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(November 2010) Durch die Presse geht wie ein roter Faden die neue reale Bedrohung gegen Deutschland, nämlich die der Terroranschläge seitens "Al-Qaida & Co.", wie Spiegel Online es nennt. Innenminister Thomas de Maizière warnt eindringlich, sollen doch viele Hinweise den Schluss zulassen, dass Deutschland in nächster Zukunft das Ziel von Selbstmord-Attentaten und anderen Terroraktionen sein wird.
Genaue Beobachtungen der Szene, durch Zuträger gesammelte Beweise, lassen laut den öffentlichen Organen keine Zweifel an den Absichten der radikalen Islamisten zu. Obwohl, so der Innenminister, es keine konkreten Spuren zu tatsächlich geplanten Anschlägen gebe, steige seine Besorgnis. Liest man mehr zu diesem brisanten Thema, ist zwar die Gefahr durchaus logisch erfassbar, weil keinesfalls außerhalb der Realitäten, doch sind die angegebenen Quellen für den Leser nicht unbedingt dermaßen beweislastig, dass prompt Hysterie aufkommt. Vor ebendieser warnt de Maizière denn auch.
Der Grundtenor der Mitteilungen ist allerdings durchaus dazu geeignet, ein konkretes Unbehagen aufkommen zu lassen, da sich die Spekulation auf einen recht genau bestimmten Zeitraum bezieht – auf das Ende des aktuellen Monats nämlich. Im Zuge dieser Erkenntnisse sind die Bürger dazu angehalten, mit Wachsamkeit auf ungewöhnliche Dinge zu reagieren – sei es, wenn Taschen oder Pakete in der Öffentlichkeit herumliegen oder sonst etwas Außergewöhnliches auffällt. Das alles ist durchweg nicht von der Hand zu weisen, die Bedrohung durch fanatische Gruppierungen ist keine Erfindung, sondern eine Tatsache.
Die Geschichte des Terrors hat viele traurige Kapitel, ob nun in Europa oder anderswo. Dabei ist es auch gleichgültig, ob es sich um ganze Gruppen oder um radikale Einzelgänger handelt – das Ergebnis ist meist das Gleiche. Schützen verschanzen sich auf Dächern und richten den Gewehrlauf wahllos auf Passanten, so wie dies vor einigen Jahren in den USA passierte, als ein Terrorschütze einen Campus unter Kontrolle hielt. In Skandinavien verbreitete unlängst ein Heckenschütze Angst und Schrecken unter der Bevölkerung, weil er auf Immigranten schoss. Der Giftgasanschlag in Japan, den eine fanatische militante Sekte ausführte und der viel Leid brachte, ist ebenfalls noch in Erinnerung.
Hier in Deutschland sind die Aktionen der RAF und ihrer Mitläufer noch längst nicht vergessen, und wer könnte das Drama um die Entführung der "Landshut" vergessen, das die Welt tagelang in Atem hielt. In manchen kriegsgebeutelten afrikanischen Ländern sind Terrorakte an der Tagesordnung, und die Aktionen der ETA sind noch nicht allzu lange ein Teil der Vergangenheit. Die Angst vor den nächtlichen Überfällen des Ku-Klux-Klans war ein Leben mit dem Terror, und Brandanschläge auf Aussiedlerheime in unserem Land sind ebenfalls dem Terror zuzuordnen. Das Wort kommt aus dem Lateinischen und heißt nichts anderes als "Schrecken". Heute wird dieser Terminus im Sinne von "systematisch Angst verbreiten durch Akte der Gewalt" verwendet, was den "Beruf" des Terroristen hinreichend erklärt.
So könnte man jeden, der Gewalt anwendet oder mit dieser droht, um Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen, als Terroristen bezeichnen. Dabei kommt es nicht vorrangig auf die Ziele des Täters an, sondern auf die Reaktion der Betroffenen. Schikanierte Schüler, die kaum noch ohne Angst das Schulgelände betreten können, werden ebenso von Terror sprechen wie Fahrgäste in einer U-Bahn, die das Unglück haben, mit einer Horde Schlägern im selben Wagen fahren zu müssen. Und man sollte nicht den Fehler machen, diese Akte des alltäglichen Terrors als ungefährlicher zu erachten, denn Todesopfer oder Schwerverletzte sind auch hier durchaus möglich, wie wir wissen. Ob sich nun ein Schüler umbringt, weil er mit der Angst nicht mehr leben kann, oder ein Passant zum Invaliden geprügelt wird – es kommt nicht auf die Zahl der Opfer an. So gesehen leben wir immer mit dem Terror.
Die Chance, Opfer eines Anschlags einer Terrorgruppe – im Gegensatz zu Schlägern, die "nur" Spaß an der Sache haben – ist im Vergleich zu der Möglichkeit, bei einem Verkehrsunfall verletzt zu werden, recht gering. Dass sie trotzdem existiert, wird hier nicht bestritten. Dennoch darf die berechtigte Warnung vor einer Bedrohung nicht selber Angst und Schrecken verbreiten, denn das wiederum war durch die Geschichte bis heute ein allzu moderates Machtmittel.
Trotz der aktuellen Nachrichten in Sachen Bedrohung kommt so manchem der Spruch Thomas Theodor Heines, des begnadeten Karikaturisten, in den Sinn, der etwa lautet: Man muss Dummheiten in der Außenpolitik machen, um von den Dämlichkeiten der Innenpolitik abzulenken – und umgekehrt. Hoffen wir einfach, dass der Zeitpunkt der massiven Bedrohung seitens der Terroristen nur zufällig mit immensen innenpolitischen Schwierigkeiten zusammenfällt.
© "Innenpolitik: Die Macht des Terrors": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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