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Drei der Schwerter
Die Drei der Schwerter ist eine Karte, jedenfalls beim Rider-Waite-Tarot, die auf den ersten Blick nichts Gutes zu verheißen scheint. Schwere Wolken hängen am grauen Himmel, und es regnet.
Vor diesem Hintergrund ist ein großes rotes Herz zu sehen, in dem drei Schwerter stecken. Das sieht nach fühlbarem Schmerz aus – nach Herzschmerz. Und obwohl es sich um eine Schwertkarte handelt, ist auch genau das gemeint.
Seelenschmerz, Enttäuschung, Liebeskummer ... alles was "an das Herz geht", ist hier gemeint. Aber es fällt geradezu auf, dass kein Blut tropft. Die Wunden sind demnach auch nicht neu, es sind alte Verletzungen, die wir hier sehen. Jeder Mensch trägt unsichtbare Narben, die ihn ein Leben lang begleiten, manchmal noch nach Jahren schmerzen, wenn daran gerührt wird.
Das ist nicht zu vermeiden, denn Schmerzen gehören zum Leben, wie könnten wir sonst lernen und reifen. Es kommt darauf an, dass man etwas, das nicht mehr zu ändern ist – wie zum Beispiel Erlebnisse, die Wunden schlugen – akzeptiert und somit auch integriert.
Der fallende Regen könnte als kühle Linderung gedeutet werden, als sanfte Reinigung. Meist mögen wir den Regen nicht, aber er ist notwendig für das Wachstum und das Leben. Natürlich kann man auch Tränen darin sehen, aber auch diese sind notwendig. Jeder weiß, wie sehr es guttut, wenn man sich so richtig ausweinen kann – es hat eine heilsame Wirkung auf die Seele.
Die Karte weist immer auf Verletzungen emotionaler oder seelischer Art hin und die Notwendigkeit der Akzeptanz. Irgendwann hört jede Wunde auf zu bluten, wenn zugelassen wird, dass man sie schließt.
Menschen sind unglaublich emotionale Wesen, auch wenn sie versuchen, Verstand und Gefühl zu trennen – also zwischen Kopf und Herz zu unterscheiden. Das tun im Übrigen nicht durchweg alle, wie der Analytiker Carl Gustav Jung einmal im Gespräch mit einem Indianer erfuhr. Dieser nämlich hielt nicht besonders viel von den Weißen. Das begründete er damit, dass diese verrückt wären, weil sie ständig versuchten, "mit dem Kopf zu denken". "Denn", so meinte er, "denken kann man nur mit dem Herzen."
Der Ausspruch des französischen Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry, dass man nur mit dem Herzen gut sehen könne, weil die Augen das Wesentliche nicht wahrnehmen, ist Gemeingut geworden. Die Botschaft ist klar: Der Verstand ist ein Werkzeug – aber nicht mehr als das. Der eigentliche Mensch wird nicht durch dieses repräsentiert, sondern durch seine Seele, sein Empfinden – eben durch sein Herz.
In unserer Sprache drücken wir es täglich aus: Uns geht etwas zu Herzen, wir fassen uns ein Herz, dieser oder jener hat ein gutes Herz, wir sind herzlich den Gästen gegenüber, so vieles kommt von Herzen. Vielleicht haben wir auch etwas auf dem Herzen, oder wir herzen unsere Kinder, zuweilen haben wir sogar ein gebrochenes Herz.
Wenn wir in unserem tiefsten Empfinden verletzt werden, leiden wir schrecklich darunter. Diese Schmerzen stehen den körperlichen in nichts nach, vor allem, weil sie über Jahre anhalten können. Jede Erinnerung an einen tiefen Kummer kann ihn schmerzhaft gegenwärtig werden lassen, wenn auch gedämpft durch die Zeit, die verstrichen ist. Wenn sich Wunden schließen sollen, muss man die Heilung zulassen – wer immer wieder am Schorf kratzt, verhindert die Schließung. Irgendwann muss losgelassen werden, damit es zur Heilung kommt.
Manche Menschen klammern sich an einen geradezu liebgewordenen Schmerz und benutzen ihn als Schild, um sich dahinter zu verstecken. Beziehungsängste werden auf Enttäuschungen zurückgeführt, verstockte Unversöhnlichkeit ebenso. So verhindert man erfolgreich jede spirituelle Reife und jede Weiterentwicklung. Die Botschaft der Karte ist: Du wurdest sehr verletzt, aber alle Wunden heilen irgendwann, und es ist an der Zeit für einen Neubeginn.
Drei der Stäbe
Ein in schöne Gewänder gekleideter Mann steht auf einem Hügel und sieht auf das weite Meer hinunter, er ist umgeben von drei Stäben. Am fernen Horizont ist schemenhaft Land zu erkennen.
Der Mann strahlt Ruhe und Kraft aus, möglicherweise hat er schon eine lange Reise zu diesen Ufern hinter sich. Eigentlich liegt ihm das Meer, über das er blickt, zu Füßen. Es sieht aus, als habe die Gestalt auf der Karte schon viel erreicht, aber ihr Blick schweift immer noch in die Ferne zum Horizont, als suche sie neue Herausforderungen.
Aber wenn der Mann die Herausforderung annimmt, dann wird er es ruhig und gelassen tun, mit ruhiger Kraft. Das Verharren nach einem Erfolg kann hier gemeint sein, das Betrachten dessen, was erreicht wurde, und das Abwägen der neuen Möglichkeiten, nachdem man einen weiten Weg hinter sich hat. Es sieht aus, als habe der Mann alle Zeit der Welt, um sich zu überlegen, ob seine Reise hier ein Ende findet, oder ob er wieder aufbrechen wird, um sich weiteren Abenteuern zu stellen. Es ist das völlige Gegenteil einer überstürzten Aktion.
Und hier ist der Schlüssel zum Verständnis der Drei der Stäbe. Zu allen Zeiten, besonders aber wohl in unserer sehr aktionsbezogenen Welt, gab es Menschen, die alles sofort, und womöglich schon vorgestern wollten. Solche, die von einem Erfolg zum nächsten hetzen, und in einer irren Geschwindigkeit versuchen, wichtige Dinge zu tun. Immer nach dem Neuen greifen, noch toller, noch besser, noch schneller ... bis die Fahrt auf der Intensivstation endet – wo man nach einen schweren Infarkt erst einmal am Leben gehalten wird.
Menschen, die sich so etwas antun, haben meist eines gemeinsam: Sie verstehen sich nicht auf den richtigen Zeitpunkt. Sie wollen zu schnell zu viel und vergeuden damit so viel Zeit, dass es fast für ein Zweitleben reichen würde. Wie viele Workaholics vertrösten sich selbst auf ein nebelhaftes "irgendwann", wenn es um die wichtigen Dinge des Lebens geht, wie zum Beispiel darum, Zeit mit den Menschen zu verbringen, die sie lieben. Aber plötzlich sind die Kinder groß geworden und weggezogen, die Freunde haben sich verlaufen, und der Ehepartner hat aufgegeben und die Scheidung eingereicht.
Manche erwachen nie und merken nicht, dass ihnen ihre Hetze nur Blutdruckprobleme und einen einsamen Lebensabend einbringt. Wenn jemand genau weiß, wann und welcher Zug abfährt, braucht er nicht zu hetzen. Er sollte nur wissen, wohin er fahren will, dann muss er nicht auf jeden Waggon aufspringen, der ihn in eine vermeintlich tolle Richtung bringt.
Viele reden heutzutage von "neuen Herausforderungen" – aber auf was sie sich einlassen, ist meist nur eine weitere Runde auf dem aberwitzigen Karussell ihres Lebens. Sich im Kreis drehen hat noch niemanden wirklich weitergebracht, sondern höchstens taumelig gemacht. Wirkliches Neuland ist ein Abenteuer und macht nötig, dass man innehält, um sich zu sammeln und sich der Situation wirklich bewusst zu werden.
Dem Mann auf der Karte steht nun alles offen – er hat sein Ziel erreicht, aber er kann sich auch weitere setzen. Er ist Herr seines Lebens und seiner Taten. Er blickt auf das Meer hinunter, wo kleine Schiffe fahren, es ist das Bild seines Lebens – er betrachtet es und lässt los, um weiter fortzuschreiten.
Wer nach mehr greifen will, braucht freie Hände, und wer vorwärts kommen will, muss Ballast abwerfen. Ruhige Überlegung, das Bewusstsein der eigenen Kraft und das Erkennen des richtigen Zeitpunktes sind hier gefragt und werden dem Betrachter praktisch als Modell angeboten, und als Mahnung.
Je nach dem Kontext der umgebenden Karten und der Fragestellung wäre die Karte auch als kleiner Wink in die Richtung zu verstehen, dass man sich nicht allzu lange auf seinen Lorbeeren ausruhen sollte. Das nämlich kann zur Folge haben, dass die neuen Horizonte nichts weiter sind, als eine auf Leinwand gemalte Bühnendekoration, mit der mancher seine Selbstinszenierung glaubwürdiger machen möchte.
* * * Tarotkarten III Schwerter und Stäbe: Ende der Leseprobe aus unserem Buch * * *
Drei der Stäbe – Lesen Sie unser Tarot Buch:
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© "Die Tarot-Karte Drei: Schwerter und Stäbe": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), Eleonore Radtberger, 2010.
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