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Niemand möchte gerne ein Außenseiter sein, denn das bedeutet Einsamkeit und Wochenenden ohne Gesellschaft. Außerdem weiß man nicht so recht, mit wem man sich so richtig über die Dinge unterhalten kann, die einem am Herzen liegen.
Aber ein großes Problem ist das nicht, denn für ein Leben mit Gleichgesinnten ist gesorgt. Jedenfalls im Internet, denn die vielen Plattformen, die es gibt, bieten meist auch die Möglichkeit, sich einer bestehenden Gruppe anzuschließen, oder aber selber eine solche zu gründen. Das hat einiges für sich, denn auf diese Weise wird gewissermaßen die virtuelle Flagge gezeigt und man verschwendet nicht so viel Zeit mit ähnlich denkenden "Kontakten".
Die Gruppen, bei denen man Mitglied ist, werden an irgendeiner Stelle der eigenen Seite angezeigt, sind also für jeden einzusehen – außer man stellt es "unsichtbar" ein und behält sein digitales Vereinsleben für sich. Letzteres wäre in vielen Fällen wohl angebracht, denn die "Persönliche Seite" ist so etwas wie eine interaktive Visitenkarte mit Publikumsverkehr. Arbeitgeber nutzen diese Möglichkeit sehr gerne, denn was im persönlichen Bewerbungsgespräch nicht zur Sprache kommt, zeigt sich mit Sicherheit im Zweitwohnzimmer Internet.
Noch immer halten viele Nutzer ihren Account für eine Art sichere Burg, die ihnen erlaubt, bei Betreten die Schuhe, oder mehr, auszuziehen und so richtig die Füße auf den Tisch zu legen. Im Prinzip ein interessanter Schaukasten für jeden, der sich ein Bild machen will und macht. Wenn sich die sympathisch wirkende junge Frau, deren Bewerbungsunterlagen einen so korrekten Eindruck machten, gerne in Dessous präsentiert und eine Gruppe gegründet hat mit dem Namen "Schlampenstempel sind geil", kann das den vorher gemachten Eindruck ein wenig, sagen wir, überschatten. Vor allem, wenn dieselbe Bewerberin, die in ihrem Text so sehr ihre Teamfähigkeit in den Vordergrund stellte, sich in ihrem Gästebuch einen gnadenlosen verbalen Kampf mit anderen Usern liefert.
Die ersichtbare Mitgliedschaft in Gruppen wie "Möpse und Motoren" verwundert dann schon nicht mehr so sehr. Natürlich spielt es keine große Rolle, wenn jemand die Gruppe "Nasenhaare, nein danke" gegründet hat und Mitglied bei "Echt jetzt? Nee Ironie, du Depp" ist, wenn man sich für einen befristeten Aushilfsjob bewirbt.
Aber es gibt auch die ernsthafte Variante
Man stelle sich vor, jemand interessiert sich für eine Stelle in einer Bank, die bei ihren Mitarbeitern Wert auf Seriosität legt. Nach dem ersten Gespräch vergeht erfahrungsgemäß eine gewisse Zeit, bis sich der potenzielle Arbeitgeber wieder meldet. Es kann natürlich auch ein übles Gerücht sein, dass in dieser Zeit recherchiert wird. Wir nehmen hier aber einmal an, dem wäre nicht so, und man zeigt in fröhlicher Unbefangenheit seine Gruppenmitgliedschaften, die unter anderem "Ehrlichkeit ist was für Vollspacken" oder "Arbeit ist nur etwas für Verlierer" lauten.
Es heißt zwar, dass die Vorstellungskraft in Zeiten der virtuellen Kommunikation etwas gelitten hat, doch überlassen wir es dennoch dieser vernachlässigten Fähigkeit, den weiteren Verlauf der Bewerbung abzuschätzen. Das Internet vergisst nicht wirklich etwas. Selbst über fünfzehn Jahre alte Foren-Beiträge sind noch über Suchmaschinen oder Internet-Archive zu finden, und so sollte man auch auf der privaten Seite nicht völlig den inneren Sauhund das Bein heben lassen.
Der öffentliche Clinch mit dem Nachbarn oder der dämliche Flirt mit rosa Herzchen und öffentlichen Sexspielchen, die in krassem Widerspruch zu "Ich liebe meine/n Mann/Frau und meine Kinder" bei der Rubrik "Über mich" stehen, sind Dinge, die in gewissen Situationen für mehr als ein "Ooops" gut sind. So etwas kann empfindlich stören, wenn man im realen Leben jemanden von den eigenen Qualitäten überzeugen muss – gerade bei dem Versuch, eine gute Stelle zu bekommen oder die eigene Glaubwürdigkeit zu untermauern.
Da hilft der Satz "Das ist doch nur Spaß, im wirklichen Leben bin ich ganz anders" eher nicht, denn bei der großen Anzahl von Bewerbern wird sich keine Firma für diejenigen mit gespaltener Persönlichkeit entscheiden. Aber bei länger dauernder Arbeitslosigkeit gibt es ja immer noch genügend Gruppen wie: "Ich? Drogen? Nö, ich bin so!"
© "Der gute Ruf im Internet – Bewerber und Community-Verhalten": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Bildnachweis: Ipad Tablet, CC0 (Public Domain Lizenz).
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