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(Mai 2011) Tausende von Menschen strömten in Amerika auf die Straßen und feierten, sie fielen sich in die Arme und tanzten – was sie feierten, war das Ende ihrer Angst, nicht den Tod eines Menschen. Die Meldung, dass Osama bin Laden von einer amerikanischen Eliteeinheit getötet worden war, wirkte wie eine Befreiung.
Seit dem 11. September 2001 hatte der Terror, vor allem in Amerika, einen Namen. Nun gibt es selbstverständlich auch Stimmen, die sich nicht zu dem euphorischen Chor fügen wollen und versuchen, die Auswirkungen des Todes der al-Qaida-Ikone zu analysieren. Dass bin Laden der alleinige Führer dieser Organisation war, wurde von einigen Beobachtern schon lange bezweifelt. Manche hielten den Kaufmannssohn eher für eine Art Aushängeschild und vor allem für einen Geldgeber.
Was er auch immer war, jetzt ist er wahrscheinlich zu einem Märtyrer geworden, und das macht ihn sehr gefährlich. Wahrscheinlich mehr als zu Lebzeiten. Denn so, wie sich aus dem Nichts direkt nach seiner Erschießung Legenden bildeten – wie diese, dass er eine Frau als lebenden Schutzschild benutzen wollte oder mit einer Waffe erbitterten Widerstand leistete – so wird die andere Seite ebenso schnell ihre Mythen schaffen. Und diese werden einen ermordeten Helden kreieren, der als Vorbild für alle dienen wird, die von großen Taten träumen. Vergeltungsschläge sind jetzt Programm, und die Angst vor weiteren Anschlägen wird wachsen, in den USA ebenso wie anderswo.
Inwieweit eine Gefangennahme und damit eine Anklage möglich gewesen wäre, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geklärt – aber die Tötung war wahrscheinlich die allererste Option. Es wird nicht lange dauern, bis sich Kritiker fragen werden, ob bin Ladens Aussagen die eine oder andere unangenehme Überraschung beinhaltet hätten – sollte er tatsächlich bereit gewesen sein, zu sprechen. Die Aussage der amerikanischen Politiker, die in die Richtung geht, dass der Fall des "Kopfes" die Schlange tötet, wäre nur insoweit richtig, dass bin Laden tatsächlich der Kopf des organisierten Terrors war.
Wahrscheinlich ist aber, die al-Qaida eher als Hydra zu sehen, und zwar als eine mit unzähligen Köpfen. Und da Fanatismus immer einiges mit Macht zu tun hat, bilden sich verschiedene Strömungen innerhalb der Bewegung und werden zu verschiedenen Strängen, die sich nicht zwangsläufig gegenseitig anerkennen. Allerdings wäre es blauäugig, darauf zu bauen, dass die fundamentalistischen Gotteskrieger so mit der Nachfolgefrage beschäftigt sind, dass sie den Kampf gegen die Ungläubigen vergessen – das tun sie mit Sicherheit nicht, dafür sorgt ihre Hingabe.
Der Kampf gegen den islamistischen Terror, ob nun hier oder anderswo, hat seit dem 11. September 2001 vieles bewirkt. Der nachweislich nicht in die Vorbereitung und Ausübung der Terroranschläge verwickelte irakische Diktator Saddam Hussein wurde gestürzt und erst einmal die Kontrolle über das angeschlagene Land (ebenso über die Ressourcen) erlangt. Die Kriegseinsätze in Afghanistan ziehen sich seitdem ohne akzeptables Ergebnis hin, und in ganz Europa wird aus Angst in die Menschenrechte eingegriffen – das Schleierverbot ist erst einmal so zu werten. Es gibt erbitterte Diskussionen über Glaubensinhalte, und regelrechte Hassprediger beider Seiten versuchen mit allen Mitteln die Eskalation voranzutreiben.
Den Terror beendet hat von alledem nichts – weder die Einsätze in anderen Ländern noch die zum Teil recht absonderlichen Vorbeugungsmaßnahmen. Tatsache ist, dass in vielen Teilen der Erde stündlich Terrorakte verübt werden und dabei Menschen sterben, wie zum Beispiel in vielen afrikanischen Ländern. Dass dies nicht allzu sehr in unseren Wahrnehmungsbereich gerückt ist, könnte daran liegen, dass es niemandem nützen würde, wenn es anders wäre. Bei aller Gefahr, die von den fundamentalistischen Fanatikern ausgeht – und das tut sie in hohem Maße – sollte man sich bewusst darüber sein, dass Angst ein sehr probates Machtmittel ist, wenn sie richtig benutzt wird.
© "Osama bin Laden – Ein Wolf ist tot": Beitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011.
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