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Heuschrecke. Foto: Lothar Seifert
Wer kennt nicht das wohlige Schaudern beim Anblick eines putzigen Welpen ... womöglich noch mit weißem oder cremefarbenem Kuschelfell. So etwas ist einfach unwiderstehlich für uns Menschen – das Kindchenschema greift sofort. Großäugige Katzenkinder sind auch so eine Sache – fellgewordene Streichelphantasien sind das. Man erinnere sich an den Empörungsschrei, der durch die ganze Welt ging, als ein Video zeigte, wie eine Frau so einen Kuscheltiger erst streichelte – und dann kurzerhand in die Mülltonne warf. Keiner von uns mag es, wenn ein Tier gequält wird, ob dies nun absichtlich oder aus Gleichgültigkeit passiert.
Den Besten unter uns wird regelrecht übel, sehen sie Bilder von Stierkämpfen oder vom Walfang. Das gilt auch für die Jagd auf Wölfe und anderes Wild. Wer schon einmal gesehen hat, wie ein Felljäger mit einem Knüppel eine junge hilflose Robbe erschlägt und sofort mit dem Abhäuten beginnt – selbst wenn das Tier "nur" betäubt sein sollte – hat viel Arbeit mit dem Schämen für die Spezies Mensch. Viele engagieren sich für die afrikanischen Berggorillas – eine Art, die durch Wilderei massiv bedroht ist. Orang-Utans sind schon lange ein Härtefall, was das ersatzlose Verschwinden aus dem biologischen System betrifft, und die Bilder von Elefanten, die nur ihrer Stoßzähne wegen hingerichtet wurden, verursachen Albträume. Wir alle wissen das, viele von uns spenden reichlich Geld und arbeiten aktiv im Tierschutz mit.
Es gibt Menschen, die nichts tragen, was aus Leder hergestellt wird, und würden sich niemals so ein geschmackloses Souvenir, das aus Teilen exotischer und bedrohter Tiere besteht, in das Wohnzimmer stellen. Die meist schon recht fransigen Hirsch- und Rehgehörne – beim ersteren wohl Geweihe – die in manchen Gaststuben für Atmosphäre sorgen sollen, jagen vielen Betrachtern Schauder über den Rücken. Moder- und Gruftambiente ist nicht jedermanns Sache, Dekoration sollte erfreulich aussehen und keine dreidimensionalen Abschussmarken darstellen. Man fragt sich überhaupt, wieso manche todesverliebten Anhänger schwarzer Kerzen und dunkellila Gewändern den morbiden Reiz solcher Teile noch nicht für sich entdeckt haben – notfalls könnte man die Reliquien auch schwarz lackieren.
Aber wie auch immer, eine weit drängendere Frage ist diese: Wieso hört man keinen Aufschrei der vielen Tierfreunde in diesem Land, wenn massenhaft Viecher zu keinem Zweck als dem der Unterhaltung getötet oder gequält werden? Wir sprechen hier von denjenigen Vertretern der Tierwelt, die nicht niedlich, nicht hübsch, nicht kraftvoll oder symbolbeladen sind. Wir sprechen von Insekten, und zwar von den Vertretern, die im Rahmen einer unsagbar dämlichen Fernsehsendung die unglaublichsten Dinge durchmachen müssen. Da werden zappelnde Skorpione in den Mund genommen und Kakerlaken werden zu Hunderten über Menschen geschüttet. Man bedient sich dieser Tiere, als wären sie nichts weiter als lebende Dekorationsteile oder Requisiten – und niemand scheint sich daran zu stören.
Sieht etwa derselbe Zuschauer, der dahinschmilzt, wenn er ein niedliches Meerschweinchen oder Häschen erblickt, mit einiger Befriedigung zu, wenn Käfer oder Würmer unter sich windenden "Stars" zerquetscht werden? Es ist im Prinzip dasselbe, wenn sich kaum jemand über den in kochendes Wasser geworfenen Hummer aufregt und ihn mit Behagen verspeist – denn niedlich ist so ein Tier nun einmal nicht. Wie Froschschenkel "hergestellt" werden, ist auch bekannt – trotzdem gibt es tatsächlich Leute, die so etwas essen. Wären Frösche den Goldhamstern ähnlicher, würde diese Unsitte schon längst aus der Mode gekommen sein. Man stelle sich so ein knopfäugiges Fellbündelchen vor, dem bei lebendigem Leibe die Hinterbeinchen herausgerissen werden, das dann achtlos beiseite geworfen wird und qualvoll stirbt ... Sie verstehen was ich meine?
Es läuft darauf hinaus, dass die Kandidaten im Dschungelcamp sich so viel zum Narren machen können, wie sie wollen ... es bleibt ihnen überlassen, wie hoch sie die Wirkung der Teilnahme an dieser Unsäglichkeit auf ihre Karriere einschätzen. Aber es gibt mit Sicherheit Tausende von Möglichkeiten, sich vor der gesamten Fernsehnation zum Hanswurst zu machen – dazu braucht es keine Tiere, die dafür missbraucht werden. Es ist letztendlich auch eine Frage des Respekts vor dem Leben und der Erde – aber um den haben zu können, müsste man ihn zuallererst vor sich selbst haben. Und wer sich diese Sendung auch nur einmal ansieht, weiß, dass keiner dieser Beteiligten dazu fähig sein kann.
Verlegt solche Sendungen in die Wüste oder auf einen Gletscher, wo nicht so viel angerichtet werden kann, gebt den Kandidaten Spielsachen, und animiert sie zu irgendeinem Unsinn. Das wird auch lustig und die Tiere werden nicht mehr behelligt. Und hofft, dass niemand dieses Land nach seinen Fernsehshows beurteilt. Dass andere Länder ihre eigenen Geisteskrankheiten in solch schmierigen Sendungen ausleben, kann da kein Argument sein. Niemand muss sich an einem Wettbewerb in Sachen Niveaulosigkeit beteiligen.
© "Kuschelfaktor null für Kandidaten und Zuschauer": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Bild der Heuschrecke von Lothar Seifert.
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