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Ein Fall, bei dem ein junger Mann seinem erst wenige Wochen alten Baby mehrere Knochen brach, lässt die Frage nach dem Babyführerschein wieder aufkommen.
Gerade einmal fünf Wochen alt ist das Kind, das nach Aussage seines 22-jährigen Vaters "nur geweint und gequengelt" habe. Über die Rolle der nahezu gleichaltrigen Kindesmutter bei den Misshandlungen liegen noch keine Erkenntnisse vor.
Die dringendsten Fragen wären, wieso die Toleranzgrenze dem praktisch Neugeborenen gegenüber dermaßen niedrig war. Dass Babys schreien, ist eigentlich etwas, das jeder weiß. Dass dies zuweilen lange dauern kann, ist auch nichts neues. Ist eine mögliche Krankheit als Ursache glücklich ausgeklammert, wird man die turbulenten ersten Lebensmonate des Familienzuwachses eben hinnehmen – glücklich, wenn auch meist müde.
Man hat etwa neun Monate, um sich auf das kommende Kind vorzubereiten. Es wird wohl niemanden geben, dem der Umgang mit Babys völlig neu ist, die meisten Menschen haben jüngere Geschwister oder zumindest einige Babys im Verwandten- oder Bekanntenkreis. Dass die Wonneproppen zuweilen schreien und weinen, ist für niemanden eine große Überraschung.
Manche Babys schreien mehr als andere, es gibt da Unterschiede. Es ist auch keine Sünde, sich davon gestört zu fühlen. Aber, wie man so schön sagt: "Da muss man durch." Wobei das Kind den Vater derart gestört hat, dass er es dermaßen brutal behandelt hat, weiß man noch nicht. Man kann mutmaßen: Fernsehen, Computer, Mittagsschläfchen, X-Box, Wii, Lesen ... nein, das Letztere wohl eher nicht.
Anhand dieses Falles fragen sich viele Menschen, wieso man für das Fahren eines Autos eine Berechtigung vorweisen muss, nicht aber für die Pflege eines Kindes.
Ein Mensch, der durch sein Fahrverhalten gefährdet, verliert schnell seinen Führerschein. Dieser wurde ihm einmal ausgestellt, weil er mit dem Fahrzeug umgehen konnte und sich an die Regeln hielt. Das aber lässt nicht auf sein Verhalten nach der Prüfung schließen, wie täglich millionenfach bewiesen wird. Wenn nun ein "Führerschein" für Eltern Pflicht wäre, sähe das kaum anders aus.
Wenn die Kurse sofort nach Ausstellung des Mutterpasses begännen, sagen wir am Anfang mit lebensechten Puppen und später auch mit Praktika in Säuglingsstationen und Kinderhorten, wenn es Pflichtstunden für Krankheitsfälle und Kinderpsychologie sowie erste Hilfe gäbe ... wahrscheinlich würde keiner durchfallen. Selbst, wenn ein Wesenstest bestanden werden müsste, nicht.
Zudem, was wäre, wenn doch einer das "Klassenziel" nicht erreichte? Rückgängig zu machen ist da nun nichts. Wäre dann das Jugendamt mit einer passenden Pflegefamilie oder einem Heimplatz zur Stelle? Könnte man die Prüfung wiederholen? Sollte man ein Punktesystem einführen, so wie bei den Autofahrern, das bei Auffälligkeiten abgerufen werden könnte?
Wer würde das überwachen wollen? Die Jugendämter sind mit der jetzigen Situation schon hoffnungslos überfordert und reagieren schon lange nicht mehr effizient. Unter den Augen dieser Behörde geschehen zuweilen schreckliche Dinge, die nicht wahrgenommen werden, obwohl die betreffenden Familien aktenkundig sind. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass ein Anruf beim Jugendamt oft den gleichen Stellenwert hat, wie der beim Ordnungsamt eines falsch geparkten Fahrzeuges wegen ... es ist eine unter vielen Möglichkeiten, dem verhassten Nachbarn eins auszuwischen.
Es liefe auf jeden Fall darauf hinaus, dass man ein Heer von Überwachungspersonal bräuchte. Freilich würden die öffentlichen Kräfte von der guten alten Blockwartmentalität unterstützt werden, die leider nicht auszurotten ist in diesem Land, und durch ihre Präsenz immer noch die Nähe zu vergangenen Zeiten herstellt, in denen sie nichts Gutes gebracht hat ... und heute auch nicht bringen wird.
Durchdenkt man die zweite Variante, nämlich die eines Pflichtkurses ab einem gewissen Alter, ähnlich wie die Einberufung zur Bundeswehr, dann gleitet es schnell ins Absurde. Wie will man verhindern, dass es zu Schwangerschaften vor der Erlangung des Elternführerscheins kommt? Wird bei Zuwiderhandlung eine Abtreibung verordnet und eine Elternsperre verhängt?
Der Ruf nach einer Regelung ist verständlich angesichts der vielen Fälle von Kindesmisshandlung, aber ausführbar ist das wohl kaum. Zwar ist es nicht bei allen Menschen wünschenswert, dass sie Kinder haben dürfen, aber es gibt wohl keinen Weg, dies zu verhindern. Der Vater im oben geschilderten Fall wäre bei einer psychologischen Untersuchung mit Sicherheit auffällig gewesen, aber deshalb hätte man ihm die Vaterschaft nicht verwehren und auch nicht verhindern können.
Wir leben in einer Zeit des emotionalen Abstands, der scheinbar verhindert, dass man die Gefühle und Leiden anderer Menschen wahrnimmt. Das "Hineinversetzen" in die Rolle des anderen scheint eine sehr schwierige Sache geworden zu sein. Dass jemand ein weinendes Baby nur als Störfaktor und nicht als kleinen Menschen, mit dem vielleicht etwas nicht stimmt oder der etwas braucht, das man ihm verwehrt, wahrnimmt, ist symptomatisch für diese neue Kälte. Man kann sich fragen, was mit einem Menschen geschehen ist, der den ganzen Kosmos nur auf sich selbst bezogen definieren kann und in seiner menschlichen Wahrnehmung dermaßen gestört ist, dass er einem hilflosen Säugling so etwas antut.
Aber wie auch immer, es ist absolut notwendig, dass man Wege sucht, wie man solche Dinge verhindern kann. Strafen erfolgen zwangsläufig erst dann, wenn jemand zu Schaden gekommen ist und nützen den Verletzten nichts. Wahrscheinlich geht es hier wie anderswo darum, die Ursachen zu erkennen und darauf zu reagieren.
Neue Reglements schaffen auch neue Verweigerer.
© Textbeitrag "Auf jeden Fall durchgefallen": Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Bildnachweis: Illustration Missbrauch, CC0 (Public Domain Lizenz).
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