|
24 Kurzgeschichten allerlei Genres enthält der Anthologie-Band "Quer Beet aufs Treppchen" des Autors Michael Kothe, bekannt durch seine Bücher "Schmunzelmord" (Krimi) oder "Siebenreich" (Fantasy).
Auf 280 Seiten geht der Autor in "Quer Beet aufs Treppchen" zahlreichen Fragen nach: Wie liefert man einen Mörder ohne Beweise aus? Was führt die düstere Babysitterin im Schilde? Welchen Gedanken hängt ein zum Tode Verurteilter nach? Überlebt die junge Hobbyarchäologin den Sturz in den bodenlosen Schacht? Ist der Gast tatsächlich König? Und war da nicht noch ein vergnüglicher Mord am Frühstückstisch?
Durch den erfrischenden Erzählstil ist "Quer Beet aufs Treppchen" auch die ideale Urlaubslektüre. Da kommen mit Sicherheit alle Lesenden auf ihre Kosten!
Das Taschenbuch von Michael Kothe wurde via epubli im Juli 2020 veröffentlicht (ISBN 978-3752972672). Die Anthologie gibt es auch als E-Book im Online-Buchhandel.
Ladenbergs Visitenkarte war eine, wie sie Behörden für ihre Mitarbeiter drucken ließen. Bevor er sich wieder in seinen Lieblingssessel sinken ließ, hatte Heinrich sein Notebook aus einer Schreibtischschublade gezogen. Auf seinem Schoß klappte er es auf und googelte sich zum Veterinäramt der Kreisverwaltung München. Hier hatte Ladenberg gearbeitet. Auf einer Unterseite las er eine Notiz über den unvermittelten Tod zahlreicher Haustiere in Oberbayern. Verseuchtes Futtermittel werde vermutet, im Verdacht stünde ein namentlich nicht genannter Hersteller in einer Gemeinde zwischen Starnberger und Ammersee.
Ruckartig richtete er sich im Sessel auf. Er hatte die anderen Visitenkarten durch seine Finger gleiten lassen und war beim Lesen stutzig geworden. Fast hätte er den Wermut über den Laptop gegossen, nur ein beherzter Schwenk zur Seite hatte ihn gerettet. Mit flinken Fingern bemühte er nochmals die Suchmaschine. Leise pfiff er durch die Zähne.
"Donnerwetter! Da muss der Ladenberg dringesteckt haben. Vermutlich hat er den Fall untersucht, dann haben sie ihn geködert, und am Ende hat er doch kalte Füße gekriegt ..."
Seinen nächsten Schluck genoss er in dem wohligen Bewusstsein, einem weitaus größeren Fall auf der Spur zu sein als dem Seitensprung einer untreuen Ehefrau. Heinrich Silberberg strahlte.
Nur einen Augenblick lang, denn ...
Sorgsam wog er seine Möglichkeiten ab. Für seine eigenen Ermittlungen waren die Verbrechen eine Nummer zu groß. Es blieb nur eine Anzeige bei der Polizei. Peter? Nein, denn dem müsste er erklären, woher er seine Erkenntnisse hatte. Die Visitenkarten anonym einsenden zusammen mit den nötigen Hinweisen? Wirkliche Beweise waren das nicht, und es blieben seine Fingerabdrücke darauf nicht unentdeckt. Man würde ihn, wenn auch zu Unrecht, auf Grund seiner Vergangenheit mit Mord und Futtermittelskandal in Verbindung bringen. Und er müsste wieder untertauchen.
"Was hast du? Du hast einen Mord beobachtet. Wahrscheinlich im Zusammenhang mit einem Futtermittelskandal. Du könntest den Mörder über die Frau identifizieren. Aber ohne Beweise ..."
Am folgenden Vormittag parkte Heinrich seinen Golf auf dem Parkplatz gegenüber der Kirche in Wielenbach knappe 10 Kilometer südlich von Kloster Andechs am Ammersee. Neidisch blickte er auf den Fahrer, der auf der Parkbucht neben seiner gerade aus einem SUV bayerischer Produktion und neuester Baureihe ausstieg. So einen hätte er auch gerne, würde ihn sich aber allein wegen des Unterhalts auf Jahre hinaus nicht leisten können.
Heinrich streichelte kurz die Dachkante seines ihm über die Zeit doch lieb gewordenen Fahrzeugs und schlenderte durch das Örtchen zu dem kleinen Industriegebiet am Rande. Sein Auto wollte er dort nicht sehen lassen.
Heppenstedt Futtermittel GmbH.
Heinrich war am Ziel. Die Adresse hatte er auf der Visitenkarte gelesen, die er dem Mörder aus der Manteltasche gezogen hatte: "Dipl.-Ing. Theodor Heppenstedt, Geschäftsführer". Die Rückseite war mit Bemerkungen vollgekritzelt, weiteren Telefonnummern und Terminen und – das hatte Heinrich aufmerken lassen – Namen und Anschrift Heribert Ladenbergs. Alles geschrieben mit der Handschrift des Mörders, vermutete er. Die ungelenke Schrift hatte er unwillkürlich der groben Figur des Unholds zugeordnet.
"Grüß Gott. Womit kann ich Ihnen helfen?"
Heinrich sah der hübschen Brünetten direkt in die Augen. Wie im grünen Wasser eines tiefen Bergsees verloren sich seine Gedanken darin. Für sein Detektivbüro würde sie die ideale Sekretärin abgeben. Weniger für die Arbeit, die es nicht gab, sondern eher als Augenweide, als Lichtblick für sein trübseliges Dasein. Hätte er sie beschreiben müssen, wäre es ihm schwergefallen, dies zu tun, ohne seine Hände zu bemühen.
"Wendland, Günter Wendland. Ich hatte vor einer Stunde angerufen. Wegen der ausgeschriebenen Stelle. Und hier bin ich."
Er setzte ein gewinnendes Lächeln auf.
Die Sekretärin strahlte zurück.
"Da müssen Sie zur Personalabteilung. Hier sind Sie im Vorzimmer von Herrn Direktor Heppenstedt."
"Oh, ich ... Dann muss ich mich im Treppenhaus verlaufen haben. Bei den vielen Fluren ..."
"Nehmen Sie doch einen Moment Platz, ich rufe derweil an und lasse Sie abholen."
Heinrich zwängt sich in den viel zu kleinen Besuchersessel hinter der Zimmerpalme in der Ecke zwischen dem Fenster zum Parkplatz und der Tür zu Heppenstedts Büro, die so massiv aussah, dass sie wohl schalldicht war.
"... Ich will die Exportpapiere! Wenn möglich im Original. Sie haben freie Hand. Frau Heisenberg hat Ihre Tickets ausgedruckt. Besser, wenn Sie sich hier nicht mehr sehen lassen, bevor die Aufgabe erledigt ist bei La Granja."
"Avícola." Es klang wie ein Abschiedsgruß.
Heinrich zuckte zusammen. Am liebsten hätte er sich in dem Sesselchen verkrochen. Aber auch eine Fötusstellung hätte ihn nicht unsichtbar gemacht. Dass sich die Tür öffnete und ein Besucher dadurch ins Vorzimmer trat, verblüffte ihn nicht. Ebenso wenig, dass er erst jetzt die Worte verstand. Das bestätigte nur seine Vermutung über die Dicke der Tür. Eine andere Erkenntnis hatte ihn zusammenfahren lassen und veranlasst, sich zum Fenster zu drehen. Den Schnellhefter mit seiner fingierten Bewerbung wedelte er so heftig, dass er mehr Aufmerksamkeit auf sich zöge als Heinrich selbst.
Hinter dem Türblatt war hervorgetreten ... der Mörder Ladenbergs! Er wandte sich ohne ein Wort um, nickte der Brünetten zu und griff den länglichen Umschlag von der Ecke ihres Schreibtischs. Mit einer Drehung, die ihn von Heinrich fortwandte, verließ er das Vorzimmer.
Als Heinrich vorhin das Zimmer betrat, hatte die Heisenberg die Tickets gerade aus dem Drucker gezogen und so gehalten, dass er Datum, einen Teil der Flugnummer und SCQ als Zielort hatte lesen können. Der Rückflug nach MUC war drei Tage später.
"Das war doch Herr Un... Unge..." Mehr von dem Namen hatte Heinrich auf dem Umschlag nicht lesen können, in den die Sekretärin die akkurat gefalteten Tickets versenkt hatte.
"Ungemach", ergänzte sie dienstbeflissen.
"Genau, danke! Mein Namensgedächtnis, wissen Sie?"
Sie lächelte mitfühlend.
Heinrich erhob sich.
"Danke vielmals. Um das Personalbüro müssen Sie sich nicht weiter bemühen. Herr Ungemach kann es mir zeigen. In der Branche kennt man sich. Auf Wiedersehen."
Sachte zog er die Tür hinter sich zu. Frau Heisenbergs Kopfschütteln sah er schon nicht mehr. Ungemach war verschwunden. ...
Lesen Sie alle Geschichten in Michael Kothes Anthologie "Quer Beet aufs Treppchen"!
Der Autor schreibt auch Fantasy-Romane, unter anderem den Epos "Siebenreich: Die letzten Scherben"
© Lesetipp "Der Tote am Wasserturm": Dem Autor Michael Kothe danken wir herzlich für die Textauswahl aus seiner Anthologie "Quer Beet aufs Treppchen" und die Abbildung des Buchcovers, 08/2020.
Archive:
Jahrgänge:
2020 |
2019 |
2018 |
2017 |
2016 |
2015 |
2014 |
2013 |
2012 |
2011 |
2010 |
2009
Themen:
Rezensionen |
Krimi Thriller |
Ratgeber |
Sagen Legenden |
Fantasy Mythologie
Sie schreiben anspruchsvolle Romane und Erzählungen? Wir suchen neue Autorinnen und Autoren. Melden Sie sich!
Wenn Sie die Informationen auf diesen Seiten interessant fanden, freuen wir uns über einen Förderbeitrag. Empfehlen Sie uns auch gerne in Ihren Netzwerken. Herzlichen Dank!
Sitemap Impressum Datenschutz RSS Feed