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Es gibt viele Gedenk-, Feier- und Aktionstage – viele aus ehrwürdigem Anlass, und andere aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen. Und es gibt auch welche, die praktischer Natur sind. Der Internationale Anti-Diät-Tag am 6. Mai ist so einer.
Ins Leben gerufen wurde er im Jahre 1992 von einer unerschrockenen Diätabbrecherin namens Mary Evans Young. Die Rituale bei denjenigen, die diesen Tag feierlich begehen, beziehen sich auf Tätigkeiten wie das Ausforsten der Garderobe – raus mit den zu kleinen Plünnen, man passt sowieso nicht mehr rein – oder das Verbrennen von Diätbüchern, die sich in irgendeinem Winkel noch finden.
Die Akzeptanz des Spiegelbildes ist ein wichtiger Punkt am 6. Mai, und der hoch getragene Kopf. Es steht nämlich nirgendwo geschrieben, dass nur die Gertenschlanken dieser Welt stolz durch die Shoppingmeilen der Städte schreiten dürfen. Vor allem, da es immer mehr Geschäfte gibt, die der Tatsache Rechnung tragen, dass nur ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung auf dem Laufsteg Furore machen könnte, weil er wie ein geschminktes Halloween-Skelett in Designerklamotten aussieht.
Die Gründerin des Tages hat vermutlich einen beträchtlichen Teil ihres Lebens mit Diäten vertan, bevor sie auf das Kalorienzählen pfiff und anfing zu leben. Wer sich in Buchläden oder im Internet nach Diätbüchern umsieht, wird erschlagen von der Größe des Angebots – natürlich gibt es auch ein wenig zu kichern, was die Namen der fragwürdigen Patentrezepte betrifft, aber im Grunde ist das Ganze todtraurig.
Wem diese Beschreibung übertrieben erscheint, halte sich bitte vor Augen, wie viele Menschen ihrem Körper wirklich Schlimmes angetan haben und ganz nebenbei die Lebensfreude auf null reduziert, nur um einer Norm zu entsprechen, deren Berechtigung keineswegs erwiesen ist. Wir sprechen hier nicht von krankhafter Fettleibigkeit und Fress-Sucht – hier ist die richtige Stelle der Therapeut oder Arzt. Wer sich kaum noch die Treppe hochhieven kann oder nur noch Schuhe ohne Schnürsenkel kauft, braucht Hilfe – es geht in so einem Fall nicht um "zu dick", sondern um die Gesundheit.
Wir sprechen von den Legionen von Molligen und Dicken, die sich wohlfühlen und die akzeptiert, geliebt und auch bewundert werden ... jedenfalls, bis sie auf den Gedanken kommen, eine Diät machen zu müssen. Bei anderen Rubensmodellen hat nicht allzu viel geklappt im Leben, aber wie kann es das, wenn jedes Quäntchen Energie für Tapferkeit vor der Bäckereitheke draufgeht. Viele hören seit frühester Kindheit nichts anderes, als dass sie zu dick seien, so als ob das eine Charaktereigenschaft wäre. Das Umfeld nimmt an, die barocken Formen kämen von einem Mangel an Disziplin und der Unfähigkeit sich etwas zu versagen.
Irgendwann stimmt das vermutlich auch, denn wenn man mal wieder versagt hat bei der zwanzigsten Brigitte-Diät, tröstet man sich halt mit Essen, und bedient endlich das Klischee von der faulen Couchkartoffel, die chipsmampfend Reality- oder Castingshows zusammen mit den Kalorien genießt. Eines so ungesund wie das andere, wobei letzteres eher für das Gehirn ein Problem darstellt.
Andere weigern sich aufzugeben und legen sich den Zweitnamen "Jojo" zu – denn der gleichnamige Effekt macht während der verschiedenen aufeinanderfolgenden Diäten den Deppen mit dem Bindegewebe, was irgendwann ein Zusatzproblem darstellt. Merke: "Sonderbares Zeug essen und jeden Spaß an der Nahrungsaufnahme verlieren, macht NICHT schlank, sondern unglücklich." Außerdem bedenke man den Kostenfaktor bei dem Zwang, immer Kleidungsstücke in verschiedenen Größen im Schrank haben zu müssen.
Schlanke sind nicht glücklicher als Mollige, die Probleme liegen UNTER der Fettschicht. Wenn jede medizinische Relevanz ausgeschlossen ist, warum zum Teufel genießen die Leute nicht endlich das Leben? Sie sollten zeigen, dass die Mär von den unbeweglichen Dicken wirklich nur ein Vorurteil ist, und dass die Persönlichkeit sich nicht mit der Konfektionsgröße ändert. Intelligenz, Charme, Zielstrebigkeit, Fleiß und was dergleichen gefragte Attribute mehr sind, hängen nicht vom Gewicht ab – jeder weiß das ... und trotzdem glauben mehr Menschen an die Freundin-Diät als an die Relativitätstheorie.
Als Nicht-Fachmann würde ich jedem raten, der sein Gewicht etwas reduzieren will: Nehmen Sie einfach von allem nur einmal, ersetzen Sie den Halt am Crêpes-Stand durch etwas wirklich Tolles, und finden Sie heraus, was Sie wirklich mögen (das ist nämlich nicht wirklich das Mampfen von fetttriefendem Zeug). Gönnen Sie sich etwas!
Und ziehen Sie mit Freunden um die Häuser oder organisieren Sie Touren durch die Wälder, lachen Sie und gehen Sie tanzen. Jawohl, tanzen ... nichts ist besser für das Wohlbefinden. Und vergessen Sie nicht, jedes Jahr am 6. Mai etwas wirklich Besonderes zu tun.
© "Gegen den Schlankheitswahn: Der Anti-Diät-Tag": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Bildnachweis: Sahnetorte, CC0 (Public Domain Lizenz).
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