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(9. Mai 2010) Sie war schön, sie war intelligent, sie war talentiert, sie war eine Persönlichkeit. Frauen wie sie hatten ein Starpotenzial, von denen viele Möchtegern-Starlets nur träumen konnten. Eigentlich hätte sie in die allererste Riege gehört, aber ... Lena Horne hatte die falsche Hautfarbe.
Sie wurde 1917 in Brooklyn geboren, zu einer Zeit, in der Farbige noch den Hintereingang benutzen mussten und es noch keine nennenswerte Bewegung in Sachen Bürgerrecht gab, was die afro-amerikanische Bevölkerung anging. Sie debütierte im legendären Cotton Club als Tänzerin und Sängerin und fand sofort ihr Publikum.
Tatsächlich nahm sie recht schnell zwei Platten auf, die das Sprungbrett für eine Karriere hätten werden können – aber sie machte eine "Ehepause" und trat erst wieder ab 1938 auf. Ihr Name wurde zum Begriff, aber niemals konnte sie den Platz einnehmen, der ihr tatsächlich gebührt hätte. In Filmen sang sie Lieder und die Kameras schmeichelten ihrer Schönheit, aber sie war eigentlich nie richtig eingebunden in den Handlungsverlauf oder an einer nennenswerten Interaktion mit den anderen Künstlern beteiligt. Ihre exotische Schönheit wurde als bloßes Dekor genutzt.
Als MGM ihr einen Vertrag anbot, bestand sie darauf, dass sie keine der für Farbige üblichen Rollen spielen musste, wie zum Beispiel Dienstmädchen oder andere Zeitklischees. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat sie vorwiegend in Europa auf, in ihrer Heimat galt sie als kommunistische Sympathisantin. Sie engagierte sich in der Bürgerrechtsbewegung der sechziger Jahre, sang zusammen mit Harry Belafonte auf Konzerten gegen die Rassentrennung und demonstrierte mit Martin Luther King.
Als junge Frau hätte sie eine der ganz Großen in Hollywood werden können, so wie etwa Ava Gardner oder Lana Turner, doch farbige Diven waren zu dieser Zeit einfach nicht populär, sie waren eigentlich nicht denkbar. Keiner wollte so ein Wagnis eingehen. So etwas wie eine "schwarze Kulturszene" gab es nicht, die berühmten Musiker in den legendären Clubs traten vor weißem Publikum auf. Und obwohl sie eigentlich ein Glücksgriff für Hollywood war, passierte eigentlich nicht wirklich viel.
Lena Horne sagte in späteren Jahren dazu: "Sie wussten nicht, was sie mit mir tun sollten. Also taten sie nichts." Sie selber glaubte, dass die Zeit damals für sie noch nicht reif war. Das war sie auch keineswegs, denn zu eben dieser Zeit wurden mit Rücksicht auf das Publikum die Szenen mit Lena Horne aus den Filmkopien geschnitten, die im amerikanischen Süden gezeigt wurden. Fasst man es zusammen, dann bedienten die Farbigen entweder das Klischee vom Diener oder Sklaven, oder sie waren zur Unterhaltung da.
Das bittere Wort vom Mohren, der seine Schuldigkeit getan hat und somit gehen kann, war grausame Realität. Es heißt, dass die beiden Frauen, die in dem Klassiker "Vom Winde verweht" die Amme und das Dienstmädchen der Heldin spielten, ihre Auszeichnung nicht entgegennehmen konnten, denn Farbige hatten keinen Zutritt zu den Feierlichkeiten. Hochrangige Künstler mussten in den Clubs den Dienstboteneingang benutzen, nur weil ihre Hautfarbe nicht hell genug war.
Wie muss es einen Menschen schmerzen, seine Kunst darzubieten und vom Publikum mit anhaltenden Ovationen bedacht zu werden – von denselben Menschen, die ihm außerhalb der Bühne nicht einmal erlauben, sich im selben Raum aufzuhalten – es sein denn, er trägt ein Kellnerjackett oder ein Häubchen.
Der Blues ist nicht umsonst zum Synonym für Traurigkeit geworden – er stammt von den Sklaven, die auf den Feldern schufteten und sich vom Herzen sangen, was sie sonst kaum zu äußern wagten. Er war zur Hymne der Rechtlosen geworden und sie nahmen ihn mit auf die Bühnen, als die sichtbaren Sklavenfesseln auf den Plantagen zurückblieben. Der sich daraus entwickelnde Jazz war anders, weniger erdhaft schwermütig, sondern leichter und lebendiger, in gewisser Weise gewagter – er begleitete die Afroamerikaner auf ihrem langen Weg zur Gleichberechtigung.
Obgleich Lena Horne nicht eigentlich zu den Jazzsängern gezählt wurde, da sie nicht improvisierte, gehört sie ebenso dazu wie die anderen Großen der Zeit und des Genres. Ihre beeindruckende Persönlichkeit performte sie in ihrer Kunst ebenso wie in ihrem politischen Engagement. Die Aufzeichnung ihrer letzten öffentlichen Performance 1998 zeigt eine wunderschöne Frau von 80 Jahren mit blitzenden Augen und feinem Humor, die souverän jazzt und eine unglaubliche Präsenz hat.
Was einem Menschen zu etwas Besonderem macht, ist nicht immer leicht zu erklären. Es kann persönliche Ausstrahlung sein oder Talent, es kann die Art sein, wie man mit anderen Menschen umgeht, oder sonst etwas, das ihn auszeichnet. Aber fest steht: Die Anzahl der Melanine in der Haut haben ganz bestimmt nicht das Geringste damit zu tun. Mehr steckt nämlich nicht dahinter, als dass ein biologischer Trick, der die Haut der Menschen so ausstattet, dass sie in der Weltgegend, in der sie leben, der jeweiligen Sonnenintensität angepasst sind. Mehr muss dazu nicht gesagt werden.
Mit Lena Horne starb eine der letzten großen Künstler des vergangenen Jahrhunderts. Eine, die trotz der Hindernisse, die man ihr in den Weg legte, unglaublich viel erreicht hat und nicht vergessen werden wird.
Sie hat einmal gesagt: "Früher war ich eine Hedy Lamarr in braun – heute bin ich schwarz und ich bin eine Frau und ich singe auf meine Weise."
Und wenn das Klassenziel war, der ganzen Welt zu zeigen, wie man kämpft und sich selber treu bleibt – dann hat sie glänzend abgeschlossen.
Referenzen im Web:
– Wikipedia: Leben und Wirken von Lena Horne
– YouTube: Lena Horne on Rosies daytime show (1998)
© "Ihre Stimme lebt weiter: Zum Tode von Lena Horne": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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