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Dieser Beitrag erschien erstmals am 15. Februar 2008 auf www.science.org. Autor der englischen Originalfassung ist Brooke Allen.
Über die Verantwortung von Unternehmen und Organisationen bei der Talentsuche und deren Unkreativität begabtes Personal zu finden.
Ende 2007 schrieb der englischsprachige Autor Brooke Allen einige innovative Ansätze zu den Themen Stellenangebote, Bewerbungen und Einstellungsverfahren aus der Sicht eines Unternehmers (hier die deutsche Übersetzung). Jeder kann sich vorstellen, wenn man diesen Artikel vor drei Jahrzehnten gelesen hätte, dass man sich die Frage stellen würde: "Schön, aber wie bekommt man mit solchen Ideen einen Job?"
Lassen Sie mich Ihnen zeigen, wie.
Man kann sowohl mit dem Käufermarkt (mehr Verkäufer als Käufer) experimentieren als auch mit dem Absatzmarkt (mehr Käufer als Verkäufer). Jedoch ein disfunktionaler Arbeitsmarkt (wie dem Markt für wissenschaftliche Arbeitsplätze etc.) ist ein zweischneidiges Schwert: Arbeitgeber können keine guten Arbeitskräfte finden, und Arbeitlose (oder unterbeschäftigte Arbeitnehmer) tun sich schwer beim Finden eines guten Arbeitsplatzes.
Ein ineffizienter Stellenmarkt ist keine schlechte Sache für diejenigen, die bereit sind, ein wenig tiefer zu graben. Ein solcher Markt kann sinnvolle Bemühungen belohnen, die ein effizienter Stellenmarkt nicht bietet. Wer als Arbeitssuchender keine Mühen scheut, kann Beschäftigungs-Angebote erhalten, die man sich unter normalen Umständen nicht erhofft hätte.
Warten Sie nicht auf mich (oder andere), um sich für einen Job zu bewerben. Lesen Sie stattdessen den Rest dieses Artikels und machen sich an die Arbeit.
1982 gab ich meinen Job auf, getrieben vom vagen Wunsch, ein unabhängiger Berater zu werden, nur um der wirtschaftlichen Rezession ins Auge zu sehen. Das erste was ich tat, war die Teilnahme an einer Konferenz – für einige meiner dürftigen Ersparnisse – des Verbandes unabhängiger Computer-Fachberater. Ich fragte alle, die meinen Weg kreuzten: "Was soll ich tun?" und hörte dann aufmerksam zu, was man mir sagte.
Nach der Konferenz folgte ich nur einem bestimmten Vorschlag. Ich schrieb an alle, die ich kannte, oder die andere kannten – also Freunde, Bekannte, entfernte Verwandte, ehemalige Arbeitgeber, ehemalige Mitarbeiter – etwa 200 Personen. Ich erläuterte ihnen, dass ich jetzt ein Freiberufler (sprich: arbeitslos) und auf der Suche nach Arbeit wäre. Ich gab allen einen Überblick über meine Zeugnisse als Programmierer, fügte aber keinen Lebenslauf bei. Ich bat jeden, mich wissen zu lassen, ob sie mir Arbeit anbieten und mir jemanden empfehlen könnten, der Personal suche.
Ich wurde umgehend durch eine Investmentbank kontaktiert, die bereits seit vier Wochen eine Stelle ausschrieb, die sonst niemand wollte: Lesen einiger Programme und Schreiben eines Benutzerhandbuches. Ich wusste nichts über Investment-Banking oder solchen Handbüchern, und ich sagte sofort "Ja". (Wenn Ihnen jemand eine Chance bietet, etwas zu tun, worin Sie nicht kompetent sind, ergreifen Sie diese Chance. Es gibt nicht oft solche Möglichkeiten, neue Gebiete zu erkunden.)
Die Erfahrung war schmerzhaft, aber ich bin froh, dass ich es gemacht habe. Mein erster Textentwurf wurde vom Schriftleiter an mich, mit roten Markierungen überzogen, zurückgegeben. Ich erinnerte mich an mein erstes COBOL-Programm (wie kann ein 28-Zeilen-Programm 55 Fehlermeldungen generieren?) und entdeckte, dass ich zur Schriftstellerei nicht geboren war, aber die Erfahrung zeigte mir, das ich einer werden wollte.
Am Ende des Monats kam das Unternehmen zur gleichen Erkenntnis, dass ich kein guter Texter wäre, und bot mir eine Vollzeit-Position als Programmierer an. Zusätzlich hatte mir einer meiner Freunde geholfen, ein Angebot bei einem verarbeitenden Unternehmen zu landen, während eine Consulting-Firma mich bei einer Ölgesellschaft als Subunternehmer beschäftigen wollte.
In der Vergangenheit hatte ich immer zwischen zwei Alternativen zu entscheiden: Nimm diesen Job oder bleibe arbeitslos – hier bleiben oder dorthin gehen. Dies war nun das erste Mal, das ich die Wahl zwischen drei Alternativen hatte – und das war mehr als gut.
Ich nahm den Job als Subunternehmer an – und einige Freunde empfahl ich an die anderen zwei Arbeitgeber. Meine Karriere als unabhängiger Berater stand.
Um sich nicht so einsam und getrennt zu fühlen, und sich gegeneinander am Markt zu helfen, bildeten einige Kollegen und ich eine Dachgesellschaft, mit der wir unseren Kunden Rechnungen stellen konnten. Wir druckten schicke Briefköpfe mit der originellen Adresse eines Mitglieds unserer Gruppe, hatten aber keinen ständigen Geschäftssitz; wir trafen uns nur einmal im Monat in einer Bar.
Unserer Firma stand 1% der Brutto-Einnahmen zur Deckung der Ausgaben zur Verfügung. Da wir keine hatten, verbrauchten wir das Geld jeden Dezember auf einer Party. Wir luden alle unsere Kunden und ihre Freunde ein. Hunderte nahmen daran teil und es wurde viel Spaß gemacht. Die Botschaft an unsere Kunden war klar: "Wenn ich nicht an diesem Kerl dran bleibe, gäbe es viele andere Orte, wohin er gehen konnte." Und alle von uns hätten andere Plätze, an denen wir sein könnten.
Dieser Serienbrief war so effektiv – ich würde es jederzeit wieder tun, wenn ich auf der Suche nach einem neuen Job wäre. Auch würde ich nicht aufhören, mein Haus für eine Party zu öffnen, so dass mir alle helfen können, über meinen nächsten Schritt nachzudenken. Das einzige Problem: realisierend, wie wertvoll ein Kontakt sein kann, habe ich versucht, fast jede Person, die ich seit 1982 getroffen habe, im Auge zu behalten. Mehr als 2500 Menschen sind aktuell in meiner Kontaktliste. Das ist eine große Party.
Wie Sie einen guten Job an Land ziehen
– Bauen Sie ein breites Netzwerk auf. Erzählen Sie allen, die Sie kennen, dass Sie auf der Suche nach Arbeit sind und bitten Sie alle, Sie weiter zu empfehlen. Beschreiben Sie Ihre Fähigkeiten in allgemeiner Form, so dass Sie für ein breites Spektrum an Arbeitsplätzen infrage kommen. Würden Sie sich selbst, oder Ihre Kontakt-Liste, zu eng definieren, besteht die Gefahr, dass Sie sich Ihre Laufbahn aufgrund Ihres Mangels an Phantasie im Vorfeld verbauen.*
– Vielleicht laufen Sie einem Arbeitgeber oder Vermittler in die Hände, der angeblich gut bei der Suche nach verborgenen Talenten sein soll. Zählen Sie nicht auf ihn. Nur Sie übernehmen die volle Verantwortung, dass Sie gefunden werden.
– Unternehmen benutzen Bewerbungen, um umbrauchbare Kandidaten zu eliminieren – nicht um sie auszuwählen. Wäre ich Arbeitgeber, würde ich nur reagieren, wenn ich in Ihrem Lebenslauf keine Mängel finde.
Aber ich werde immer antworten, wenn Sie mir:
– eine fesselnde Geschichte in zwei oder drei Sätzen erzählen, die mich neugierig auf Sie macht
– eine Frage stellen, die man nicht unbeantwortet lassen kann, oder
– in einem Brief einige Ihrer Qualifikationen spezifizieren, die exakt auf meine Anforderungen zugeschnitten sind (das Schreiben braucht keinen Lebenslauf zu enthalten; wenn ich unbedingt einen benötige, würde ich Sie darum bitten)
– Beurteilen Sie einen Job nicht zu früh. Erste Eindrücke sind nur schwer zu überwinden – und oft falsch. Sie werden eine neue Kompetenz aus diesem Schwachpunkt entwickeln. Bleiben Sie nicht immer auf derselben Straße, sondern gehen den völlig neuen Weg entlang, auch wenn Ihnen dieser verbaut erscheint.
– Lassen Sie Ihren nächsten Arbeitgeber wissen, dass Sie lernen wollen. Stellen Sie beim Bewerbungsgespräch keine Fragen über Gehalt oder Sozialleistungen, sondern fragen: "Was ist genau zu tun?" und machen sich Notizen. Fragen Sie: "Was muss ich spezielles lernen?" Halten Sie auf dem Weg nach Hause in der Bibliothek.
– Zeigen Sie, erzählen Sie nicht. Sprechen Sie nicht über Ihre bisherige Arbeit; zeigen Sie was Sie können, aber gehen Sie mit Ihrem Wissen nicht ins Detail. Prahlen Sie nicht mit dem, was Sie gemacht haben. Zeigen Sie etwas, auf dass Sie stolz sind.
– Versuchen Sie denen zu helfen, die Sie nicht einstellen. Es gibt zwei gute Gründe, warum Sie da nicht arbeiten werden:
– Sie selbst waren nicht geeignet
– die Firma war nicht geeignet
Empfehlen Sie dem Unternehmen auf jeden Fall andere Personen, die vielleicht diesen Job machen. Man wird Sie in Erinnerung behalten.
– In einigen Fällen werden Sie einen guten Job nicht an Land ziehen, obwohl eine objektive Person bei voller Kenntnis der Sachlage zu dem Schluss gekommen ist, dass Sie der beste Kandidat gewesen wären. Kann passieren. Vergessen Sie's.
– Behandeln Sie Arbeitgeber wie Menschen. Und vermenschlichen Sie keine Firmen oder Organisationen. Vor kurzem traf ich eine junge Studentin, die über die Jobjagd verbittert war. Sie nahm sich sechs Monate Zeit, um eine Bewerbung für "den perfekten Job" zu erstellen und verschickte dann ihren ersten Lebenslauf. Beim Interview mit der Personabteilung sagte man ihr, ein Personalmanager würde sie in einer Woche anrufen. Das war nun vor zwei Wochen und jetzt war sie wütend: "Ich würde niemals für diese Firma arbeiten, auch wenn man mich darum bitten würde." Ich fragte sie, ob sie wüsste, wie anstrengend es sein kann, Leute einzustellen und den Geschäftsbetrieb am Laufen zu halten. Sie sagte, das würde keine Rolle spielen, es wäre "nur unhöflich. Wenn das deren Personalpolitik ist, mich so zu behandeln, möchte ich mit denen nichts zu tun haben." Ich weiß nicht, was die junge Dame jetzt macht oder wie gut sie ist, aber ich würde sie auf keinen Fall einstellen – erst wenn sie mehr Erfahrung hätte.
* Ich versuche Übersicht zu behalten über alle, die ich treffe und mir eine Visitenkarte aushändigen; einmal im Jahr versende ich irgendeine E-Mail an diese Personen. Meine letzte Mail kündigte meinen vorherigen Forums-Artikel an. Es ist ein Zeugnis für Mobilität, denn von 3.700 Mails werden über 1.200 zurückgeschickt. Dies ist eine gute Sache, denn durch diesen Aufruf alter Kontakte kann ich in der Regel herausfinden, wohin sie gegangen sind und wer sie ersetzt hat – aus so einem toten Kontakt werden zwei neue. Obwohl ich einmal ein formelles Schreiben versandte, beschuldigte mich eine Person des unerwünschten Spammens. Er änderte jedoch seine Meinung, als ich ihn daran erinnerte, dass wir uns auf einer Konferenz in London trafen.
Unsere Welt wäre ein besserer Platz, wenn mehr Menschen zu neuen Denkansätzen bereit wären, um versteckte Werte während des Einstellungsverfahrens zu entdecken. Da Arbeitgeber dies nur selten tun, soll man nicht auf diese warten.
Du bist das versteckte Talent, und Du übernimmst die Verantwortung, versteckte Angebote von Unternehmen und Organisationen zu finden, die Talente suchen, aber nicht kreativ genug sind, diese zu finden.
Wenn Sie diese Vorschläge interessant finden, reichen Sie sie herum. Wenn Sie selbst nicht nach Arbeit suchen, mailen Sie diesen Artikel an jemanden, der eine Stelle sucht, oder drucken Sie ihn aus und heften Sie ihn an eine Wand.
© "Suche nach Chancen im disfunktionalen Arbeitsmarkt" – Autor der englischen Originalfassung ist Brooke Allen, Leiter der Quantitative Trading Group bei Maple Securities U.S.A. Inc. | Vom Autor autorisierte Übersetzung ins Deutsche von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Rechte für alle Sprachen bei Brooke Allen und Winfried Brumma (Pressenet). Bildnachweis: Internet Netzwerk, CC0 (Public Domain Lizenz). Kontakt zum Autor via https://brookeallen.com/nsow/
Weitere Artikel von Brooke Allen lesen Sie hier:
– Auf der Suche nach Personal im disfunktionalen Arbeitsmarkt: Vorschläge zum Einstellungsverfahren
– Perspektive: Arbeiten Sie, auch wenn Sie dafür nicht honoriert werden
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