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Na, du Held? So sagt man zuweilen, wenn der Sohnemann mit dem Dreirad den Zaun entlanggeschrammt ist und heulend seine Schürfwunden vorzeigt. Ihr seid mir ja schöne Helden – das wird gesagt, wenn etwas gründlich danebengegangen ist und die Übeltäter in flagranti erwischt wurden.
Das Wort hat einen guten und einen schlechten Klang gleichermaßen. Nicht immer ist damit etwas Gutes gemeint.
Aber was genau ist nun ein "Held"? In der Kindheit war das Bild des Helden fest umrissen. Ein Held hatte tapfer und immer gut zu sein. Natürlich gewann er immer letztendlich, wenn es auch mittendrin gar nicht so aussah und das Böse erst einmal triumphierte. Das musste so sein, sonst wäre es langweilig gewesen.
Manche Helden hatten vier Beine, man denke an den Schäferhund Rin Tin Tin oder die legendäre Lassie. Die konnten gar nicht anders als mutig und gut zu sein, sie hatten da keine Wahl. Eigentlich auch irgendwie langweilig, aber sie wurden heiß und innig geliebt. Wahrscheinlich hätte jedes Kind gern einen Freund aus dem Tierreich gehabt, aber da war der Spruch "Ein Hund kommt mir nicht ins Haus" wohl meist vor. Die wenigsten Elternhäuser verfügten über einen Swimming-Pool, wodurch ein Delphin auch nicht infrage kam.
Dann gab es für Leseratten natürlich Winnetou und Old Shatterhand, ebenfalls charakterlich einwandfreie Vorbilder. Ich hatte damals immer den Eindruck, dass der edle Apache mehr Fans hatte als die "alte Schmetterhand". Vermutlich weil er exotischer war und hinreichend fremdartig genug. Als edler Wilder konnte auch Tarzan, der Affenmensch gelten. Der war der König des Dschungels und hatte alle Tiere als Freund. Wenn einen die Klassen-Rowdys mal wieder piesackten, hätte man auch gerne mit einem irren Schrei eine Elefantenherde herbeigerufen. Ein wirklich unwiderstehlicher Gedanke.
Aber außer gut und stark zu sein, konnten Helden auch eine wirkliche Aufgabe haben, so wie Robin Hood. Der sorgte für ausgleichende Gerechtigkeit und seine Aktivitäten waren auch immer ein wenig lustig. Er hatte immer viel zu tun mit der Umschichtung von Gütern und der Bestrafung böser Sheriffs und Adliger. Und über sieben Ecken waren er und seine Mannen Freunde von Sir Ivanhoe, einem wirklich beeindruckenden Helden.
Irgendwann erschienen dann andere Persönlichkeiten auf der Bildfläche. Man schmökerte nicht mehr Karl May ... man verschlang Comics. Plötzlich gab es Superman und Batman, beide im selben Heft. Supi hatte die ultimativen Kräfte, nur durch grünen Kryptonit konnten ihm die Bösen etwas anhaben. Aber es kommt relativ selten vor, dass ein Gangster Steinchen von einem anderen Planeten bei sich trägt, weshalb der fliegende Held immer auf der Gewinnerseite war. Oder praktisch die Gewinnerseite darstellte.
Ich persönlich bewunderte Batman mehr, gerade weil er auf Superkräfte verzichten musste und sich auf geniale Weise anders behalf. Stärke, Gewandtheit und eine tolle Ausrüstung ließen ihn seinen Beruf als Verbrecherjäger meisterhaft ausüben. Und dieses düstere Kostüm machte ihn unglaublich interessant. Superman geriet mit seinem biederen rotblauen Anzug da etwas ins Hintertreffen.
Die Helden wechseln eben mit der Zeit, es erschienen chinesische Namen in der allgemeinen Hall of Fame, und die Jungs, die aus dem Kino kamen, waren nicht mehr in der Lage, sich normal fortzubewegen. Sie stießen sonderbare Schreie aus und versuchten eine Mischung aus dreidimensionalem Spagat und russischem Ballett. Wogegen diese asiatischen Wunderknaben kämpften, war nicht unbedingt klar ersichtlich – aber es sah auf der Leinwand einfach sehr gut aus. Ein einziger Kämpfer, der gegen zwanzig böse Jungs antritt und auch noch gewinnt, das ist der Traum jedes Schülers, der gemobbt wird.
Mit der Zeit differenzierte sich das Heldentum um einiges, es wurde philosophischer. So bezwingt der künftige Held erst sich selbst, bevor er zu großen Taten schreiten kann. Oder aber er bezwingt das ultimative Mittelmaß, so wie ein gewisser Herr Beutlin aus dem Auenland. Die Figur des Hobbits Frodo zeigt einen ganz besonderen Heldenmut. Wie beschrieben wird, sind Hobbits gerade süchtig nach dem Mittelmaß. Sie wollen nicht auffallen, sie interessieren sich vorwiegend für familiäre Angelegenheiten, sie lieben das bescheidene Wohlleben. Ein Hobbit mischt sich normalerweise nicht ein ins Weltgeschehen, die Welt jenseits seines kleinen Landes interessiert ihn nicht.
Die Hobbits sind biedere Spießbürger, die sich um ihre eigenen Sachen kümmern. Nicht unbedingt der Stoff, aus dem man Helden macht. Und doch ziehen einige von ihnen hinaus in die bedrohliche Welt außerhalb ihrer geliebten Gärten und kämpfen sich durch unerhörte Schwierigkeiten und Abenteuer, durch Gewalt und Krieg und retten die Welt. Und dabei wünschen sie sich durchweg, anderswo zu sein und gemütlich ihr Pfeifchen zu schmauchen.
Sie erheben keinen Anspruch auf Heldentum, sie tun einfach das, was nötig ist, weil es gerade kein anderer tun kann. Und das mit einer bemerkenswerten Sturheit. So gesehen erscheinen sie mir als echte Helden, solche nämlich, die es eigentlich gar nicht sind. Ihnen fehlt der Nimbus des strahlenden Siegers völlig. Und dann wachsen sie über sich hinaus. Solche Helden hat es zu allen Zeiten wirklich gegeben.
Unauffällig und ohne glamourträchtige Ankündigungen ausscheren und das Nötige tun – wahrscheinlich gibt es nichts Schwierigeres. Nun ja, vielleicht noch das Umkehren und ohne viel Worte gegen den Strom gehen oder sich ruhig abwenden, wenn zum Gleichschritt in einen Krieg aufgerufen wird.
Oder als einziger die Faust nicht ballen ...
© "Helden! Zu großen Taten schreiten oder nur das Nötige tun?": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Bildnachweis: Superhelden, CC0 (Public Domain Lizenz).
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