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Immer wieder sind sie gut für einen Reißer, ob Film oder Buch. Die Werwölfe kommen nicht aus der Mode. Seit der Schauspieler Lon Chaney jr. dem Fluch des bösen Mondes anheimgefallen war, begeisterte sich das Publikum an der unheimlichen Verwandlung in ein Wolfswesen.
Die frühen Werwölfe im Kino sahen für den heutigen Geschmack eher bieder aus. Die Verwandlung beschränkte sich auf rasanten Haarwuchs, der geradezu plüschig aus dem zerrissenen Hemd quoll und auch das Gesicht bedeckte. Dazu kamen lange weiße Eckzähne und blitzende Augen, sowie lange Krallen. Die Werwölfe der vierziger Jahre behielten ihre Kleider an, auch wenn sie zuweilen in dekorativen Fetzen herunterhingen.
Überhaupt prägte der berühmte Film mit Lon Chaney jr., der "Wolfsmensch", das Genre im Großen und Ganzen bis heute und kann als Prototyp angesehen werden. In so gut wie jedem Film verwandelt sich das unglückselige Opfer nach einem Werwolfbiss spätestens beim nächsten Vollmond ebenfalls in ein Monster und reagiert überaus allergisch gegen Silber. Dadurch wird irgendeinem Helden die Möglichkeit gegeben, das Untier letztendlich zu erlegen. Sterlingsilber ist eben ein edles Material.
So heulten sich die Wolfsmenschen mit mehr oder weniger großem Erfolg durch die Kinos, bis mit "American Werewolf" in den achtziger Jahren ein neuer Meilenstein für das Genre gesetzt wurde. Zum Ersten war die Tricktechnik revolutionär, und die Verwandlung von Mensch zu Werwolf schrieb Filmgeschichte. Außerdem hatte der Film komödiantische Anteile, was dem Grusel durchaus keinen Abbruch tat. Eher im Gegenteil – die wechselnden Stimmungen verstärkten die Wirkung noch.
Im selben Zeitraum gedrehte Filme wie "Das Tier" waren ebenfalls große Erfolge beschieden, obwohl die Monster nicht unbedingt wie Wölfe aussahen, und von einem Werwolf a la Lon Chaney wahrscheinlich nicht einmal als verwandte Spezies erkannt worden wären. Aufrecht gehend, mit extrem muskulösem Oberkörper, sehr spitzer Schnauze und fast niedlichen langen Pinselohren, kam das Erscheinungsbild der Monstren mutierten Erdferkeln bedenklich nahe.
In "American Werewolf" war das Resultat der Verwandlung tatsächlich einem großen Wolf sehr ähnlich, zumindest ging der Werwolf auf vier Beinen und sprach nicht etwa, wie man es von einigen anderen Filmen tatsächlich schon erlebt hatte. Ein später gedrehter Film mit Jack Nicholson und Michelle Pfeiffer band das Werwolf-Thema in eine Satire ein und machte die zu Monstern gewordenen Hauptfiguren zu Sympathieträgern.
Eine Serie aus den USA, die in kurzen Sequenzen ausgestrahlt wurde, erzählte die Story eines jungen Mannes, der – zum Wandler geworden – den Fluch brechen will, indem er den Werwolf sucht, der ihn gebissen hat. Während dieser Reise erweist er sich als ebenso hilfreich wie Lassie, wenn es um das Retten in Not geratener Menschen geht. Die Variation war zwar etwas bieder umgesetzt, aber trotzdem nicht uninteressant.
In Romanen waren die Autoren schon länger andere Wege gegangen und schufen interessante Variationen des Themas. So waren die Gestaltwandler in manchen Geschichten nicht zwingend böse, sondern ihr Charakter blieb nach der Verwandlung der gleiche. Wer also als Mensch keinen Killerinstinkt hatte, räumte als Wolf mit den Ratten in der Kanalisation auf und mied die Menschen. Manche Schriftsteller verzichteten auf den Mondfaktor, ihre Monster konnten sich zu beliebigen Zeiten verwandeln. Es ist sogar ein Trend zum "guten" Werwolf festzustellen, der seine "kleine Besonderheit" eher als Gabe denn als Fluch sieht und sie entsprechend nutzt. Diese wildromantischen Geschichten sind überaus ansprechend und passen eher in das Fach der Fantasy.
Die Fähigkeit, sich in ein Tier zu verwandeln, ist eine unwiderstehliche Angelegenheit. In vielen Völkern ist die spirituelle Verwandlung bzw. zeitweilige Verschmelzung mit einem Tier ein wichtiger Bestandteil des spirituellen Lebens. Bevor das christliche Denken die Weltsicht revolutionierte, wurde eine Verwandtschaft zwischen Mensch und Tier als gegeben angenommen. In manchen Kulturen, die die Seelenwanderung als Gesetz des Kosmos begriffen, konnte eine Seele in einem Tier wiedergeboren werden. Erst in späteren Zeiten, vor allem aber in den christlich geprägten, wurde das Tier zum einen als minderwertig und zum anderen auch als böse angesehen. Gleichsam als Symbol des Triebhaften verteufelt, was viele auf den Scheiterhaufen verbrannte Haustiere durchaus in persönlicher Weise anging.
"Das Tier im Menschen" geriet zu dem vom Guten abgekehrten Alter Ego, das willenlos seinen dunklen Instinkten frönt. Die Geschichte von "Dr. Jekyll und Mr. Hyde" hat genau das zum Thema – den Kampf des tierischen und dunklen Anteils des Inneren gegen das Bewusste und zum Guten bemühte – und ist eigentlich vom Gehalt her eine Werwolfstory. Das Beängstigende entsteht durch das unbewusst Dunkle, das sich Bahn bricht und außer Kontrolle gerät – eine durch Jahrhunderte tief sitzende Angst der zivilisierten Menschen, die sicherlich für einige Gemütskrankheiten verantwortlich war.
Dem Reiz einer richtig guten Werwolfsmär kann man sich kaum entziehen, es ist das kleine "was wäre wenn" in uns, das so empfänglich dafür ist. Die neueren Geschichten zeigen eine andere Sicht der Dinge, die dem Schwarz-Weiß-Denken entgegensteht und eher eine Integration der Schattenanteile darstellt. Das Anerkennen des Tierischen bedeutet nun nicht mehr zwangsläufig Mordorgien und Brutalität, sondern eher ungeahnte Möglichkeiten.
Über die Sinne eines Tieres verfügen wünschten sich Menschen immer wieder – es wäre eine unglaubliche Steigerung der Effizienz. Dieser alte Traum findet sich in unzähligen Sagen und Legenden wieder und ist ein fester Bestandteil der Geschichten aller Völker auf der ganzen Welt. Sehen wir also den Werwolf als "Weltkulturerbe" und hoffen, dass er uns noch lange in spannenden Geschichten und Filmen erhalten bleibt.
© "Ruf der Wölfe | Das Tier im Menschen": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010.
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