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Hebamme – das ist ein Berufsstand, der überhaupt nicht wegzudenken ist. Trotzdem stehen die weiblichen und mittlerweile auch männlichen Vertreter des Standes selten im Licht der Öffentlichkeit.
Männern war der Zugang zu diesem Beruf aus nicht nachvollziehbaren Gründen lange Zeit verwehrt. Das ist eigentlich verwunderlich, denn die Gynäkologen sind zu einem großen Teil männlich und agieren meist auch als Geburtshelfer. Vielleicht glaubte man, dass ein Hochschulstudium vor männlichen Ohnmachtsanfällen während der Geburt schützt (der korrekte Name für eine männliche Hebamme in Deutschland ist Entbindungspfleger).
Eigentlich bedeutet das Wort so etwas wie eine Ahnin oder auch Großmutter, die ein Kind aufhebt – also symbolisch hervorholt – oder in die Familie aufnimmt. Jedenfalls ist der Beruf wohl ebenso alt wie die Menschheit, denn es wird auch in den Höhlen und frühen Bauten der Menschen Frauen gegeben haben, die sich als besonders geschickt und versiert erwiesen, was das weite Feld der Geburtshilfe betrifft.
Männern war auch zur damaligen Zeit der Zugang zum Gebärlager eher versperrt. Das gründete nicht in der Schicklichkeit, sondern in der Spiritualität des Mutterkultes. Zum Handwerk gehörte ein sicheres Auge für das Befinden der schwangeren Frauen, sensible Hände für den Tastbefund, was die Lage des Kindes betraf, sowie die Kontrolle des Muttermundes während einer Geburt. Weiterhin gehörte das Wissen zu Kräutern und Pflanzen dazu – es gibt zahlreiche natürliche Helfer, die während einer Schwangerschaft und auch nach der Geburt heilend und unterstützend wirken.
Vermutlich verfügte jeder Clan oder Stamm über bestimmte weise Frauen, die sich dieser Seite der Fortpflanzung annahmen und die ihr Wissen ständig erweiterten und auch weitergaben. Richtiggehende Lehrbücher für Hebammen, bzw. Anleitungen für Geburtshilfe, gab es schon früh – Soranos von Ephesos verfasste eine solche um das Jahr 117. Fast hundert Jahre später gab es der griechische Arzt Moschion erneut heraus. Kurioserweise waren es schon damals Männer, die diese Thematik zusammenfassten.
Nach der endgültigen Christianisierung waren Hebammen zur sofortigen Taufe des Neugeborenen verpflichtet, und die erste Hebammenverordnung gab es anno 1452 in Regensburg. Im Jahre 1491 führte die Stadt Ulm eine Prüfung ein, die die Anwärterinnen absolvieren mussten, bevor sie ihren Beruf ausüben durften. Das Hebammenwesen wurde durch die Jahrhunderte hindurch reglementiert und erreichte einen hohen Standard, was Fachkönnen und Wissen anbetraf.
In den dunklen Zeiten der Hexenhysterie allerdings war der Stand eher ein Gefahrenberuf, denn das notwendige Heil- und Kräuterwissen war oft die Fahrkarte in die Folterkeller und auf den Scheiterhaufen. Jedes Wissen, das nicht irgendwie in Verbindung mit der Kirche stand, war gefährlich. Das verwundert nicht in Zeiten, in denen man geschriebene Gebete in die Wiegen legte, um Krankheiten vorzubeugen.
Die spätere Aufklärung in verschiedenen Bereichen nahm dem Berufsstand den unheimlichen Anstrich und so gab die Pfarrerstochter Justine Siegemundin im Jahr 1690 ein vielbeachtetes und bedeutendes Standardwerk heraus, das in mehreren Auflagen gedruckt wurde.
Es hatte noch nie eine Zeit gegeben, in denen die wissenden Frauen nicht gebraucht worden waren, aber als 1850 die Geburtshilfe als Pflichtfach für Ärzte in Preußen eingeführt wurde, kam es zu einer Wende. Wieder einmal lag alles in der Hand der Männer und die wirtschaftliche Situation der Hebammen verschlechterte sich immer mehr. Und so war das Thema des Einkommens der größte Programmpunkt des denkwürdigen internationalen Hebammentages am 22. September 1890 in Berlin, zu dem 900 Hebammen erschienen waren.
Ein weiterer Schwerpunkt war die Hygiene – die Versammlung forderte verstärkte Sauberkeit in allen Bereichen des Wochenbettes. Die Frauen hatten die Lehren des so tragisch gescheiterten Dr. Semmelweis ohne weiteres angenommen – vermutlich hatte ihr gesunder Menschenverstand den Wert seiner Entdeckungen erkannt, was der männlichen Ärzteschaft bis hierhin immer noch nicht wirklich gelungen war.
In der Vorzeit war eine Geburt ein Ereignis, das die gesamte Sippe betraf, und das mehr oder weniger öffentlich stattfand. In den Königshäusern war es üblich, dass mehrere Personen anwesend waren, um die Zugehörigkeit des Kindes zu bezeugen. Irgendwann rückte die Geburt als Vorgang in den Bereich des peinlichen bzw. höchst intimen. Es gab Zeiten in denen schwangere Frauen das Haus nicht mehr verließen, sobald man ihren Zustand erkennen konnte. Die Umschreibungen, mit denen man flüsternd von ihren "Umständen" sprach, verblüffen geradezu. Es sah zuweilen aus, als wolle man den Menschen auf der Straße die Mär vom Klapperstorch nicht nehmen.
Als in der Neuzeit das Ansehen der Ärzteschaft ihren Höhepunkt erreicht hatte, wurden Geburten behandelt wie Fließband-Produktionen. In den Krankenhäusern gab es Hebammen, die aber den Ärzten unterstellt waren. Das Klima war nicht eben herzlich, das so genannte "Rooming In" war noch lange nicht Usus und galt als extrem fortschrittlich.
Noch Anfang der siebziger Jahre wurde die Wochenstation in vielen Kliniken wie eine Montagehalle bei Ford betrieben. In den ungemein wichtigen Stunden nach der Geburt waren Mutter und Kind getrennt. Die Babys wurden auf langen Rolltischen zur Abfertigung zu ihren Müttern gebracht zum Stillen, dann wieder fortgenommen. Von Zusammensein und Schmusen konnte nicht die Rede sein, und der tägliche Rundgang der Stationsärzte war nicht eben angenehm. Die Folgen – psychische Belastungen bei beiden Betroffenen – schlugen sich in Depressionen bei den Müttern und stundenlangem Schreien bei den Säuglingen nieder.
Dass man – solange es die medizinische Situation der werdenden Mutter zulässt – eine persönliche Betreuung durch eine gute Hebamme oder einen Geburtspfleger daheim, oder vor und nach einer ambulanten Geburt favorisiert, liegt klar auf der Hand. Der Kreis schließt sich, denn eine sanfte Geburt in liebevoller Umgebung ist nicht nur für die Mutter angenehm – sie heißt den neuen Menschen auch angemessener willkommen. Sie sind immer wichtig gewesen, die Hebammen – und sie werden es weiterhin auch sein.
© "5. Mai – Der Internationale Hebammentag": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Bildnachweis: Zwillinge, CC0 (Public Domain Lizenz).
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