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Nichts hat in den letzten Jahren so sehr geboomt wie die neuen Religionen, die Esoterik oder auch verschiedene spirituelle Anschauungen. Spürbar war das schon in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als ein Trip nach Indien als Fahrkarte in das Nirwana galt. Die Menschen in Europa wandten sich von den großen etablierten Religionen ab und begaben sich auf die Suche nach neuen Inhalten.
Auch wenn man sich bemüht hatte, vor allem junge Menschen wieder verstärkt für die Lehren der Amtskirchen zu interessieren, gab es keine wirkliche Bewegung mehr. Rockkonzerte in Kirchen waren im Grunde nichts weiter als eine verzweifelte Geste, aber nichts lag der neuen Generation ferner als die Dogmen des Christentums. Verstärkt wurde der Buddhismus diskutiert, was ein gewisses Licht auf die Friedensbotschaft der Kirchen wirft – denn die Menschen suchten tatsächlich das, was ihnen in Aussicht gestellt wurde – sie suchten allerdings nach glaubhafteren Anbietern.
Wer auf sich hielt, reiste nach Indien oder in andere Länder Asiens, übte sich in meditativen Praktiken und unterstützte dies durch allerlei Räucherwerk. Das "Zeitalter des Wassermannes" wurde zu einem festen Begriff und war eine Art Codewort für positive Veränderungen. Natürlich wurde auf die Strömungen reagiert und Sekten schossen wie Pilze aus dem Boden. Nichts versprach so schnell und so viel Reichtum wie eine neue Religion, und tatsächlich traten gehäuft neue charismatische Gurus auf – die Kassen klingelten und der Beruf des Sektenberaters etablierte sich. Viele Menschen ruinierten ihre geistige und körperliche Gesundheit, weil ihre Suche sie in die Arme einer faschistoiden Sekte getrieben hatte.
Heute nun, über vierzig Jahre später, spielen solche Vereinigungen keine Rolle mehr, sie haben unsere Wahrnehmung sowie das Rampenlicht der Öffentlichkeit zum großen Teil wieder verlassen. Die Bühne gehört nun den neuen Vertretern der ständig Suchenden, und das ist eine völlig andere Gattung. Sie sucht ihr Heil in der Nähe zur Natur und vor allem in den Ursprüngen, den Anfängen. Das Hexenwesen erlebt eine gewaltige Renaissance, ebenso wie der Schamanismus oder retroreligiöse Strömungen. Längst vergessene Unsterbliche kommen zu neuen Ehren, so erfreut sich die nordische Götterwelt zum Beispiel größter Beliebtheit.
Es ist längst nicht mehr notwendig, eine längere Reise zu unternehmen, denn Erleuchtung gibt es praktisch vor jeder Haustür – oder besser gesagt, auf jeder zweiten Internetseite. Das Hexenwesen oder die Religion der Wicca haben ihren Stellenwert und sind eine Alternative geworden – aber davon abgesehen wiederholt sich die Geschichte immer wieder, denn viele wollen mit dem Eifer der Suchenden den schnellen Euro machen. Das Angebot ist so gut wie unüberschaubar und in den allerseltensten Fällen seriös. Möchtegern-Goden (germanische Priester), Zauberer, Schamanen und Hexen bieten mit gnadenlosem Selbstvertrauen magische Dienste an.
Dabei geht es vor allem um Rituale zur Wunscherfüllung, die angeboten werden – ob man nun Geld anziehen oder den Partner wieder zurückhaben will – es gibt für alles eine magische Hilfe. Andere bedienen sich fröhlich und mit bemerkenswerter Unbekümmertheit wahllos bei allen möglichen Quellen und bringen absonderliche Züchtungen wie "Runenschamane" oder "Engelsheilerin" zustande. Tatsächlich kreieren manche den spirituellen Wolpertinger. Ganz gleich, wie abenteuerlich es klingt: Magie verkauft sich hervorragend.
Wer einen Weg für sich sucht, der kommt um das Sammeln von Informationen wohl kaum herum. Niemand, weder ein "Baummagier" noch eine "Mondhexe", kann jemandem die ernsthafte Auseinandersetzung mit der Materie abnehmen. "Ich bezahle dich, nun sieh zu, dass du mich spirituell weiterbringst und mein Leben irgendwie ordnest" ist nie auch nur eine vage Möglichkeit gewesen. Man kann Hilfe in Anspruch nehmen, das steht außer Frage – aber kaufen kann man sich seine spirituelle Heimat nicht.
© "Wer gibt uns unsere spirituelle Heimat?": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2011. Die Abbildung zeigt ein Detail aus dem "Hexenflug auf dem Besen", eine Miniatur aus der Handschrift "Champion des dames Vaudoises" von Martin Le France aus dem Jahre 1451 (Quelle: Wikipedia, Lizenz: gemeinfrei).
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