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Allenthalben hört und liest man von "Indigo-Kindern". Jungen Menschen also, die etwas Besonderes sein sollen, glaubt man der Entdeckerin dieses Phänomens, der amerikanischen Autorin Nancy Ann Tappe, die in ihrem 1982 erschienenen Buch die für sie feststehende Tatsache beschreibt, dass seit den späten 1970er-Jahren verstärkt Kinder mit indigoblauer Aura geboren wurden. Angeblich soll zum jetzigen Zeitpunkt der Anteil praktisch bei 100 Prozent liegen.
Indigo-Kinder sollen besondere Merkmale haben: So wären sie von Geburt an sehr selbstbewusst und im Gefühl ihrer eigenen Überlegenheit. Soziale Interaktion sei für sie keine akzeptable Verhaltensweise, es sei denn, sie wären mit anderen Indigo-Kindern zusammen. Autorität würden sie durchweg ablehnen und sich höchstens überzeugen lassen, wenn sie eine Wahl sehen. Interessant sei die bei allen Indigo-Kindern eigene hohe Empfindlichkeit gegenüber chemischen Stoffen in der Nahrung. Eine Affinität zu Tieren soll zusätzlich zu diesen Merkmalen bestehen.
Weiter heißt es bei den Anhängern dieser Thesen, dass diese Kinder hochintelligent seien und irrtümlich falsch diagnostiziert werden, da ihre Hochbegabtheit und ihre eigene Weise leicht als Aufmerksamkeitsdefizit- oder Hyperaktivitätsstörung (ADHS) erscheint. Tatsächlich trifft diese Beschreibung auf fast alle Kinder zu, jedenfalls auf diejenigen, welche das Glück oder vielleicht auch Unglück hatten, in der westlichen Welt geboren zu sein. Da sich die Art und Weise, wie Familien miteinander leben, stark verändert hat und die Vorbildfunktionen praktisch deaktiviert sind, muss es nicht wundern, wenn Kinder keinerlei Autoritäten anerkennen wollen oder können. Erwachsene, die auf einem immerwährenden Selbstfindungstrip sind und ständig ihre Vergangenheit aufarbeiten müssen – nicht selten sogar die aus "früheren Leben" – mögen ein wenig überfordert sein, wenn es um ihre Rolle geht.
Hier soll keine Lanze für die autoritäre Erziehung gebrochen werden, die hat genug angerichtet. Aber tatsächlich braucht ein Kind Grenzen, um sich sicher und wohl zu fühlen. Dabei geht es nicht um Härte oder Strenge, es geht um das Errichten einer für das Kind bewohnbaren und sicheren Welt -physisch und psychisch. Diese Grenzen dürfen nicht starr sein, der Prozess des Lernens und Wachsens verschiebt sie langsam – aber das muss umsichtig geschehen. Kinder die in grenzenloser Selbstüberschätzung bestärkt werden, entwickeln sich zu sozialen Autisten. Bis hier stimmt das Bild durchaus – aber es ist eine Folge der Veränderungen im sozialen Gefüge. Überempfindlichkeit ist eine Folge der Vergiftung unserer Umwelt – das heißt nichts anderes, als dass die Kinder ausbaden müssen, was wir angerichtet haben seit mehreren hundert Jahren.
Natürlich sind Ärzte viel zu schnell mit der bequemen Diagnose ADHS – wobei man anmerken könnte, dass wir Menschen nicht wirklich für die sekündliche Reizüberflutung gemacht sind, der wir uns aber stellen müssen. Unser Gehirn funktioniert noch so, als gäbe es dieses abnorme Einstürzen auf alle Sinne nicht. Was wunder, wenn Kinder, die noch in der Entwicklung begriffen sind, damit nicht zurechtkommen können. Die Konzentrationsfähigkeit ist nur eine Sache, die dabei auf der Strecke bleibt. Das Einfühlen und Einlassen auf andere Menschen ist noch ein weiterer Punkt. Die Empathie verkümmert völlig – und so kommt es zu schlimmen Entwicklungen. Entweder das Kind mit Medikamenten vollstopfen oder aber dem Indigowahn verfallen ... da gibt es wohl bessere Alternativen. Aber die sind mit viel Arbeit verbunden, mit viel Selbstverleugnung wahrscheinlich auch, was die Eltern betrifft.
Eltern dürfen Menschen sein und Fehler machen, aber doch müssen sie Felsen sein im Meer der kindlichen Gefühlswelt. Wer das nicht hinkriegt, sollte das Kinderkriegen lassen. Früher hieß es "Mein Kind tut so was nicht", obwohl es noch die Schleuder in der Hand hielt und vor der zerbrochenen Scheibe stand. Das ist menschlich und verständlich. Wie weit wird die Aussage "Jan ist eben ein Indigo-Kind" reichen, um etwas zu begründen? Zerbrochene Scheiben sind lange nicht mehr das Problem, sondern zerbrochene Menschen.
Weiter erfährt man, dass die Indigo-Kinder, die von manchen als hybride oder gänzlich außerirdische Form gesehen werden, die Wegbereiter der Kristallkinder sein sollen – diese rechnet man spirituell einer hohen oder auch der höchsten Stufe zu. Das sollen also die neuen Menschen sein, die das Heil bringen werden? Hier ist es nun Zeit für einen Hinweis auf einen gewissen Adolf Hitler, dessen Phantasien vom kommenden Übermenschen recht ähnlich zu lesen sind. Natürlich hat er dabei auf andere Aspekte Wert gelegt, nicht eben auf Vergeistigung, aber die elitäre Idee ist erschreckend ähnlich. Ratlose Eltern werden ratlos bleiben, und es wird unsere Welt nicht retten. Das kann nur ein völlig anderer Umgang mit den Ressourcen und der Natur. Die Hoffnung auf eine Elite, die es nicht wirklich gibt, ist mit Sicherheit der falsche Weg.
© "Indigo, Kristall und der Regenbogen": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Bildnachweis: Aquarell Luftballons, CC0 (Public Domain Lizenz).
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