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Was verstehen wir unter Intelligenz? Nun, im Wesentlichen bedeutet dieses Wort, dass man Zusammenhänge herstellen kann. Das Gehirn sammelt Informationen, das tut es für gewöhnlich rasend schnell, und nach meist kurzer Zeit hat der biologische Computer die Daten ausgewertet und verfügt über ein Gesamtbild. Welche Bildqualität da vorherrscht, ist von Terminal zu ... Verzeihung, von Mensch zu Mensch verschieden. Das gilt auch für die Färbung des fertigen Bildes.
Nun wird Intelligenz meist mit Wissen gleichgesetzt, was in der Regel ein kardinaler Fehler ist. Denn allein angehäufte Informationen bedeuten nicht, dass sie sinngemäß erfasst werden. Viele Schüler lernen den angesagten Stoff praktisch auswendig, komplett mit allen dazugehörigen Namen und Jahreszahlen, und können das im Schlaf herbeten – bis zur Klassenarbeit. Danach verschwinden diese Informationen unaufgeschlüsselt in irgendwelchen kaum benutzten Speicherbänken in den Tiefen des Gedächtnisses, werden immer weiter nach unten durchgereicht, bis sie kaum noch abrufbar sind – allenfalls als dunkle Ahnung, die irgendwann bei zufällig aufgeschnappten Schlüsselworten kurz aufdämmert.
Wissen bedeutet also gar nichts, es ist nichts weiter als ein im Speicher abgelegter Datensatz, der sich nach Erreichen eines bestimmten Zeitpunktes selbstständig löscht oder in Quarantäne verschiebt. Kann der Schüler mit den Daten absolut nichts anfangen, außer sie für einen besseren Notenschnitt temporär anzuhäufen, kann von Intelligenz nicht unbedingt gesprochen werden. Das wäre erst dann relevant, würden die neu erfassten Informationen in Bezug zu der Person und weiter in Bezug zur Gesamtsituation gesetzt werden.
Wie wir leider wissen, kann davon aber nicht immer ausgegangen werden. Wissen muss angewendet werden, sonst ist es nichts weiter als eine Ansammlung unnützer Dateien. Jeder Mensch sammelt Wissen in Form von Erfahrungen, das tut er schon im Mutterleib und von da an jede Sekunde von seiner Geburt bis zu seinem Tod. Was er damit anstellt, ist seine Sache. Nun könnte man erleichtert sagen: Intelligenz ist angewandtes Wissen, und wer mit seinem Pfund am geschicktesten wuchert, ist als intelligenter Mensch zu betrachten. Eine einfache Lösung wäre das schon und würde viele erbitterte Debatten, was dieses Thema betrifft, ein für allemal beenden – doch gleichsam als Chaospunkt kommt die Bildung hinzu.
Bildung nämlich ist eine durchaus variable Größe und hängt von allerlei Faktoren ab. Als Beispiel könnte die Tatsache gelten, dass ein Schüler der achten Klasse über mehr Wissen verfügt als ein Gelehrter des Mittelalters. Ist er deshalb nun intelligenter? Hinterfragen wir doch einmal, was der hoffnungsvolle Sprössling weiß und kommen wir wieder einmal zu dem Schluss, dass Quantität nicht Qualität heißen muss. Dass man im Schlaf so ziemlich alle technischen Daten der angesagtesten Mobiltelefone herunterleiern kann, ist in gewisser Weise beeindruckend, aber leider nur Wissen für die Zwischenablage – denn es ist spätestens in einem Jahr überholt. Das gilt auch für die Abteilung im Gehirn, die für die Topstars der jeweiligen Bravo-Ausgabe reserviert ist.
Aber davon abgesehen gilt als Bildung das, was vorgeschrieben ist – und das ist von Ära zu Ära ebenso verschieden wie von Land zu Land. Jede Generation kennt da ihre eigenen Fallgruben ... ob man nun nicht weiß, wer Hermann Hesse ist oder Justin Bieber – man wird im Allgemeinen für dumm gehalten, wenn man hinter diese Frage kein Häkchen für "richtig beantwortet" machen kann. Bildung kann für Intelligenz stehen, muss aber nicht. Man darf das nicht verwechseln ... das wäre unintelligent.
Bleiben wir nun beim dualen System. Wenn wir das Bild der Computertechnik als Beispiel heranziehen, kommen wir zur anderen Seite der Münze. Das Gegenteil von Intelligenz wäre Dummheit, welche dann zwangsläufig als nicht benutztes oder sogar als verdrängtes Wissen gelten könnte. So wäre ein Mensch unintelligent, dessen Erfahrung ihm zeigt, dass Feuer heiß ist, es als kalt bezeichnet und versucht, Eiswürfel damit herzustellen. Oder aber das Wissen, das er besitzt, nicht benutzt, um eine klare Aussage zu formulieren.
Oder, um ein noch besseres Beispiel aufzuzeigen, ein Mensch, der sich ungeprüftes Wissen Dritter zu eigen macht, gleichgültig wie hanebüchen es sein mag. Bei solchen Dummheiten kommen dann Dinge heraus wie die Einschätzung der Intelligenz anderer Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Glaubens. Es wäre vielleicht ein guter Vorschlag, eine solche logische Fehlleistung, die in einen äußerst scharfen Rechtsknick abdriftet, in Zukunft "Sarrazin'sche Kurve" zu nennen.
© "Was verstehen wir unter Intelligenz?": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Bildnachweis: Cleverer Affe, CC0 (Public Domain Lizenz).
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