|
Bei meiner ersten Reise nach Griechenland bin ich von Athen aus auf die Insel Ägina gekommen. Landschaftlich ist diese Insel sehr reizvoll. Aber auch hier wie in allen anderen griechischen Landschaften und auf allen Inseln gibt es dazu einen Beitrag aus der Mythologie.
Zeus, der Göttervater und oberste griechische Gott, war mit der eifersüchtigen Hera verheiratet. Diese bekam immer sehr schnell mit, wenn sich ihr Göttergatte Mädchen, Frauen, aber auch Halbgöttinnen, die ihm besonders gut gefielen, näherte. Zumeist liebte es Zeus sich diesen weiblichen Wesen in Tiergestalt zu nähern und diese zu täuschen.
So hatte Zeus seine Augen auf Ägina, die schönste der 20 Töchter des Flussgottes Asopos geworfen und war in heftiger Liebe zu ihr entbrannt. Dieses Mal verwandelte sich Zeus in einen Adler, schwang sich zu Ägina und entführte sie auf die Insel Oenone, die ab diesem Zeitpunkt Ägina hieß.
Asopos suchte in der Zwischenzeit verzweifelt seine Tochter. Bei dieser Suche kam er nach Korinth. Dort war der kluge, listige Sisyphos zugange und dieser erklärte ihm, dass Zeus seine Tochter entführt und auf die Insel Oenone gebracht hatte. Zeus indessen hinderte Asopos mittels Schleudern eines Blitzes an der weiteren Suche nach Ägina und zwang so den Asopos dahin zurück, wo er hergekommen war – in sein Flussbett.
In der Zwischenzeit wurde Ägina von Zeus schwanger und gebar ihm den Sohn Äakos. Dieser Äakos war bei Göttern und Menschen sehr beliebt, da er klug, fromm, milde und gerecht über die Insel Ägina und den dort lebenden Menschen herrschte. Nie tat er Übles, er war nicht bestechlich, und er liebte die Wahrheit. Unter seiner Herrschaft lebten die Menschen auf Ägina glücklich und zufrieden. Alle waren zufrieden – bis auf die Göttin Hera.
Doch dann begann das Unheil: Ganz Griechenland wurde von einer lang anhaltenden Dürre heimgesucht. Die Menschen warteten sehnsüchtig und vergebens auf Regen. Aber von einem strahlend blauen Himmel stach erbarmungslos eine harte Sonne. All die Opfer und Gebete der Menschen blieben erfolglos. Wasserquellen, Seen und Flüsse trockneten aus. Die Hitze und die Trockenheit wurden unerträglich. Die Feldfrüchte verdorrten, und Hunger und Durst waren die Folgen. Menschen und Tiere verhungerten und verdursteten qualvoll. Das allgemeine Leben, der Handel und Wandel kamen zum Erliegen. Es gab keine fröhlichen Feste mehr und die Menschen blieben in ihren Häusern.
Schließlich wurde eine Delegation zum Orakel nach Delphi gesandt, um dort erfahren zu können, was zu dieser grauenvollen Situation geführt hatte. Die Priesterin zu Delphi riet den Menschen, Äakos, den besten aller lebenden Menschen (auch wenn er ein Halbgott war, so war er doch sterblich) aufzusuchen. Er solle bei Zeus für die Menschen bitten, zu ihm zu beten und ihm zu opfern.
Eine Gesandtschaft der Griechen traf auf Ägina ein und wurde zu Äakos geführt. "Was führt euch zu mir?", fragte er die Gesandten freundlich.
Die Gesandten brachten ihr Anliegen vor und baten ihn flehentlich, ihre Bitte nicht abzulehnen. Äakos kam gerne diesem Ansinnen nach. Dazu stieg er auf den Panhellenion, den höchsten Berg Äginas. Inbrünstig bittend und flehentlich die Hände zum Himmel erhoben bat er seinen göttlichen Vater Zeus um Regen. Kaum hatte er seine Bitte beendet, als schweres Gewölk aufzog und es regnete lange und ausgiebig. Aus Dankbarkeit errichteten die Griechen dem Äakos einen Tempel.
Im Privatleben lief es gut bei Äakos: Er hatte die Endeis geheiratet, die ihm zwei Söhne gebar: Peleus und Telamon. Peleus sollte der Vater von Achilles werden, wobei Achilles von seiner Mutter Thetis her ein Halbgott war, und Telamon der Vater von Ajax. Beide waren berühmte und große Männer und sollten den Heldentod vor Troja sterben. Von Psamate bekam er noch den Phokos, seinen dritten Sohn.
Und so lebte er lange Jahre glücklich und zufrieden, bis sich seine eifersüchtige Feindin Hera seiner entsann. Sie hasste die Insel, die den Namen ihrer Nebenbuhlerin bekommen hatte; und den Sohn dieser Nebenbuhlerin hasste sie noch mehr.
Hera ließ durch die Pest die Insel verheeren. Ein stinkender, undurchdringlicher Nebel verpestete die Luft. Kein Sonnenstrahl fiel auf die Erde. Dazu wirkte dieser Nebel wie ein Pesthauch, der jeden tötete, der sich in seinem Dunstkreis aufhielt. Das ganze Elend dauerte schon lange vier Monate – ohne dass die Menschen einen winzigen Sonnenstrahl zu Gesicht bekamen, und vergebens warteten sie auf Regen.
In Flüssen und Seen faulte das Wasser und stank. Dazu wehte ein heißer Südwind, durch den alles verdorrte. Das war aber noch nicht alles: Giftige Reptilien, ekelhaft anzusehen, krochen in Scharen durch die Insel, und diese trugen noch zusätzlich durch ihren Geifer dazu bei, dass das wenige noch Genießbare an Getreide und Wasser vergiftet wurde.
Zunächst aber starben nur die Tiere, aber die Menschen folgten ihnen bald nach. Sie tranken entweder das verfaulte Wasser oder sie sackten einfach tot zusammen. Sie blieben dort liegen, wo sie zusammengebrochen waren. Zuhauf lagen sie an ihren Sterbeorten. Da niemand in der Lage war, diese Toten zu begraben, verschlimmerte sich die Lage zusehends und die Pest schien kein Ende zu nehmen. Die Menschen dachten, dass das Weltende bevorstand.
Nach einiger Zeit existierte auf der Insel kein Lebewesen mehr – außer König Äakos und seine Söhne, und Äakos war am Verzweifeln. Wieder bat er seinen Vater Zeus um das Ende dieses furchtbaren Zustandes. "Vater Zeus, was habe ich getan, dass mein unschuldiges Volk so elend sterben musste? Ich bin doch dein Sohn und wenn ich dich beleidigt habe, dann sage es mir. Du hast mein unschuldiges Volk büßen lassen, und ich weiß nicht den Grund dazu. Ich bitte dich, gib mir mein Volk wieder oder lass mich auch sterben, damit ich dieses Elend nicht mehr länger ertragen muss. Dieses Leben ist mir nur noch eine Last!"
Zeus antwortete auf die Bitten seines Sohnes durch Schleudern eines Blitzes und Donnerschläge durchbrachen die tödliche Stille. Äakos empfand das als positives Zeichen seines Vaters, und zum ersten Mal nach langer Zeit fühlte er sich getröstet und er fasste wieder Zuversicht. Er fasste das als Zusage seines Vaters auf, dass diese böse Zeit bald ein Ende haben sollte.
Plötzlich fiel der Blick des Äakos auf die heilige Eiche des Zeus – sie war ihm geweiht. Der Same dieser Eiche stammte von der heiligen Eiche von Dodona. Am Stamm dieser Eiche und auch am Wurzelwerk, das aus der Erde herausragte, krabbelten viele Ameisen. Noch näher trat er an diese Eiche. Da sah er, dass all diese Ameisen Getreidekörner schleppten.
"Vater Zeus, gib mir wieder ein großes Volk – so groß wie dieses Ameisenvolk hier", bat er.
Obwohl kein Wind wehte, rauschte das Laub und der Wipfel des Baumes bebte. Auf der einen Seite schauderte es den König, auf der anderen Seite fühlte er eine Freude und eine Euphorie in sich aufsteigen. Er spürte in sich, dass das Elend zu Ende sein sollte. Er küsste die Erde und den Stamm des Baumes, opferte dem Zeus und ging zum ersten Mal seit langer Zeit zufrieden nach Hause.
Abends legte er sich zur Ruhe. Seine Euphorie war am Verfliegen und Ernüchterung machte sich in ihm breit. Waren die Ameisen, das Rauschen des Laubes sowie das Beben des Wipfels nur Trugbilder? Hatte er sich alles nur eingebildet? Dann begann er wieder zu hoffen und seine innere Zerrissenheit wurde noch größer.
Als er endlich einschlief, träumte er. In seinem Traum sah er die Ameisen bei der Eiche und ihm war, als würden die Ameisen größer und größer. Schließlich erhoben sie sich, und ihnen wuchsen Gliedmaßen, und sie bekamen menschliche Gesichter. Aus den Ameisen wurden Menschen. Äakos erwachte, und ihm wurde traurig klar, dass er sich alles nur eingebildet hatte, dass sein Traum eben doch nicht Realität war und er getäuscht wurde. Das Murmeln menschlicher Stimme hörte er sehr wohl in wachem Zustand, und das Murmeln kam immer näher. Unwillig schüttelte er den Kopf.
Sein Sohn Telamon riss die Türe auf und rief aufgeregt: "Vater, komm mit! Das musst du dir ansehen! Du hast Gnade gefunden bei Zeus. Er hat mehr getan, als du erhoffen konntest."
Es war kein Traum gewesen, und Äakos weinte vor Erleichterung und vor Freude. Die zu Männern geworden Ameisen kamen näher und begrüßten ihn als ihren König.
"Myrmekes, Ameisen wart ihr. Myrmidonen sollt ihr genannt werden!"
Die Myrmidonen bezogen die leerstehenden Häuser und bekamen von Äakos die Felder und Äcker des an der Seuche verstorbenen Volkes. Das Inselleben blühte wieder auf. Äakos, bedankte sich mit reichlichen Opfern bei seinem Vater Zeus für diese glückliche Wendung.
Äakos starb hoch betagt und lebenssatt, aber doch glücklich und zufrieden. Er wusste sein Werk in guten Händen. Nach seinem Tod wurde Äakos Totenrichter in der Unterwelt zusammen mit Minos und Rhadamanthys. Auch hier richtete er gerecht und mit Weisheit.
Alle Bücher von Ulla Schmid auf ihrer Autorenseite
© "Äakos, der weise und gerechte König von Ägina": Eine Geschichte aus der griechischen Mythologie von Autorin Ulla Schmid, 10/2020. Bildnachweis: Illustration "Griechische Mythologie", CC0 (Public Domain Lizenz).
Archive:
Jahrgänge:
2022 |
2021 |
2020 |
2019 |
2018 |
2017 |
2016 |
2015 |
2014 |
2013 |
2012 |
2011 |
2010 |
2009
Themen:
Autor werden |
Buch-Rezensionen |
Ratgeber |
Sagen & Legenden |
Fantasy Mythologie |
IT & Technik |
Krimi Thriller |
Fachartikel & Essays |
Jugend- & Kinderbücher |
Bedeutung der Tarotkarten |
Bedeutung der Krafttiere
Noch mehr Bücher lesen (Werbung):
Fantasy & Science Fiction
| Krimis & Thriller
| Ratgeber
| Reise & Abenteuer
Sie schreiben anspruchsvolle Romane und Erzählungen? Wir suchen neue Autorinnen und Autoren. Melden Sie sich!
Wenn Sie die Informationen auf diesen Seiten interessant fanden, freuen wir uns über einen Förderbeitrag. Empfehlen Sie uns auch gerne in Ihren Netzwerken. Herzlichen Dank!
Sitemap Impressum Datenschutz RSS Feed