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2009. Eine der Schlagzeilen dieser Tage berichtet von einer Bankerin in Bonn, die von den Reichen borgte, um die Armen über Wasser zu halten. Das allerdings, ohne die Erlaubnis der Reichen einzuholen.
Durch Umbuchungen überbrückte sie Engpässe bei Kreditnehmern, die in der Klemme waren, um nach den Kreditprüfungen wieder zurückzutransferieren. Die Kredite, die ärmeren Bankkunden von der Bankerin gewährt wurden, waren eigentlich nicht zulässig.
Das alles tat die mittlerweile mit einer Bewährungsstrafe belegte Frau ohne einen Cent für ihr eigenes Konto abzuzweigen. Ihr System flog auf, weil trotz ihrer Ausgleichsbemühungen viele Kreditnehmer immer mehr in Bedrängnis gerieten und keine Zahlungen leisten konnten. So entstand ein Schaden in Millionenhöhe, für den die Frau in Haftung genommen wurde.
Zu ihren Beweggründen hat die nun in Rente gegangene Bankerin sich nicht geäußert. Man ist da auf Spekulationen angewiesen, denn um Selbstbereicherung ging es mit Sicherheit nicht. Saß da tatsächlich jemand mit Herz und Gefühl hinter dem Schreibtisch? Jemand, der in den Kunden des Instituts Menschen in Not sah und dem keine Zahlenkolonnen hinter der Stirn den Blick für die Nöte der anderen verhinderte?
Was hat die Frau bewegt, alles zu riskieren um zu helfen? Es war letztendlich keine wirkliche Hilfe, denn eine Kreditgabe an kreditunfähige Kunden wird deren Probleme nicht beheben, sondern auf lange Sicht eher vertiefen. Der vermeintlich kaltschnäuzige Banker, der nach Prüfung der Verhältnisse einen Kredit ablehnt, liegt oft nicht falsch damit. Es ist keinem mit hohen Zahlungsverpflichtungen gedient, die er nicht erfüllen kann. Ganz im Gegenteil, hat so etwas schon zu mehr als einem finanziellen Ruin beigetragen.
Das war der Verurteilten Fachfrau vermutlich klar – wieso also hat sie diese unglaublich schwierige, weil verdeckte Jonglage über lange Zeit durchgehalten? Zudem hat sie sich keinen Gefallen getan, denn nun lebt sie von einer kleinen Frührente. Natürlich, wie könnte es anders sein, kommt in fast jeder Schlagzeile über diesen Fall der Name "Robin Hood" vor. Sie wissen schon, der berühmte Umverteilungsmanager aus dem Mittelalter, der es zu Heldenstatus gebracht hat.
Der angelsächsische Wegelagerer, sollte er denn tatsächlich in persona existiert haben, nahm von den Reichen, wenngleich mit gröberen Methoden, und gab den Armen. Dass mit den "Armen" wohl er selbst und seine Mannen gemeint waren, ist anzunehmen. Männer, wie diesen glorifizierten Rebellen, hat es mit Sicherheit gegeben, denn es gehörte nicht viel dazu, ein Vogelfreier zu werden in diesen besonderen Zeiten. Und dass die Ärmeren von Krone und Klerus noch ärmer gemacht wurden, bis ihnen nichts blieb als die Flucht in die Wildnis, ist eine historische Wahrheit. Wenn sich da mancher besonders hervortat, weil er nicht nur für sich, sondern auch für andere das Unumgängliche zum Überleben tat. Schließlich war das soziale Netz denkbar schwach strukturiert.
Es ist sogar denkbar, dass einige Edelleute so gründlich – ihrer politischen Ansichten wegen – in Ungnade fielen, dass ihnen nichts anderes übrig blieb, als in den Untergrund zu gehen und sich fortan als Wegelagerer über Wasser zu halten. Konfiszieren war damals ein gängiges Prozedere bei Rechtsstreitigkeiten, in denen der Hochadel involviert war. Man saß nicht sicher auf seinem Lehen, hatte man sich den falschen Gönner ausgesucht, oder wechselte nicht ebenso rasch das Banner wie die Herren.
In schwierigen Zeiten haben Legenden Saison, und es ist nicht von ungefähr, dass es immer wieder interessante Gesetzlose gibt, die sich stellvertretend für den Normalverbraucher mit den Mächtigen anlegen. Selbst wenn diese Helden nicht wirklich etwas verändern oder überhaupt irgendetwas tun, wenn der Nimbus des Widerstands um sie leuchtet, haben sie eigentlich, was ihren Ruf betrifft, ausgesorgt – sie werden glorifiziert. Man stelle sich vor, dass in allen großen Städten der Republik die Warteschlangen bei der Tafel ausbleiben und niemand erscheint, um sich anzustellen und abfertigen zu lassen, weil tags zuvor maskierte Gesetzlose mit großen Säcken Supermarkt-Filialen überfallen und die Beute unter den Bedürftigen verteilt haben.
Oder dass mehrere Kleinbusse bei Warenhäusern – die mangels Kunden sowieso bald geschlossen werden – vorfahren, um nach einer kurzfristigen "Räumungsaktion" rechtzeitig vor dem Wintereinbruch warme Klamotten unter den Obdachlosen zu verteilen. Wenn die Einsätze dann noch gefilmt werden und man im Internet Realmitschnitte von den vermummten Wohltätern und den überraschten und wahrscheinlich erfreuten Bedürftigen sieht, ist alles wieder prächtig vorbereitet für einen neuen Heldenmythos.
Und das Schlimme daran ist, die Zeit ist absolut reif dafür. In Zeiten wie diesen – in denen es für viele Familien ein wirkliches Problem ist, für jeden vernünftige Kleidung zu beschaffen, ohne dafür an anderen wichtigen Dingen zu sparen, wie zum Beispiel am Essen – darf es nicht wundern, wenn Helden dieser Art notwendig werden.
Die Bankerin aus Bonn wird wohl nicht zur Legende werden, sie verweigert die Werbung in eigener Sache. Was immer ihre Beweggründe waren, sie tat heimlich und unauffällig das, was sie für richtig hielt und für notwendig erachtete.
Und sie tat es außerhalb des Gesetzes. Und sie macht neugierig. Und betroffen macht diese Sache auch. In mehr als einer Hinsicht, denn inwieweit kann es noch in der Zukunft notwendig werden, sich außerhalb des Gesetzes zu stellen, weil man helfen will?
© "Roberta Hood: Eine Helferin außerhalb des Gesetzes": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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