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(Februar 2010) Wie eine Nachricht vermeldet, ist es einer neuseeländischen Studentin gelungen, ihre Jungfräulichkeit über ein Internet-Auktionshaus zu versteigern. Die Virginität der jungen Dame soll, so kann man lesen, für etwa 23-tausend Euro "weggegangen" sein.
Auktionen, die diesen "Gegenstand" betreffen, sind nicht neu, in Bordellen war das eine Spezialität, aber im Jahre 2010 überrascht das große Interesse an diesem Angebot doch etwas.
Tatsächlich wurde der Jungfräulichkeit im Laufe der Geschichte bei manchen Völkern ein sehr großer Wert beigemessen. Für die vorgeschichtliche Zeit traf das vermutlich wenig oder gar nicht zu, denn der Wert einer Frau mag sich anders bemessen haben – oder sogar gegenteilig. In Zeiten, in denen ein gesunder und großer Clan ein Garant für das Überleben war, dürfte eine Frau, die fruchtbar war, und das schon unter Beweis gestellt hatte, sehr begehrt gewesen sein.
Als das Mutterrecht herrschte, verhielt es sich ebenso, denn jedes Kind wurde als der mütterlichen Linie zugehörig angesehen, der Vater galt nicht unbedingt als verwandt mit seinen Kindern. Zu jenen Zeiten gab es keine "Bastarde", denn jeder kannte seine Mutter, aber den Vater nicht unbedingt. Die erzieherische Stelle nahm meist ein Verwandter der Mutter ein.
Der erste und einzige Mann zu sein, der mit einer bestimmten Frau schläft, wurde erst wichtig, als sich das Vaterrecht etabliert hatte und man vermeiden wollte, die Kinder eines anderen Mannes großzuziehen. So gesehen war es eine eher praktische Angelegenheit als eine, die mit Tugend zu tun hatte. Denn die Definition der Virginität ist nicht immer und überall die gleiche.
So gab es in Frankreich die berühmten "Demi-Vierges", die Halbjungfrauen. Es handelte sich um hübsche junge Frauen, die – meist aus einfachen Verhältnissen stammend – sich Liebhaber hielten, welche ihnen so einiges zuwandten. Auf diese Weise konnten sich die Mädchen eine gute Aussteuer verschaffen, was wiederum die Chance einer guten Partie erhöhte. Es ging einfach darum, dass den Verehrern so ziemlich jede Gunst gewährt wurde, nur diese eine nicht. Das Hymen musste auf jeden Fall intakt bleiben, ebenfalls im Interesse einer bestmöglichen Heirat. Diese Art der Jungfrauenschaft hatte nun mit "Unschuld" ganz bestimmt nichts zu tun und war eher eine Art Geschäft.
Aber zurück in das Mittelalter – hier nämlich hatte die Marienverehrung so einiges verändert in den Köpfen der Menschen, denn die Verehrung der Mutter Jesu breitete sich aus und nahm zum Teil sehr sonderbare Formen an. Wie an anderer Stelle gesagt wurde, war Gott zu gewissen Zeiten praktisch weiblich. Dass die junge Frau aus Israel das göttliche Kind geboren hatte, ohne jemals mit einem Mann Verkehr gehabt zu haben, war eine feststehende Tatsache für alle Gläubigen. Und die Tugend der Frau, die den Erlöser gebar, stand wohl außer Zweifel.
Allerdings kennen auch andere Religionen solche Geschichten, die vor allem die Besonderheit des jeweiligen Kindes unterstreichen sollen, das von einem Gott gezeugt wurde. Dabei spielt allerdings nicht unbedingt die Jungfräulichkeit eine Rolle – es kann sich auch um Mütter oder Witwen handeln. Kritiker der Bibelauslegung bzw. der gängigen Übersetzungen sehen es übrigens als erwiesen an, dass von einer jungen Frau die Rede ist, nicht von einer "virgo intacta". Wenn dem so wäre, könnte man von jahrhundertelangem Lärm um gar nichts sprechen.
Es gab zu diesen und auch zu früheren Zeiten den unsäglichen Brauch, das blutbefleckte Leintuch der Hochzeitsnacht öffentlich auszustellen, um die Jungfernschaft der Braut zu dokumentieren. Wäre dieses ausgeblieben, hätte der Ehemann sein Gesicht verloren. Welche Ängste die Paare auszustehen hatten, bleibt dem Leser überlassen, denn es kommt nicht unbedingt zu nennenswerten Blutungen, die man als Beweis herzeigen könnte. Zudem besteht die Möglichkeit, dass gar kein Hymen vorhanden ist. Solche Fälle wird es natürlich gegeben haben, aber die Findigkeit der Menschen behalf sich da mit Tierblut, um der Sitte genügen zu können.
Ebenso viel Wert wurde der "Unberührtheit" in den asiatischen Ländern beigemessen, die jungfräuliche Braut hatte fast Kultcharakter. Die extrem frauenfeindliche Haltung in gewissen Epochen Chinas z. B. machte ein unglaubliches Diktat daraus. Die Frauen wurden zum Instrument der Blutlinienfortführung und streng im Hause gehalten. Die verkrüppelten Füße und die ständige Überwachung machten das sehr einfach. Bildung war nicht erwünscht, nur Fruchtbarkeit und Tugend. Von diesem vermutlich sehr langweiligen Eheleben erholten sich die Männer aus guter Familie bei den Kurtisanen der Stadt – meist sehr gebildeten und geistreichen Frauen, die für sich selber sorgten.
Die Dominanz wurde auf eine grausame Spitze getrieben durch die Verhütung von Sexualität vor der Ehe bei den Kulturen, die die Beschneidung der Frauen praktizieren. Denn dadurch erlischt jedes Interesse wie auch die Fähigkeit zur Sexualität. Die Frau kann benutzt werden, aber ohne, dass es ihr irgendein Vergnügen bereitet. Das Gegenteil ist eher der Fall, da der Geschlechtsverkehr durch die grausigen Verstümmelungen sehr schmerzhaft ist. So ist die Wahrscheinlichkeit des Ehebruchs mehr als gering.
Nachdem das christliche Diktat zur bloßen Form mutierte und im Lauf der Zeit den Frauen so etwas wie eigene Sexualität zugestanden wurde, nahm die Wertschätzung dieses physischen Zustandes einer Frau rapide ab – jedenfalls, was das Gros der Männer betraf.
Das durch den Artikel zur neuseeländischen Studentin bewiesene Interesse nicht weniger Männer – immerhin sollen 1200 Gebote eingegangen sein – kann vermutlich nur durch gewisse Schwierigkeiten in Sachen Sexualität erklärt werden. Einmal mangels Vergleichsmöglichkeiten der Beste zu sein – das lassen sich manche schon etwas kosten.
© "Jungfräulichkeit – Sitte, Brauch und Wert": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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