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Eine Karikatur des deutschen Malers und Schriftstellers Th. Th. Heine zeigt Menschen, die in Mülleimern wühlen, um etwas Essbares zu finden. Einer dieser "Jäger" sagt: "Mit Deutschland geht es doch aufwärts, man findet ab und zu wieder eine Brotkruste im Müll."
Menschen, die in Müllcontainern nach Essen suchen, sind heute selten geworden im Land. Aber Parallelen finden sich durchaus, denn es gibt einen neuen Nebenerwerb für bedürftige Menschen: das Pfandflaschen sammeln. Man sollte glauben, dass man kaum eine Flasche mit dem Pfandsiegel darauf findet – denn, wer so etwas wegwirft oder stehen lässt, verzichtet auf bares Geld. Hier fünfundzwanzig Cent und da fünfzehn – es kommen schnell ein paar Euro zusammen.
Beim Discounter kann man für, sagen wir, drei Euro etwas zum Essen kaufen. Man bekommt Brot und auch etwas zum Belegen, eine Flasche billigen Sprudel gibt es auch. Oder Kartoffeln und noch etwas dazu. Für Menschen, die gewohnt sind, auf dem Weg zur Kasse zigmal die Cents zu zählen, damit es auch reicht, sind solch kleine Beträge der Unterschied zwischen Essen und Hunger.
Es gibt noch erstaunlich viele Bürger, die auf diese Minisummen nicht angewiesen sind, oder die sich ihre Bequemlichkeit etwas kosten lassen. Und es gibt Pfandsammler, die gezielt zu großen Veranstaltungen fahren und dort auflesen, was stehengelassen und weggeworfen wird, somit ein Gewerbe betreiben und das auch angeben. Diese sind allerdings nicht in der Mehrzahl, sondern Einzelne, die sich auf eine mühsame Weise hier und da einige Euros erarbeiten. Meist gehen sie in der Dämmerung los und klappern die Parkplätze der großen Märkte ab, denn dort finden sich meist Flaschen und Dosen, die in den Papierkörben gelandet sind oder auf den Randstreifen der Parkplätze stehen. Grünanlagen mit Bänken sind nicht schlecht – viele, die hier ihr Bierchen trinken, lassen im fortgeschrittenen Wunschzustand ihre Flaschen einfach stehen. Im Sommer kommt mehr zusammen, im Winter weniger.
Wer diesen "Job" macht, tut das unter erschwerten Umständen. Es ist nicht ganz ungefährlich, denn Pöbeleien sind nicht selten, von der gezeigten Missbilligung der Bürger natürlich ganz zu schweigen. Wer tatsächlich auf Tour geht, um Pfandgut zu suchen, hat es aufgegeben, eine Arbeit zu finden. Meist sind es Leute, die kaum noch eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben – sei es, weil sie zu alt, zu unqualifiziert oder sonst ein "Vermittlungshemmnis" aufweisen. Vielleicht reicht die Rente kaum für das Notwendigste, vielleicht gibt es zu viele Verpflichtungen ... wer weiß, was der Einzelne für eine Geschichte hat. Vermutlich hat jeder eine lange Reise auf dem Weg ins Abseits hinter sich, eine Kette von Stationen, an denen die Weichen falsch gestellt wurden. Das muss nicht derjenige selber gewesen sein, es kommt nicht mehr darauf an.
Diese Leute verdienen nicht die Verachtung der Bürger, sondern eher deren Respekt. Erstens schaden sie keinem, sondern tragen einen Teil dazu bei, die Umwelt sauber zu halten – zumindest aber das Stadtbild. Ob sie das nun als Ein-Euro-Jobber tun oder auf eigene Rechnung ist nicht von Belang. Dann gehört eine gute Portion Mut dazu, denn wer erst einmal mit einer Tüte unterwegs ist, um Flaschen zu sammeln, gibt zu, dass er keine andere Möglichkeit mehr hat. Man sollte diese Art der Selbsthilfe als das sehen, was sie ist – ein legaler Weg, um das Leben ein wenig zu verbessern, inklusive positivem Nebeneffekt für die Sauberkeit der Umgebung.
Mit der Zeit verschwinden viele Jobs, weil sie nicht mehr erforderlich sind – dafür entstehen neue. Das ist der Lauf der Dinge, und wir müssen das akzeptieren. Eigeninitiative sollte anerkannt werden, nicht nur bei "geregelter" Arbeit oder im Management.
© "Wer sammelt, ist keine Flasche": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Bildnachweis: Bierflaschen, CC0 (Public Domain Lizenz).
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