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Das Abbilden von Lebewesen und der Dinge, die man aus der Realität kennt, ist wohl so alt wie der denkende Mensch selbst – Höhlenmalereien und Ritzzeichnungen aus prähistorischer Zeit sind Zeugen dieses wohl immer gegenwärtigen Wunsches. Allerdings hatten diese Kunstwerke einen magischen Hintergrund, es ging weniger um das Abbilden nach der Natur.
Wahrscheinlich wurde die Kunst schon sehr früh ritualisiert, bzw. gewissen Formen unterworfen. Die Antike zeigt das recht deutlich, man setzte die Symbolik in Formen um – ob nun in Ägypten, im Zweistromland Mesopotamien oder sonst in der Welt. Gerade das Beispiel der Kultur am Nil zeigt diese starre Form über Jahrhunderte – bis es einen Bruch in der Auffassung gab, was die Darstellung betrifft. In der Regierungszeit des so genannten Ketzerkönigs Echnaton wurde die starre Form aufgegeben um der Realitätsnähe willen. Die Kunst wollte auf einmal nicht mehr mahnen und zu Ehrerbietung aufrufen, sie wollte zeigen. Was dabei herauskam, sind bezaubernde und vor allem sehr individuelle Szenen aus dem Leben, vor allem aus dem der königlichen Familie. Zwar trat diese Art der Darstellung wieder in den Hintergrund, aber nicht für alle Zeiten.
Die Kunst der Darstellung verließ nach und nach das Kultische und wurde profaner – diente immer mehr dem "Abbilden". Die Portraits, die von den berühmten Künstlern der Jahrhunderte geschaffen wurden, zeigen lebendige und detailgetreue Realität bis hin zum Seidenglanz der Roben. Bilder von Menschen oder Landschaften, Tieren und anderem waren keine Alltäglichkeit – wer so etwas haben wollte, musste schon wohlhabend sein. Familienbilder waren ein Statussymbol, erst recht, wenn ein gerade favorisierter Maler sie schuf. Die schönsten Portraitbilder, die wir heute kennen, sind Auftragsarbeiten, die den Lebensunterhalt des Malers sicherten.
Als nun die Fotografie erfunden wurde, bzw. die vorher entwickelten Verfahren so verbessert wurden, dass die Technik einfach und die Materialien erschwinglich wurden, da wurde das Festhalten des Augenblicks plötzlich etwas, das jeder tun konnte. Eine Momentaufnahme bei einer Familienfeier war nun etwas Gewöhnliches, man konnte die Gegenwart gewissermaßen auf die Schnelle konservieren. Was das Abbilden der Realität betraf, wurden Pinsel und Palette nun überflüssig und die Malerei schlug andere Wege ein.
Frühe Aufnahmen aus Fotostudios zeigen unglaublich steife Aufnahmen (oft waren die Köpfe von einer Art Halterung fixiert, der langen Belichtungszeit wegen) von äußerst ernst blickenden Menschen – schließlich war das Ablichten lassen eine ernste Angelegenheit. Doch schon früh spürten Fotografen das Potenzial der Fotografie, denn auch die Fotoplattentechnik war durchaus schon für Effekte geeignet. Und rasch wurde das Fotografieren zum Ausdrucksmittel, zum Medium. Ein schneller Schnappschuss von Tante Anna im Badeanzug ist eine Sache – eine stimmungsvolle Aufnahme eine völlig andere. Mit der Erfindung der digitalen Fotografie gibt es nun keine Grenzen mehr – allein die Bildbearbeitungs-Techniken bieten unglaubliche Möglichkeiten.
Das Ausdrucksmittel Fotografie ist so sensibel wie ein hauchdünner Laserstrahl geworden. Der Künstler verfügt über eine riesige Effektpalette, kann die unglaublichsten Eindrücke kreieren. Wie in der Malerei können Farben gemischt und Elemente zusammengestellt werden. Dabei wird nicht mit Farbe und Pinsel, sondern mit Licht gemalt. Wie Tante Anna ausgesehen hat an diesem Tag, spielt keine Rolle mehr – es geht darum, wie der Fotograf sie an diesem Tag gesehen hat. Oder wie er sie gerne wahrgenommen hätte. Oder – und da hat die Sache eine lange Kurve zurück zu den Pharaonen gemacht – wie die Tante aussehen sollte an diesem Tag. Denn jeder, der in Stein gemeißelt wurde, entsprach dem Idealbild – zumindest, was seine Abbildung betraf.
Früher übertrug man ganz einfach einen übergewichtigen Adligen per Meißel in eine wohlproportionierte Figur. Heute ist das weitaus einfacher – denn Fältchen radieren oder Taillen minimieren ist kein Problem mehr mit den neuen Programmen. Aber davon abgesehen, zeigen viele hervorragende "Lichtkünstler", wie die Realität wahrgenommen werden kann. Denn man kann nicht nur die eigene Wahrnehmung sichtbar machen per Foto – man kann auch andere dazu bringen, diese Wahrnehmung zu akzeptieren. So gerät die individuelle Sicht der Dinge zu einer Art Magie – denn wer sieht sich schon einen kleinen Kieselstein oder einen Käfer an, wenn er unterwegs ist. Aber abgelichtet und direkt vor die Augen gebracht ist es faszinierend, ein eigener Kosmos, der erschlossen wird.
Gute Fotografen leihen uns ihre Augen, damit wir mehr wahrnehmen können, als es unsere eigene Sicht erlaubt. So gesehen ist die Fotografie nicht nur eine Kunstform, sie ist auch ein Medium, das Botschaften und Eindrücke übermitteln kann. Von Auge zu Auge.
© Text und Foto zu "Fotografie – ein faszinierender eigener Kosmos": Winfried Brumma (Pressenet), 2011.
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