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(Juli 2010) Die Bundesrepublik Deutschland ist vorübergehend zur Monarchie geworden, denn eine begrenzte Zeit regiert König Fußball. In gewisser Weise herrscht Ausnahmezustand, denn für einige Wochen ist manches anders als sonst. Autos sind mit Fähnchen in den deutschen Farben geschmückt und sehen aus, als gehörten sie zum diplomatischen Korps.
Das gleiche gilt für Häuser, an denen mehr oder weniger große Fahnen prangen ... schwarz rot gold, und manchmal sogar mit einem Adler in der Mitte. Das "Flaggezeigen" treibt zuweilen seltsame Blüten, denn es gibt kaum etwas, das man nicht in den Nationalfarben haben kann. Kaffeebecher, Hemden, Nippes ... und sogar Mäntelchen für Hunde, die beim Gassi auf diese Weise ihre Staatszugehörigkeit auf dem Rücken tragen.
Aber nun sind die Bürger so diskutierfreudig wie nie zuvor. Deutschland ist "nur" WM-Dritter geworden. So manch einer fragt sich, was die ganze Aufregung soll, denn Deutschland hält nach wie vor den Weltmeistertitel im Fußball: Die deutsche Nationalelf der Frauen verteidigte bei der WM 2007 ihren Titel erfolgreich gegen Brasilien mit einem glatten 2:0. Ja, aber das waren doch die Frauen, mag da mancher sagen. Und wieder andere könnten sagen, dass das eigentlich keine Rolle spielt, denn die Regeln sind völlig gleich.
Das war allerdings nicht immer so in der Geschichte des Frauenfußballs, die im Übrigen sehr bewegt war. Pionierinnen dieses Sportes waren junge Britinnen, die an den Schulen gerne mit dem runden Leder zu tun hatten, und zwar seit dieser Sport als solcher anerkannt war. Das war 1863 – denn in diesem Jahr wurden einheitliche Regeln für Fußball eingeführt, welcher fortan als angemessene sportliche Betätigung für junge Mädchen galt. Es dauerte nicht lange, und die ersten Damenmannschaften formierten sich außerhalb der Bildungsinstitute.
Legendär sind die berühmten "British Ladies", das erste Team überhaupt. Tatsächlich konnte das denkwürdige Spiel England-Süd gegen England-Nord am 23. März 1895 zehntausend Besucher anlocken. Das Turnier endete übrigens mit einem 7:1. Die Kleidung der resoluten Damen auf dem Platz richtete sich allerdings mehr nach den Regeln der Schicklichkeit als nach sportlichen Gesichtspunkten. Die wohlfrisierten Fußballerinnen trugen Blusen mit langen Ärmeln und Knickerbockerhosen, über denen ein Röckchen getragen wurde, um den Anstand zu wahren. Auch fehlte ein kleines Hütchen nicht.
Trotzdem wurden die Mannschaften wohl eher als Kuriosum betrachtet denn als ernstzunehmende Fußballer. Aber tatsächlich erlebte der Frauenfußball bald einen gewaltigen Aufschwung in England, denn in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde er regelrecht zu einer Mode, so dass es in fast allen größeren Orten eine weibliche Mannschaft gab. Ein großes Spiel in Everton wurde sogar von 52.000 Zuschauern verfolgt – und alle hatten Karten gekauft.
Auch auf dem Kontinent fanden immer mehr Frauen Gefallen an diesem Spiel, wenngleich ihnen Steine in den "Torweg" gelegt wurden, wo immer es ging. Die Verbände weigerten sich im Allgemeinen so etwas wie Damenfußball überhaupt wahrzunehmen, aber die Frauen waren nicht mehr aufzuhalten. In Deutschland hatten es die Frauen besonders schwer, denn die Männerdomäne Fußball wurde hierzulande sehr erbittert verteidigt. Zwar formierte sich 1930 ein Frauenfußballklub in Frankfurt, aber diesem wurde nur erlaubt, gegen männliche Gegner zu spielen.
Da man in Deutschland in den Zeiten des aufkeimenden Nationalsozialismus ein ganz bestimmtes Frauenbild bevorzugte, passten kickende Damen nicht besonders, und es wurde so lange protestiert, bis der Club verschwand. Erst in den sechziger Jahren wurde das Thema wieder wirklich aktuell, und in der damaligen DDR wurde in diesem Jahrzehnt die erste Frauenfußball-Mannschaft gegründet. Erst 1970 wurde das Frauenfußballverbot in Deutschland endlich aufgehoben, wenngleich es auch lächerliche Beschränkungen gab. So durften die Frauen keine Stollenschuhe tragen und man traute ihnen nur kleinere und leichtere Bälle zu. Außerdem war die Spielzeit auf 70 Minuten beschränkt, später auf achtzig.
Trotz dieser sinnlosen und nicht nachvollziehbaren Bestimmungen formierten sich auch in Deutschland immer mehr Mannschaften. Mittlerweile sind die Regeln, ebenso wie die Bälle, angeglichen und jedes europäische Land hat Frauenmannschaften. Sogar im Iran ist die Jagd nach dem runden Leder bei den Damen beliebt. Einschränkungen gibt es erstaunlicherweise kaum – die Spielerinnen müssen ein Kopftuch tragen und männliche Zuschauer sind aus Schicklichkeitsgründen nicht erlaubt. Im Gegenzug dürfen bei Spielen der Herren auch keine Frauen zusehen, aus den gleichen Gründen. Spiele der Damen finden allerdings in Hallen statt, damit unerwünschte Beobachter außen vor bleiben müssen.
In Amerika hat sich der Fußball sogar zu einem Frauensport entwickelt. Für Männer hat es heute noch ein wenig das "Warmduscher-Image", aber das hängt wohl mit den traditionellen Ballspielen der Amerikaner zusammen: American Football und Rugby, von denen gesagt wird, dass sie "zu viel für einen Kampf, aber zu wenig für einen Krieg" sind. Dass der "Soccer" trotzdem auch zunehmend für junge Männer attraktiv wird, liegt zu einem nicht geringen Teil an der Akzeptanz der Mütter, denn die Söhne können Sport treiben und trotzdem mit heilen Knochen nach Hause kommen. Jedenfalls ist die Chance weitaus höher als bei American Football.
Ansonsten hat sich der Frauenfußball in den letzten Jahren sehr gut etablieren können und im Großen und Ganzen den Beigeschmack von "Lasst die Mädels halt auch ein wenig dribbeln" verloren, denn es gibt keinen Unterschied mehr zum Fußball der Männer. Fast ununterbrochen hielt die deutsche Frauenelf den Europameistertitel, und Weltmeister ist sie sowieso – aber nicht, weil es einfacher wäre im Frauenfußball. Da wird ebenso gefoult, getreten oder gestürmt wie bei den Herren, und interessante Spiele sind Ehrensache.
Das ist wohl auch der Grund, dass viele, die noch vor Jahren mitleidig lächelten, wenn sie nur das Wort Frauenfußball hörten, heute richtig stolz sind auf die Nationalelf "der anderen Art".
© "Königin Fußball und Monarchie Deutschland": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Bildnachweis: Mobiltelefon, CC0 (Public Domain Lizenz).
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