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Natürlich vermutet niemand so etwas wie Kultur oder einen seriösen Wettbewerb bei DSDS oder "Das Super Talent", also wird das Fehlen solcher Gegebenheiten kaum ein Unmutsgefühl aufkommen lassen. Allerdings war man naiverweise der Meinung, im Nebelreich der Unterhaltung gäbe es, wenn auch verschwommen und sehr elastisch, so etwas wie Grenzen. Nun, es gibt sie nicht.
Bohlens Sprüche werden flacher, und vom Meister der Verbalabstraktion vermutlich nur des Business wegen und mit innerlichem Gähnen in die erwartungsvolle Fangemeinde geworfen, sind dazu nicht wirklich spontan und klingen irgendwie vorbereitet. Man kann sich so etwas notieren und dabei wissen, dass es bei der nächsten Sendung mit Sicherheit auf irgendjemanden passen wird.
Gut, daran haben wir uns fast gewöhnt und verlieren unsererseits kaum noch ein Wort darüber. Aber der Verbalinjurienpapst selber hat in Sachen Geschmacklosigkeit einen schweren Stand – die Kandidaten versuchen ihn regelmäßig zu toppen. Das ist nicht einfach, wie man zugeben muss, war doch sogar der legendäre Spruch Mark Medlocks, seine Transpiration am Allerwertesten betreffend, nur ein kurzer Brauenheber.
Weit hinter sich gelassen wurde das schon fast rührend treuherzige Bekenntnis Medlocks vom Meister der Analkunst, Mr. Methan. Der kunstfurzende Performer ist eigentlich die tönende Verkörperung des absurden Eitelkeits- und Ekelzirkus in einer Manege, auf deren Anziehungskraft die Sender setzen. Das Schlimme daran ist, dass sie damit nicht daneben liegen. Der Spruch, man müsse sich das ja nicht ansehen, greift nicht – denn es gibt kein Entrinnen. Sobald man eine Zeitung aufschlägt, den Fernseher oder PC einschaltet, wird man über die neuesten Sprüche oder auch übelriechende Kunstformen informiert. So schnell kann man gar nicht wegsehen.
Es gab tatsächlich Menschen in der Republik, die sich Dschungelcamp nicht antaten, und trotzdem wusste jeder über alle dämlichen Sprüche und jede Zickenpose spätestens beim Frühstücksfernsehen Bescheid. Ob er wollte oder nicht.
Dem hilflosen Hörer und Seher stellen sich da Fragen. Warum tun sich Menschen so einen überzogenen Unsinn an? Wie können Moderatoren einer solch schauderlichen Sendung ihren Job machen und dabei den ständigen Brechreiz unter Kontrolle halten (hoffen wir jedenfalls, dass sie den extrem randwertigen Schwachsinn, den sie da von sich geben, nicht wirklich ernst nehmen ...)? Wie kann es kommen, dass Stars oder solche, die sich dafür halten, eine derartige Demontage ihrer selbst und auch ihres Images in Kauf nehmen? Ist Aufmerksamkeit eine ebenso harte Droge wie Heroin?
Sieht man manche Shows, könnte man nämlich von Beschaffungskriminalität sprechen. Das Opfer ist anscheinend jedes Mal der gute Geschmack, der langsam aber sicher zu Tode gebracht wird. Was bringt jemanden dazu, der einen Traum hat, sich von einer Jury öffentlich verreißen zu lassen – auf eine Art und Weise, die dem normal empfindenden Zuschauer verletzend erscheint? Ist das nun Hoffnung, ist es Mut oder ist es Dummheit? Oder ist das Realitätsempfinden gestört?
Viele der Kandidaten scheinen sich nur zum Gaudium des Publikums beleidigen lassen zu wollen, es sieht wirklich aus, als legten sie es darauf an. Ist das wieder diese "Aufmerksamkeit um jeden Preis-Sucht", oder ist das alles schlichtweg nicht echt? Die wirklichen Talente tun sich mit diesen Shows nicht wirklich etwas Gutes an – sie werden im Endeffekt verheizt. Einen Star kann man nicht ernennen, die Geburt eines Stars ist ein Naturereignis, das man nicht veranstalten kann. Obwohl sie zuweilen bei einer Veranstaltung stattfindet. Der Ruhm ist recht kurzlebig bei diesen "push ups" und meist findet die große Karriere nicht wirklich statt. Hoffen wir, dass sie wissen was sie tun.
Das wirklich Ärgerliche an der ganzen Sache ist, dass am "Morgen danach" die regulären Nachrichten hintanstehen müssen. Erst wird die gestrige Casting-Show flächendeckend durchgehechelt, dann findet man alles andere. Gut, erst noch etwas über Paris Hilton und Madonna, dann die Erdbebenopfer und die Politik.
Gut für die Quote? Das hieße, das breite Publikum will das so und nicht anders haben. Und genau das wollen wir doch nicht glauben, oder? Dem interessierten Beobachter drängt sich da nämlich der Gedanke an den "Brot-und-Spiele"-Dreh der Cäsaren auf. Man unterhalte den Plebs mit lustigen Spielen (aufschlitzen, zerreißen, tödliche Duelle), und er wird nicht zu viel fragen und nicht so genau hinsehen.
Die heutige Variante (Zickenkrieg, Tränen, Schadenfreude, Blähungen) scheint nämlich ganz gut zu greifen, betrachtet man die Nachrichtenlandschaft und hört die Gespräche an der Bushaltestelle oder im Büro mit.
Nun, vielleicht bin ich einfach altmodisch, empfindlich und sehe Gespenster. Das hat vielleicht etwas mit ... Intelligenz zu tun. Oder vielleicht einfach Geschmackssache?
© "Die Geburt eines Stars – Mit Hoffnung, Mut oder Dummheit zur Casting-Show": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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