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Kein Genre kommt in der Kurzgeschichtensammlung des Autors Roman Reischl zu kurz, denn Jonas Palmer, der junge Mann mit der Diagnose Angst- und Panikstörung, hat es geschafft, seine Probleme mit dem Niederschreiben seiner Gedanken in den Griff zu bekommen.
Die 404 Seiten starke Taschenbuch-Ausgabe (ISBN 978-3748190899) kann über den Internet-Buchhandel erworben werden.
Ich mochte mich schon immer gerne verstecken als Kind. Solche Spielchen machen ja auch Spaß, denn der Hurra-Effekt, wenn man entdeckt wurde, war das Höchste der Gefühle. Dieses Kribbeln im Bauch, wenn sie suchten und einen nicht auf Anhieb fanden, obwohl man doch diesmal eh keinen so guten Platz ausgesucht hatte. Ob das schon damals eine Fassade war, sich vor der Welt verborgen zu halten? Mag sein, so geht es vielen, ja gewiss. Interessant ist nur, wie man es ein Leben lang schaffen kann, mit diesem Gerüst, das für die Anderen bestimmt war, durchs Land zu laufen, ohne dass die Herrschaften großartig merkten, dass man von Grund auf seltsam tickt, oder besser gesagt nicht in üblicher Manier. Es macht das Thema brisant und meine Geschichte zu einer einzigartigen, diese Eigenschaft besitzt im Übrigen ohnehin jeder Mensch, leider leben es die meisten nur niemals gezielt aus. Entweder können sie es nicht oder sie wollen es nicht.
Im System Babylon integriert zu sein, ist bequemer für Körper und Geist. Mich hätte es wohl gelangweilt, darum schreibe ich auch alles auf. Diese Idee schwebt ebenfalls in den Köpfen der "Faces", wie ich sie hier und heute tituliere, aber wer macht es dann im Endeffekt? Der drogensüchtige Piercing-Huber vom Bauernhof in Marzoll, der immer so nett war, als er noch klein und fett war? Bestimmt genauso wenig wie der Bierzelt-Arnold mit dem schönen Musikgeschmack und der Mauerblümchen-Alexander, der nach der Pubertät gemeint hat, er würde statt einer Zickenhexe eine echte Frau abbekommen. Sie können allesamt kein Hotelzimmer auf englisch buchen, so weit fehlt es dort schon, geschweige denn die grammatikalischen Regeln ihrer Muttersprache deuten. Genau diese Leute sind es, die gemeint haben, sie könnten sich jahrelang über mich lustig machen. Ja, sie taten es sogar, ich weiß, aber im Endeffekt sitze ich hier mit einem Leben voller Vielfalt und Eindrücke. ...
Die Angst vor dem Kindergarten und der Schule war längst verflogen, aber dieser Gedanke, was die anderen von Jonas halten, war schon damals allgegenwärtig. Überbehütet und vom Großvater verwöhnt? Ja, mit Sicherheit. Glücklicherweise zog meine Mutter rechtzeitig die Notbremse. Über die Beklemmungen habe ich jedoch bis heute nicht richtig mit ihr gesprochen. Warum eigentlich nicht? Eine psychische Erkrankung entwickelt sich meistens im Laufe eines jungen Lebens, auch wenn sie erst viel später ausbricht. Der Außenseiter entsteht schon früher. Dass ich grundlos auf dem Sportfest der Schule angespuckt und gehänselt wurde, lag vermutlich auch an meiner von jeher schmächtigen Figur.
Im Tennisheim um die Ecke galt ich nicht als der richtige Partner zum bayerischen Kartenspiel, geschweige denn zum Match am Platz an sich. Ich baute Lager im Wald mit einer Gruppe Kinder, die sich ebenfalls vom Rest absonderten. Die Furcht vor größeren Schulaufgaben führte oft trotz genügend Vorbereitung und gewisser Intelligenz zum Erbrechen am frühen Morgen. Wer keine NFL Teamjacke besaß, wurde im Schulbus von den Landeiern dann von vorne bis hinten veräppelt. Was für ein Start in den Tag! Phänomenal, die Grausamkeit der Kinder, doch wer so materialistisch erzogen wurde, erkennt seine eigene Gemeinheit wohl gar nicht mehr.
So wunderschön die Landschaft in Oberbayern ist, so verbissen und verbohrt sind teilweise die Bewohner. Falls dann die eigenen Eltern nicht die CSU wählten – die absolute Verdammnis stand mir bevor aus all diesen bisher aufgeführten Gründen. Ich bin froh darüber, denn heute lache ich diese Schwänze alle aus.
Wie dem auch sei, es gab auch schöne Momente, sonst hätte ich in den darauf folgenden Jahren weder Ego noch Selbstvertrauen aufgebaut. Da war ja auch noch die Stadt und die Begegnungen mit bis dato sehr wertvollen Menschen. Ich werde sie beschreiben, die einstweiligen Retter meines Seelenlebens, mit denen ich in der Lehrzeit die Zeit des Lebens hatte, vom Saufurlaub in Italien bis über alle Diskotheken im Kreis, dem eigenen Musikstudio und in heutigen Tagen. Das Dorf jedenfalls würde den Hass auf mich auch ins Städtchen tragen, so viel war klar.
Deshalb erzähle ich diese Geschichte nun weiter in Form von Kurzgeschichten und Prosa. Es sind meine Träume und die Gedanken vieler Menschen. Es wird sehr bunt und vielfältig werden, liebes Tagebuch. Wenn das alles nicht passiert wäre, könnte es theoretisch sein, dass ich als ein gefühlskaltes Arschloch gelten würde. Das tut Jonas Palmer nicht. Ich habe mehrere Gesichter, aber ich behaupte einfach einmal, dass keines davon verrückt ist. Wunschträume, wer hat sie nicht? Es sind Emotionen, für jeden die richtigen. Sucht euch den Jonas Palmer aus, den ihr mögt. Wenn nicht, stört mich das auch nicht weiter. Diese Geschichten sind auf dem Land entstanden, in den zahlreichen Städten und in der Ferne. Sie befreien das Gehirn, das Tun und Handeln. Schreiben löst. Traumvorstellungen nicht ausgeschlossen. Viel Vergnügen damit, denn ich beschreibe nicht nur meine Gesichter, sondern die vielen Visagen dieser Welt. ...
Wie es weitergeht, lesen Sie im Kurzgeschichtenband "Curriculum" von Roman Reischl, einer eindrucksvollen Beschreibung eines Lebens voller Vielfalt.
© Herzlichen Dank dem Autor Roman Reischl für die Textauswahl "Dorfgeschichten und die Schule des Lebens" und die Abbildung des Buchcovers, 07/2019.
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