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Auf der Straße kommen sich zwei Hunde entgegen – stellen wir uns einen Collie und einen Dackel vor, mit dazugehörenden Menschen. Der Abstand verringert sich – und es kommt, was leider immer kommt in dieser Situation.
Der Dackel stellt die Nackenhaare hoch und wechselt in einen steifen Gang – ganz gespannte Aufmerksamkeit. Der noch ein gutes Stück entfernte Collie tut dasselbe, und die betreffenden Menschen am anderen Ende der jeweiligen Leine stehen schlagartig unter Stress.
Dackel und Collie fangen an zu bellen und an der Leine zu zerren wie die Berserker, ihre Begleitmenschen versuchen durch beruhigende Worte, oder auch durch genervte Raunzer, die Möchtegern-Krieger zu beruhigen. Die Dame mit dem Collie versucht es mit "Gut zureden" in der Art von "Das ist ja ein ganz ein Braaaver, ganz ruuuuhig ...", während der Herr des Dackels es mit einem ärgerlichen "Aus! Wirst du wohl still sein!" versucht.
Ausweichen kann man nicht, und so zerren beide Menschen ihre wütenden Hunde, die praktisch auf den Hinterläufen stehen und den Dritten Weltkrieg einbellen, in größtmöglichem Abstand aneinander vorbei. Nach der Bellorgie schimpfen beide Menschen etwas genervt vor sich hin, während die Hunde einen recht schuldbewussten Eindruck machen und mit hängender Rute brav an der Leine laufen.
Diese oder ähnliche Szenen kennen die meisten Hundebesitzer. Es gibt natürlich auch die Variante, in der einer der betreffenden Hunde ein kriegerisches Solo hinlegt, das wirklich die Aufmerksamkeit der ganzen Straße hat, während der andere ruhig an lockerer Leine läuft, ohne auch nur einen Seitenblick für den Kläffer übrig zu haben.
Das ist meist recht peinlich für den bedauernswerten Menschen, dessen Bello knapp an einem Infarkt vorbeischlittert vor lauter Aufregung. Wenn es ganz dick kommt, ist es auch noch eine kleine Ausgabe eines Caniden, und der Standardsatz der Vorbeigehenden lautet dann meist: "Jaja, die Kleinen, die haben es faustdick hinter den Ohren" (an dieser Stelle soll noch gesagt sein, dass unter Hunden die Größe unwichtig ist. Eine Seele von Rottweiler kann sich durchaus einem dominanten Pinscher unterordnen).
Und mit versteinertem Lächeln wird der entartete Hund hinter sich hergezogen, während sich die vor Neid auf den gut erzogenen Kontrahentenhund grünliche Gesichtsfarbe langsam wieder normalisiert. Diese Szenen sind praktisch das tägliche Brot eines glücklichen Hundebesitzers und stärken allein durch ihre Häufigkeit das Nervenkostüm – meist legt man sich eben ein dickes Fell zu. Und fragt sich, was man eigentlich falsch macht – denn sonst ist der Familienhund nämlich die reinste Freude. Bis zum nächsten Gassi.
Falsch macht eigentlich niemand etwas, außer dass zwischen Mensch und Hund meist Missverständnisse aufkommen. Dass ein Hund schlagartig "angibt", wenn er einen Artgenossen ausmacht, der dieselbe Straße wie er benutzt, liegt in seiner Natur. Denn Hunde denken territorial, und Klappern gehört zum Handwerk. Erstens einmal muss man seinen Grund und Boden bzw. das Gebiet schützen, da könnte ja jeder kommen. Und natürlich muss erst Eindruck geschunden werden – mit aufgestelltem Fell und einem Gang wie ein Revolverheld mit extrem tiefgetragenen Kanonen. Das gehört zum Ritual und bedeutet erst einmal gar nichts.
Aber leider ist der Hund mit dem Menschen am anderen Ende der Leine stark verbunden – dieser hat seine eigene Körpersprache und sogar den Geruch schon beim Anblick des anderen Hundehalters verändert und somit ein Signal gegeben. Der Mensch befindet sich in einer Stress-Situation und hat Angst – und der Hund merkt das sofort. Und er sieht natürlich den Auslöser im anderen Hund. Der also stellt eine Gefahr dar, sonst würde sich Herrchen bzw. Frauchen nicht so aufregen.
Also muss der Bedrohung begegnet werden und der Mensch beschützt. Wenn Frauchen nun gut zuredet, kommt dieser Tonfall bei Hasso wahrscheinlich als Lob an. Und da er alles, was von Frauchen kommt, auf den direkten Zeitpunkt bezieht, sieht er sich für sein Verhalten gelobt. Und das momentane Verhalten ist nun bellen, fletschen und grollen, sowie an der Leine ziehen und sich aufregen. Dergestalt ermutigt, wird der behaarte Held seine Bemühungen wahrscheinlich verdoppeln.
Der lautstark ausgeschimpfte Hund nun sieht das als Anfeuerung seines Herrn bzw. böses Ausbellen des feindlichen Invasoren. Und da greift der Rudelinstikt hervorragend. Man macht moralisch gestärkt und begeistert mit, da Herrchen derselben Meinung ist wie man selber. Sollte nun ein extrem gestresster Hundehalter sich nicht beherrschen können und dem Hund einen Klaps versetzen, wird auch das dem gegnerischen Hund zugerechnet und die Schraube um mehrere Gewinde verlängert. Das gilt dann erst recht, wenn zwei Hunde in eine Beißerei verwickelt sind. Jeder Schmerz wird dem anderen Hund zugeschrieben und entsprechend reagiert.
Sind die Mensch-Hund-Gespanne nun glücklich aneinander vorbeigekommen, machen die Vierbeiner meist einen recht schuldbewussten Eindruck. Der Mensch glaubt nun, der Hund wisse, dass er einen Fehler gemacht hat und ist stinksauer. Und es stimmt in gewisser Hinsicht sogar, denn dem Hund tut es wirklich sehr leid – er glaubt, dass er geschimpft wird, weil er den Gegner hat entkommen lassen. Und somit wird er beim nächsten Mal noch weitaus mehr bemüht sein. Und der Mensch wird beim nächsten Mal noch nervöser sein, und dann ... schaukelt sich das Ganze weiter hoch, bis man sich mit dem Hund kaum noch auf die Straße traut.
Aber das muss nicht so sein. Wenn der Mensch weiß, wieso der Hund so reagiert, kann die Situation entschärft werden. Einfach durch das eigene ruhig bleiben. Der emotionale Zustand des Menschen überträgt sich unfehlbar auf den Hund, und wenn dieser die Gelassenheit des Halters spürt, wird er mit der Zeit weitaus ruhiger reagieren.
Der Kleinkrieg wird sich dann auf ein kurzes Wuffen und einen gespielten Ausfall reduzieren – also nichts, worüber man sich aufregen müsste. Das geschieht natürlich nicht von heute auf morgen, aber mit der Zeit stellt sich Bello auf das Verhalten seines Menschen ein.
Wenn Hunde an der Leine sind, reagieren sie völlig anders als beim Freilauf. Das ist die unmittelbare Folge der Verbindung durch die Leine. Treffen sie unangeleint draußen aufeinander, passiert meist gar nichts. Denn wenn ein gut sozialisierter Hund auf einen Artgenossen trifft, wird das in den meisten Fällen friedlich geregelt. Vorausgesetzt, die Menschen reagieren einigermaßen richtig.
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© "Bis zum nächsten Gassi – Die Straße ist für alle da": Beitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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