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Mit Büchern ist es immer so eine Sache – man liest und vergisst sie, oder liest nur die ersten zehn Seiten und legt das Werk gelangweilt wieder fort. Andere mag man und liest sie vielleicht ein weiteres Mal – und es kommt vor, dass man sich in eines verliebt. Das bedeutet unter anderem, dass die Gedanken oder auch Geschehnisse in dem Buch zu einem Teil der eigenen Welt werden, weil sie sich einfach in die innere Landkarte einfügen.
Es gibt Bücher, die einfach zur richtigen Zeit erschienen sind, die einen wichtigen Kontext boten, und die auch den Menschen bekannt sind, die sich sonst nicht für Literatur interessieren. So kennt jeder, wenn auch mancher nur vom Hörensagen, George Orwells "1984" oder hat zumindest eine der Verfilmungen gesehen. Tolkiens "Herr der Ringe" ist kulturelles Gemeingut geworden und mittlerweile die geistige Heimat vieler Menschen.
Der irische Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Clive S. Lewis, Tolkiens Zeitgenosse und Freund, ist vor allem durch seine "Narnia-Reihe" berühmt geworden, die eigentlich für Kinder und Jugendliche gedacht war, aber unter den Erwachsenen ebenso viele Fans hat. Lewis war ein produktiver Schreiber, er verfasste neben seinen phantastischen Geschichten auch christliche Werke. Eines davon, "Dienstanweisung für einen Unterteufel", ist eine augenzwinkernde Liebeserklärung an den Glauben, die sich der hierarchischen Strukturen der Hölle bedient, um ein Licht auf die Menschen zu werfen.
Lewis' beeindruckendste Arbeit dürfte wohl seine "Perelandra-Trilogie" sein, eine Fantasy-Geschichte mit Science-Fiction-Elementen. Lewis verwob die keltische Sagenwelt mit der heutigen Zeit und spann ein Epos um die Planetengötter und den Kampf um Gut und Böse, der in der Sphäre der Erde ausgetragen wird. Sein Held ist ein Mann, der in diesen Krieg hineingezogen wird und sogar während seiner Mission andere Planeten des Sonnensystems besucht.
Der dritte und letzte Band der Trilogie – der Klassiker "Die böse Macht" – spielt sich jedoch auf der Erde ab und ist eigentlich ein gewaltiger Showdown – wenn der Held in den beiden ersten Bänden ein Lernender war, so sind die Grenzen zwischen Gut und Böse am Schluss scharf umrissen. Die Geschichte beginnt in einem verschlafenen Universitätsstädtchen Englands, wo alles seinen geregelten Gang geht – abgesehen von den üblichen Intrigen, was das College betrifft, ebenso die Mauscheleien um Grundstücke und dergleichen. Der Sage nach soll irgendwo in einer Höhle nahe der Stadt der legendäre Zauberer Merlin begraben sein, bzw. ruhen. Denn die Legende spricht davon, dass der Weise nur schläft, bis Britannien seiner bedarf.
Die eigentliche Heldin der Geschichte ist eine junge Frau, die sonderbare und quälende Träume hat, die ihr große Angst einjagen, über die sie aber nicht sprechen kann. Ihr Mann, Lehrer am College, der versucht, dort in der Hierarchie aufzusteigen, ist ihr keine Hilfe. Dann kommt wie eine üble Krankheit das N.I.C.E. über die Stadt, das "National Institute of Coordinated Experiments". Es handelt sich um eine skrupellose Organisation kalter Wissenschaftler und Gewinnler, die systematisch den kleinen Ort vom übrigen Land abschotten. Plötzlich werden Menschen enteignet, diese verlieren ihre Häuser und Stellungen, und werden auch von der innerbetrieblichen "Polizei" des N.I.C.E. misshandelt und festgesetzt. Unter der Lehrerschaft hat die Organisation einige Anhänger, kalte Karrieristen und Mitläufer – so auch den Ehemann der Heldin, der sich angezogen fühlt von der fühlbaren Macht.
Lewis beschreibt im Lauf der Geschichte sehr viele Figuren sehr genau und mit einigem Tiefgang. Der Antiheld, der junge Ehemann, gerät zwischen die Fronten, während seine Frau sich entscheidet. Sie begibt sich nach einigen sehr unangenehmen Erlebnissen mit der neuen Ordnungsmacht zum Lager der "Guten", dessen Führer der ehemalige Sternenreisende ist. Dort findet sie sehr interessante Menschen und sogar Tiere vor. Jedenfalls bricht in der kleinen Universitätsstadt der Faschismus aus – etwas, das hätte verhindert werden können, wenn sich einige Personen weniger um persönliche Vorteile gekümmert hätten. Ähnlichkeiten mit dem Dritten Reich sind vielleicht nicht beabsichtigt, aber wohl kaum zu vermeiden gewesen.
Inzwischen ist klar geworden, dass das N.I.C.E. den Ort nicht zufällig als Standort gewählt hat, sondern weil es hier eine Mission zu erfüllen gedenkt. Es geht darum, den alten Zauberer zu finden und zu erwecken, um sich seiner Dienste für den Endkampf zu versichern. In einer turbulenten Nacht nun sind die Mitglieder beider Lager unterwegs, um Merlin zu finden – denn setzte der berühmte Magier seine Kräfte für eine Seite ein, käme die Gegnerschaft in große Bedrängnis. Während nun die Wissenschaftler des N.I.C.E. einen bärtigen Landstreicher aufgreifen und diesen in das Institut bringen, da sie ihn für Merlin halten, begibt sich der echte Meister, der mittlerweile erwacht ist, zum Lager der Guten. Der etwas beschränkte Mann der Landstraße ist schlau genug, um kein Wort von sich zu geben, da er die Leute allesamt für Ausländer hält – und die sind ihm natürlich sehr suspekt. Der Humor, mit dem Lewis diese Szenen beschreibt, ist tiefgründig und dermaßen köstlich, dass man es immer wieder lesen kann, ohne sich zu langweilen.
Währenddessen versucht der echte Merlin sich mit den dramatisch veränderten Gegebenheiten in Britannien anzufreunden – vor allem, dass die verhassten Sachsen nun Herren über das Land sind, macht ihm schwer zu schaffen. Doch ein Plan wird geschmiedet, und so kommt es, dass ein baskischer Priester der Fachmann für altes Gälisch ist, sich im N.I.C.E. einfindet, um als Dolmetscher für den vermeintlichen Merlin zu dienen. Und während eines Banketts belegt Merlin – er ist natürlich dieser Übersetzer – alle Anwesenden mit dem babylonischen Fluch.
Plötzlich versteht niemand mehr den anderen und alle geben nur noch ein fürchterliches Kauderwelsch von sich. Panik bricht aus, die Emotionen schaukeln sich hoch – und als Merlin die Käfige der wilden Tiere öffnet, die zu Versuchen missbraucht werden sollten, fließt Blut in Strömen. Das Institut geht in Flammen auf und die Übeltäter kommen fast alle um – bis auf einige wenige, die man als Trittbrettfahrer verstehen könnte und die nie verstanden hatten, worum es beim N.I.C.E. wirklich ging. Darunter auch der junge Mann, der sich nun auf den Weg macht, um seine Frau zu finden und seine Ehe zu retten. Merlin verschwindet wieder, denn seine Zeit ist begrenzt.
Die Handlung ist weitaus komplizierter, als dieser kurze Abriss wiedergeben kann, es geht um viel mehr als um die "Gute Jungs gegen böse Jungs"-Geschichte. Lewis verwebt christliche mit heidnischen Elementen und schafft eine phantastische Welt. In dieser Geschichte begegnet man den Figuren der Grals-Legende ebenso wie Jesus Christus und dem Schöpfungsmythos. Vor allem aber überrascht Lewis durch die große Kenntnis über die Menschen und ihre Psyche. So mancher der geschilderten Charaktere kommt dem Leser bekannt vor, und Lewis vermeidet starre Zuordnungen. Das Dunkle zeigt sich vor allem in der Nichtwahrnehmung von Gefühlen, in der absoluten Hinwendung zur seelenlosen Technik sowie dem Glauben an Macht und gewissenlosem Opportunismus.
Die Verdammten zeigen kaum Emotionen oder rennen mit blutbesudelten Messern herum. Es fehlt auch nicht der Charakter, der sich einer Ideologie bedient, um seinen eigenen sadistischen Trieben nachgeben zu können – die Polizeichefin des N.I.C.E. übernimmt diesen Part. Eine alternde Lesbe, die ihre eigenen kleinen Spielchen treibt und die Gefangenen mit ihren Methoden verhört. Sie schert sich nicht um die Hintergründe, sondern nur um ihre eigenen Ziele. Sie würde die Uniform jeder Gruppierung tragen, würde diese ihr die Möglichkeit geben, ihren Trieben zu folgen.
Das Buch endet nicht mit dem Untergang des Bösen, sondern mit der Versöhnung der Menschen und aller Geschöpfe ... jedenfalls für den Moment. Der Klassiker "Die böse Macht" kommt zwar ohne Elben und Hobbits aus, aber dafür greifen die Planetengötter selber in das Geschehen ein – und freundliche Bären gibt es auch.
Unser Buchtipp: Die Perelandra-Trilogie ist hier bestellbar: Band 1: Jenseits des schweigenden Sterns | Band 2: Perelandra | Band 3: Die böse Macht
© "Die böse Macht": Eine Rezension von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Foto von C. S. Lewis' Statue in Belfast von Genvessel.
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