allem, was sie an sich tun müssen und wie sie auszusehen haben. Powerfrau hin oder her, die Realität sieht meist völlig anders aus.
Was in einem Kind vor sich gehen muss, dass es sich so etwas Gefährliches und Schlimmes antut, ist vermutlich ein einziges Horrorszenario. Ein Vollrausch ist an sich schon etwas überaus Schlimmes und hat durchaus nichts mit Spaß zu tun – es geht hier nicht um ein "wenig angeheitert sein", um Hemmungen abzubauen – es geht um absoluten und gewollten Kontrollverlust. Um "nicht mehr da sein", um "nichts mehr wissen zu müssen". Denn nur um Männlichkeit oder Stärke zu beweisen, nimmt wahrscheinlich niemand die extrem unangenehmen Folgen nach solch einem Exzess in Kauf. Und was sollten Mädchen unter Beweis stellen? Stärke, Weiblichkeit?
Wie auch immer, irgendwann lassen sie den Teddybären liegen und greifen nach etwas anderem, und das darf nicht die Flasche sein. Man darf nicht zulassen, dass die, die eben noch Kinder waren, sich aus Angst vor dem Leben umdrehen und den dunklen Gang in die Abhängigkeit wählen, anstatt den offenen Weg in eine weitgehend selbstbestimmte Zukunft.
© "Zwischen Flasche und Teddybär: Kinder und Alkohol": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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