|
Er geistert immer wieder durch die Medien, dieser Spuk. Die Rote Armee Fraktion ist immer noch ein Thema. Die Vergangenheit ist wieder präsent. Nicht dass die Aufmerksamkeit noch einmal so ungeteilt sein würde wie damals – zu viel ist in der Zwischenzeit geschehen.
Amoklaufende Schüler und reale Kriege in Echtzeit haben den Spukgestalten aus den Siebzigern lange den Rang abgelaufen. Außerdem halten andere Stars die Spitze der globalen Terrorcharts.
Als sich vor vielen Jahren die "Rote Armee Fraktion" gründete, ging die Angst um im Land. Ich erinnere mich daran, dass das ebenso beeindruckende wie hässliche Polizeipräsidium in unserer Kleinstadt plötzlich einen Stacheldrahtring auf der Außenmauer trug.
Von heute auf morgen verfügten staatliche Einrichtungen wie zum Beispiel das Gebäude der Staatsanwaltschaft über Eingangsschleusen und uniformierte Wächter. Es änderte sich manches in der Republik, und es änderte sich nicht zum Guten.
Bei uns Jugendlichen wurden die Aktionen der RAF heftig diskutiert. Es war die Zeit der unglaublich dämlichen Sprüche wie zum Beispiel: "Haut die Bullen platt wie Stullen" oder ähnlich gehaltvoller Äußerungen.
Vor dem Hintergrund der Studentenunruhen und dem zuweilen völlig unqualifizierten Verhalten der Polizei waren diese Slogans verständlich, und dienten mehr als hilfloses Statement denn als Aufforderung. Gerüchte gingen um, was die Drahtzieher im Hintergrund der RAF betraf. Die einen glaubten, dass die Gruppe von Moskau aus gesteuert wurde, andere sahen die Zelle als Instrument der Deutschen Regierung an, die es benutzte, um die Grundgesetze in ihrem Sinn ändern zu können. Es kam ganz auf das jeweilige Lager an. In manchen Kreisen wurden die Angehörigen der Gruppe als Helden gesehen, in manchen als Revolutionäre.
Die meisten Angehörigen der älteren Generation, vor allem die traditionell unpolitischen, sahen in der RAF nichts weiter als eine Bande von Mördern und Verbrechern.
Und genau so sah ich das auch und verteidigte meinen Standpunkt vehement. Die Reaktionen meiner Altersgenossen darauf waren fast so heftig wie auf mein Bekenntnis, nicht alle Stücke von Pink Floyd zu mögen. Die Diskussionen dauerten meist bis zum Morgen.
Es war eben so, dass mir in einer Zeit, in der jeder das "Peace"-Zeichen auf der Jacke, um den Hals oder sonstwo als Tattoo trug, diese Gewaltorgie befremdlich vorkam.
Ich fragte mich, wer diesen Verrückten irgendein Mandat erteilt hatte und wem es nützen sollte, dass einige Politiker oder Vorstandschefs ermordet wurden. Für die getöteten Unbeteiligten hatte die RAF nicht einmal ein kleines "uuups" übrig. Mir ging nicht ein, wer überhaupt irgendetwas davon haben sollte – in Deutschland oder anderswo.
Eigentlich hielt ich die Mitglieder dieser Vereinigung für adrenalingebeutelte Aufmerksamkeitsjunkies, die ihre Aktionen durchführten, weil sie den Thrill brauchten, und denen ihre so genannten politischen Ziele als Folie für ihren Spaß an der Gewalt dienten.
Der Spuk suchte auch andere heim, das Land der Basken und Irland. In der Schule hatte man uns erklärt, es gehe bei dem irischen Bürgerkrieg um die Religion. Katholiken gegen Protestanten. Uns Kindern erschien das nicht unbedingt logisch – Maria, die den Mantel ausbreitet und das sanfte Lamm Gottes waren keine nachvollziehbaren Gründe für getötete Menschen. Wie kann ein sich selbst so nennender Christ im Namen Jesu Autobomben zünden und auch noch glauben, dies werde im Himmel belohnt und es gibt im Jenseits eine Auszeichnung dafür.
So kann kein Mensch indoktriniert werden, jedenfalls keiner, der irgendwie seinen Verstand beisammen hat. Und natürlich geht es da wiederum nicht um Freiheit oder die Frage, ob man nun in der Kirche kniet oder nicht. Es geht um – siehe weiter oben. Natürlich spielt der Zwang von außen eine große Rolle. Wer möchte schon als Feigling oder als ehrlos gelten? Außerdem wird bei diesem "Kampf für die Freiheit"-Statement das ergreifende Geigenspiel gleich mitgeliefert und salbt das sentimentale Ego.
Weiß denn keiner, der "für die Freiheit" tötet, dass ein Mord unfrei macht für das ganze Leben? Mir fällt übrigens absolut kein Beispiel dafür ein, dass ein schlimmer Zustand in irgendeinem Land der Welt durch Gewalt und Grausamkeit in Form einer kriegerischen Revolution oder Terror auf Dauer zum Besseren gewendet wurde.
Doch der Spuk geht weiter um, auf der ganzen Welt ist er zugange. Im Namen Allahs, im Namen der Freiheit, im Namen der Rasse, im Namen Gottes. Und immer wieder werden die Dummen benutzt für die verborgenen Ziele derer, die im Hintergrund virtuos das Fadenkreuz lenken. So gesehen ist Terror eine Frage der Dummheit und nicht der Grausamkeit. Und Dummheit, gewollte Dummheit ist für vieles oder sogar das meiste verantwortlich, das den Menschen das Leben zur Hölle macht.
Also ist ein Feldzug gegen den Terrorismus ein Feldzug gegen Unaufgeklärtheit und Unwissen? Das wäre möglich, und das legt den Schluss nahe, dass Waffengewalt und verschärfte Gesetze das Problem letztendlich nicht lösen können. Fanatismus ist mit solchen Mitteln kaum beizukommen. Und Fanatismus ist der ältere Bruder der Dummheit.
Gegen den Spuk hilft wohl auch kein Tanklastzug mit Weihwasser oder eine Art Superexorzist. Aber es könnte interessant sein zu prüfen, ob da nicht jemand mit Bettlaken und Taschenspielertricks seine eigenen Ziele verfolgt.
© "Der Spuk: Terror – eine Frage der Dummheit": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
Archive:
Jahrgänge:
2022 |
2021 |
2020 |
2019 |
2018 |
2017 |
2016 |
2015 |
2014 |
2013 |
2012 |
2011 |
2010 |
2009
Themen:
Rezensionen |
Krimi Thriller |
griechische mythologie |
Ratgeber |
Sagen Legenden |
Fantasy Mythologie
Noch mehr Bücher lesen (Werbung):
Fantasy & Science Fiction
| Krimis & Thriller
| Ratgeber
| Reise & Abenteuer
Sie schreiben anspruchsvolle Romane und Erzählungen? Wir suchen neue Autorinnen und Autoren. Melden Sie sich!
Wenn Sie die Informationen auf diesen Seiten interessant fanden, freuen wir uns über einen Förderbeitrag. Empfehlen Sie uns auch gerne in Ihren Netzwerken. Herzlichen Dank!
Sitemap Impressum Datenschutz RSS Feed