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Gerade wenn ein re-importierter Brauch wie Halloween vor der Türe steht, gibt es Diskussionen über christliche und nichtchristliche Feste. Das völlig amerikanisierte Halloween, eigentlich nichts weiter als eine Verkleidungsgaudi für die Kinder – und zunehmend auch für die Eltern – ist so ein Stolperstein für christliche Seelsorger.
Die allermeisten machen sich zwar wenig Gedanken darüber, denn niemand hinterfragt die Bedeutung dieses Festes wirklich – aber es gibt auch andere, die zweifeln. Wirklich interessant ist nun, dass von einem neu aufkommenden Heidentum gesprochen wird.
Aber was ist nun eigentlich ein Heide? Im Allgemeinen bezeichnet man als Heiden, der einer anderen Religion angehört als der gerade gängigen, sprich: mächtigsten. Das ist, simpel ausgedrückt, die Bedeutung des Wortes. Die Kirche hat allerdings die Sache schon immer etwas großzügiger ausgelegt, denn christliche Missionare oder Eroberer waren in den zu vereinnahmenden Ländern zunächst in der Minderheit – so gesehen waren diese also die Heiden. Aber da gab es eine kleine Klausel mit durchschlagender Wirkung: denn Heide ist derjenige, der der wahren Religion nicht zugehört – in diesen Fällen dann der, welcher der Minderheit nicht angehörte. Verblüffend einfach, verblüffend effizient.
Ein Heide ist also ein Nichtgläubiger, und diese stellen hier im Land wahrscheinlich die absolute Mehrheit. Obwohl zur Zahlung des "Zehnten", also der Kirchensteuer, verpflichtet und somit Mitglied einer Amtskirche, scheint es mit dem Glauben nun nicht so weit her zu sein. Die Taufe gilt wohl eher als ein Anlass zum Familienfest denn als Aufnahme eines neuen Kirchenmitglieds.
Die Kindertaufe ist sowieso eine sehr suspekte Sache, denn die Bibel kennt das nicht. Da werden Menschen getauft, die das tatsächlich wollen – dass die Kirche dem Täufling einen Paten zur Seite stellt, der stellvertretend um die Aufnahme bittet, grenzt an Nötigung, denn die allerwenigsten netten Tanten oder Onkel, die ein Kind über die Taufe heben, wissen so richtig, was sie da tun. Rückgängig machen kann das ein so zwangsweise in die Kirche eingefügter Mensch nur mit Erreichen eines bestimmten Alters und einigem Papierkram. Die Gebühr für den Verwaltungsakt hat er zudem zu zahlen.
Scheint es der Kirche nicht um Mitglieder aus Überzeugung zu gehen, sondern um zahlende Karteigrößen? Tatsächlich werden die allermeisten Christen kaum durch einen einfachen Katechismustest kommen, geschweige denn die biblische Geschichte sehr genau kennen. Es ist mehr eine Art Gewohnheit, von der Taufe an bis zur Hochzeit – gerne in weiß und vor dem Altar. Die Brautpaare, die sich so romantisch das Jawort geben und vorher schon darüber sprechen, dass sie sich scheiden lassen, wenn es "nicht funktioniert", wissen nicht, dass sie einen Eid auf Treue bis an das Lebensende schwören und nach den Prinzipien der Kirche eine Scheidung kaum infrage kommt. Es wird nicht darüber nachgedacht – man will eben eine große Hochzeit haben ... möglichst mit allem Drumherum und Konfettiregen vor der Kirche. Oder auch Reis – was allerdings schon wieder eine heidnische Sitte ist. Es ist wie mit zwangsrekrutierten Angehörigen: Alle nehmen das nicht wirklich ernst.
Die Kirche nimmt das hin, wahrscheinlich aus alter Gewohnheit, und diejenigen, die sich scheiden lassen, zahlen trotzdem ihre Kirchensteuer. Und das tun alle miteinander – auch diejenigen, welche nur zu Taufen, Hochzeiten oder Sterbegottesdiensten in der Kirche erscheinen. Aber wahrscheinlich tut ein großer Teil der eingetragenen Christen nicht einmal das. Für viele nimmt das christliche Dogma den Stellenwert eines alten Aberglaubens ein – so wie man auf Holz klopft, um etwas Schlechtes abzuwehren. Der Unterschied besteht darin, dass an die Holzklopferei wahrscheinlich geglaubt wird.
Langsam kommt die Kirche in Bedrängnis, denn die christlichen Werte (die eigentlich kirchliche sind) werden nicht mehr automatisch mit menschlichen Werten gleichgesetzt. Das bedeutet, die Menschen arbeiten daran, ihr Gewissen selber zu verwalten. Zudem widersprechen viele Vorgaben der Kirche dem menschlichen Empfinden allzu sehr, der Widerstand regt sich da schon seit langer Zeit. Mit Blick auf andere Religionen, so wie Islam, Hinduismus oder Judentum, könnten die Kirchenoberen verzweifeln – denn auch wenn die Inhalte denen der christlichen Kirche sehr ähnlich sind, so scheinen die Gläubigen dieser Gemeinschaften ihre religiösen Pflichten weitaus ernster zu nehmen. Oder verstehen es zumindest, den Anschein zu erwecken.
Niemand verlangt tatsächlich, dass die kirchliche Weltanschauung gelebt wird – wofür man wirklich dankbar sein sollte. Die Frage ist: Wieso können wir uns den Luxus erlauben, ein längst abgelaufenes Abonnement nicht zu kündigen und immer weiterzuzahlen? Die Zeiten, in denen Kirche und Staat nicht zu trennen waren, sind lange vorbei – die Kirchensteuer sollte eine freiwillige Gabe der wahrhaft Gläubigen sein, damit entspräche sie den Lehren der Kirche, jedenfalls den meisten ihrer großen Lehrer. Wobei "groß" nicht gleichbedeutend mit "angesehen" sein muss.
Wieso die Kirche das nicht riskieren kann, liegt klar auf der Hand – aber trotzdem kann sie sich nicht zum Steuereintreiber machen, dazu hat sie keinesfalls das Recht. Wieso der Staat das unterstützt ... nun, darüber können wir das nächste Mal nachdenken.
© Text und Foto zu "Gedanken zum Heidentum und zur neuen Gläubigkeit": Winfried Brumma (Pressenet), 2012.
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