|
Dieser Beitrag erschien erstmals am 16. November 2007 auf www.science.org. Autor der englischen Originalfassung ist Brooke Allen.
Vorschläge zum Einstellungsverfahren
Vor rund 20 Jahren hat der Autor ein lebendiges mathematisches Modell entwickelt, um versteckte Größen in den Wertpapiermärkten aufzuzeigen. Dies ist ein äußerst komplexes Problem, weil diese Märkte sehr leistungsfähig sind. Es bedeutet auch, dass es schwer ist, es besser umzusetzen als nur aufzutauchen und seinen Bedarf anzumelden.
Betrachten wir die Börse: Wenn Sie einen Anteil an einer bestimmten Aktie kaufen wollen, ist Ihre Order innerhalb von Sekunden ausgeführt, und Sie wissen, dass Sie – vielleicht mit einer Differenz von einem oder zwei Cent – den besten Preis auf der Welt bekommen und dass der aktuelle Preis jeder Aktie gleich mit allen anderen ist.
Auf der anderen Seite können Sie Monate damit verbringen, das für Sie beste Haus zu finden, weil der Immobilienmarkt ineffizient ist. Jedes Haus ist anders, und Sie werden Ihre Bedürfnisse nicht in vollem Umfang kennen, bis Sie damit anfangen, sich damit auseinanderzusetzen. Ihr Lohn für die investierte Zeit bei der Suche ist die bessere Lebensqualität, die Sie nicht hätten, wenn das Haus an nur einem Nachmittag ausgewählt worden wäre.
Betrachten wir als Arbeitgeber den Stellenmarkt, der noch weniger effizient ist als der Immobilienmarkt – viele der besten Leute sind fast unmöglich zu finden.
Das Durchsuchen von Lebenslauf-Datenbanken ist langwierig und ergibt nur wenige qualifizierte Bewerber, die überhaupt verfügbar sind. Personalvermittler sind teuer, nicht selten von geringem Wert, und vermeiden es, sich mit Jung-Absolventen oder Arbeitslosen zu befassen. Die Vermittlungsstellen der Universitäten sind mehr daran interessiert, Arbeitgeber auf die Karrieremessen zu locken, als bei der Suche nach geeigneten Kandidaten Unterstützung anzubieten, die gewisse Anforderungen erfüllen müssen.
Die gezielteste Anzeigenkampagne erzeugt eine Flut von Lebensläufen von Bewerbern, die das Unternehmen überhaupt nicht kennen oder nicht qualifiziert sind. Diese Personen trifft keine Schuld. Arbeitgeber behandeln das Einstellungsverfahren häufig als einen Beseitigungsprozess – ein reines Zahlenspiel. Für den Bewerber ist es Zeitvergeudung, sich über ein Unternehmen zu informieren, die Bewerbung zu schreiben, und den Lebenslauf zu pflegen, wenn sich ein Personalberater nur ein paar Sekunden damit aufhält.
Ein ineffizienter Arbeitsmarkt ist jedoch nicht schlecht für diejenigen, die bereit sind, ein wenig tiefer zu graben. Ein solcher Markt kann sinnvolle Bemühungen belohnen, die ein effizienter Arbeitsmarkt nicht bietet. Ich möchte Ihnen einige Möglichkeiten aufzeigen, die meine Kollegen und ich beim Einstellungsverfahren in einem eher disfunktionalen Arbeitsmarkt anwenden.
Stellenausschreibungen halten wir so umfassend wie möglich. Die Tätigkeit wird sehr allgemein beschrieben. Danach erreicht uns eine Flut von Bewerbungen, die wir sofort ignorieren.
Statt jedes Schreiben genau zu studieren (oder es für nur 9 Sekunden zu überfliegen), antworten wir automatisch an alle mit einer ausführlichen Beschreibung unseres Konzerns, der Firma, unserer Industrie, den Anforderungen und Berufsaussichten, dem Firmenstandort sowie den Pendel- und Arbeitszeiten usw.
Wir vermeiden es, uns unter Wert zu verkaufen und sind mit der vollständigen Offenlegung besonderer Probleme und Risiken, denen wir ins Auge blicken, auf der sicheren Seite. Kurz gesagt, wir versehen unsere Bewerber mit den nötigen Informationen, damit sie uns nicht mehr in Betracht ziehen.
Wir schließen unser Schreiben mit der Bitte, dass uns diejenigen, die noch Interesse zeigen, überzeugende Argumente schriftlich hereingeben möchten.
Während wir auf deren Antworten warten, lesen wir die Lebensläufe, wie es unsere Zeit erlaubt, und suchen außergewöhnliche Kandidaten heraus, bei denen wir befürchten könnten, dass sie den nächsten Schritt nicht wagen. Diesen senden wir aufmunternde Mitteilungen und ermutigen sie darüber nachzudenken, wie sie ihr Wissen für unsere Firma einsetzen können. Oft sind Bewerber entmutigt, weil sie denken, dass ihr Wissen von keinerlei Nutzen für uns sei. Wir wollen sie nicht über ihre beruflichen Chancen bei uns in die Irre führen, sondern sie ermutigen, mehr zu lernen.
Normalerweise senden uns 10% bis 15% der ursprünglichen Bewerber das angeforderte zweite Schreiben. Von diesen Kandidaten lohnt sich vielleicht die Hälfte genauer anzusehen.
Oft laden wir noch mehr Kandidaten ein, und anstatt Einzelgesprächstermine zu vereinbaren, veranstalten wir einen Tag der offenen Tür mit Bier und Pizza oder einer anderen Aktivität, die zur Auflockerung beiträgt. Die meisten schätzen die Tatsache, dass wir jedem eine Chance geben, anstatt drei Viertel von ihnen – basiert auf deren Lebenslauf und einem Brief – abzusagen. Wir ermutigen sie, dass sie miteinander reden und Kontakte austauschen – und wir beobachten dabei, wie sie miteinander umgehen.
Einige Tipps zum Einstellungsverfahren
– Werfen Sie ein weites Netz aus. Beschreiben Sie Ihre Anforderungen nur vage und werben mit dem globalen Ziel, eine hohe Anzahl an Bewerbern einzufangen. Wenn Sie Ihre Suche in einem engeren Bereich definieren, besteht die Gefahr, dass Sie gute Kandidaten aufgrund Ihres Mangels an Phantasie im Vorfeld eliminieren.
– Verlangen Sie nicht nach außergewöhnlichen Fähigkeiten oder einem fantastisch aussehenden Lebenslauf. Wer sehr gut präsentieren kann, ist nicht immer die beste Arbeitskraft (zumindest nicht in meinem Geschäft, in dem wir vor allem Handeln, und nur selten Präsentieren).
– Helfen Sie den Kandidaten, Sie abzulehnen. Als es noch normale Schreibmaschinen und die langsamere Briefpost gab, haben sich die Menschen mehr angestrengt, um Ihnen zu zeigen, dass sie nicht an Ihnen interessiert sind. Nun, da nur ein Mausklick den Lebenslauf in die Mailbox befördert, müssen Sie die Führung übernehmen und die Bewerber ausdrücklich auffordern, ihre Bewerbung zu überdenken.
– Beurteilen Sie Menschen nicht zu früh. Erste Eindrücke sind nur schwer zu überwinden – und oft falsch. Es gilt, Kandidaten zu entdecken, die einen Schwachpunkt durch ein Talent wettmachen, dass Sie nicht erwartet hätten. Unsere besten Mitarbeiter hatten nur selten den aussagekräftigsten Lebenslauf oder gaben ein optimales Erscheinungsbild ab.
– Beobachten Sie Ihre Kandidaten, ob sie etwas lernen. Warum benötigt man zwei Jahre Erfahrung an einem Gerät, wenn man es jemandem in zwei Tagen beibringen kann? Wenn Ihre Bewerber Ihnen erlauben, sie zu unterrichten, bevor Sie sich auf den "Besten" festlegen, erkennen Sie die Lernwilligen und sind in der Lage, eine fundierte Entscheidung zu treffen.
– Führen Sie etwas vor, erzählen Sie nicht. Die Bewerber sollen die Zeit mit Beschäftigung verbringen, und nicht nur darüber reden.
– Versuchen Sie denen zu helfen, die Sie nicht einstellen werden. Ihre Wege könnten sich irgendwann einmal kreuzen. Ihre Kontakte werden es zu schätzen wissen, und Ihre Mitarbeiter Sie dafür bewundern.
– Rechnen Sie mit Missverständnissen. Einige Bewerber werden Ihnen eine Abhandlung zusenden, in der Sie Ihnen erklären, warum sie die Besten sind. Ja, ist es nicht Ihre Aufgabe, diese auszuwählen, und nicht anders herum? Regen Sie sich nicht über diese Leute auf. Stellen Sie sie nicht ein.
– Behandeln Sie alle Kandidaten als menschliche Wesen, nicht als Ressourcen. Sie sind keine Ölfässer oder Schweinebäuche – sie haben Gefühle. Menschen wissen um den Konkurrenzkampf und sie können mit einer Ablehnung umgehen, aber sie fangen an zu hassen, wenn sie nicht wissen, wo sie stehen. Wenn Sie den Ball in deren Spiel halten, fühlen sie sich weniger hilflos – und werden es Ihnen danken.
– Sind besondere Fähigkeiten gefordert, planen Sie das Fachgespräch ein paar Wochen später. Auch wenn die Aspiranten im Moment nicht die entsprechende Qualifikation vorweisen, bitten Sie diese, dass sie es bis zum Gesprächstermin lernen.
– In einigen Fällen stellen wir Studienmaterial zur Verfügung, und für andere bieten wir Tageslehrgänge sowie Seminare, die einige Wochen dauern können. Wir legen mehr Wert darauf, wie gut die Leute unsere Fragen und Antworten verstehen und untersuchen ihre Antworten, als uns um ihre Vorkenntnisse zu kümmern.
– In einem Fall, nachdem sich ein Dutzend Studenten mit einem schwierigen Problem vertraut gemacht hatten, fragte ich jeden von ihnen: "Nur auf einen aus dieser Runde wird die Wahl fallen. Wenn Sie an meiner Stelle wären, wen würden Sie, außer sich selbst, wählen?" Jeder außer Orlando antwortete: "Orlando." Genau dieser wurde von uns eingestellt. Er ist einer unserer außergewöhnlichsten Mitarbeiter, den wir aufgrund seines Lebenslaufs nie eingestellt hätten.
– Weiterhin laden wir unsere Top-Kandidaten individuell für einen ganzen Tag zu uns ein. Wir bitten sie zunächst, uns bei einem Rundgang zu begleiten, damit sie ein Gefühl für die Umgebung, unsere Mitarbeiter und ihre zukünftige Tätigkeit bekommen. Der Tag endet mit dem ersten Gespräch, es sei denn, dass wir nunmehr eine Übereinstimmung auf der Grundlage der gemeinsam gemachten Erfahrungen finden können, statt auf Vermutung und Einbildung.
Durch diese Vorgehensweise ermitteln wir in der Regel eine kleine Gruppe von außergewöhnlichen Kandidaten. Wir stellen nur die ein, die wir benötigen, und empfehlen andere Top-Kandidaten an Zweigstellen unserer Gesellschaft oder Unternehmen in unserem Netzwerk. Da alle Bewerber hart mitgearbeitet haben, um uns von ihrer Erstklassigkeit zu überzeugen, wollen wir uns in dieser Form erkenntlich zeigen.
Mit all diesen Maßnahmen betreiben wir einen höheren Aufwand, als aus einigen Lebensläufen einen heraus zu picken. Da wir es zulassen, dass unsere Bewerber sich selbst auswählen, bemühen sich die Kandidaten, die erforderlichen Nachweise selbst zu erbringen. Dies ist eine effizientere Methode und liefert als Ergebnis wertvollere Mitarbeiter, die einen Gegenwert bieten, der bisher im Verborgenen lag.
Unsere Meinung ist, dass die Welt ein besserer Ort wäre, wenn mehr Menschen zu neuen Denkansätzen bereit wären, um versteckte Werte während des Einstellungsverfahrens zu entdecken. Wenn diese Vorschläge für Sie interessant sind, reichen Sie sie herum, auch wenn Sie kein Personalberater sind. Lassen Sie eine Kopie im Drucker, hängen Sie es ans Schwarze Brett oder schicken einen Link per E-Mail. Und teilen Sie mir auf jeden Fall Ihre Gedanken und Erfahrungen mit!
© "Auf der Suche nach Personal im disfunktionalen Arbeitsmarkt" – Autor der englischen Originalfassung ist Brooke Allen, Leiter der Quantitative Trading Group bei Maple Securities U.S.A. Inc. | Vom Autor autorisierte Übersetzung ins Deutsche von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Rechte für alle Sprachen bei Brooke Allen und Winfried Brumma (Pressenet). Bildnachweis: Wolkenkratzer, CC0 (Public Domain Lizenz). Kontakt zum Autor via https://brookeallen.com/nsow/
Weitere Beiträge von Brooke Allen finden Sie hier:
– Suche nach Chancen im disfunktionalen Arbeitsmarkt: Über die Verantwortung von Unternehmen
– Perspektive: Arbeiten Sie – auch wenn Sie dafür nicht honoriert werden
Archive:
Jahrgänge:
2022 |
2021 |
2020 |
2019 |
2018 |
2017 |
2016 |
2015 |
2014 |
2013 |
2012 |
2011 |
2010 |
2009
Themen:
Rezensionen |
Krimi Thriller |
die liebenden tarot |
Ratgeber |
Sagen Legenden |
Fantasy Mythologie
Noch mehr Bücher lesen (Werbung):
Fantasy & Science Fiction
| Krimis & Thriller
| Ratgeber
| Reise & Abenteuer
Sie schreiben anspruchsvolle Romane und Erzählungen? Wir suchen neue Autorinnen und Autoren. Melden Sie sich!
Wenn Sie die Informationen auf diesen Seiten interessant fanden, freuen wir uns über einen Förderbeitrag. Empfehlen Sie uns auch gerne in Ihren Netzwerken. Herzlichen Dank!
Sitemap Impressum Datenschutz RSS Feed