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"Sind Benimmregeln heute noch sinnvoll?", fragt sich so mancher und überdenkt die zum Teil recht komplizierten Rituale, die oft noch aus der "guten alten Zeit" stammen. Wer wen zuerst wem vorstellt ist so eine Sache, die einiges an Lernarbeit erfordern kann – und wie das nun wirklich vor sich geht, ist von Alter, Geschlecht oder Rang abhängig. Da sollten die Regeln wohl etwas vereinfacht werden – vielleicht wäre es sinnvoll, die Späterkommenden grundsätzlich den schon Anwesenden vorzustellen – Geschlecht sollte überhaupt keine Rolle spielen und der Rang selbstverständlich auch nicht. Dem Alter kann natürlich Rechnung getragen werden, denn Respekt ist hier grundsätzlich geboten. Ansonsten geht es hier einfach darum, dass Menschen miteinander bekannt gemacht werden.
Wer zuerst eine Treppe hinaufgeht oder einen Raum betritt – Dame oder Herr – sollte den Gegebenheiten überlassen werden und nicht von Regeln abhängig sein, die völlig veraltet sind. Das trifft nämlich wirklich auf viele Benimmregeln zu – nötig wären heute wohl neue Richtlinien. Allein die Sache mit den Handys oder iPhones würde Bände füllen, wenn der Freiherr von Knigge sich noch einmal an ein Gesamtwerk wagen würde. Ist es denn nicht nervig, wenn man in Gesellschaft ins Leere spricht, weil jeder auf diesen kleinen Kommunikationsmaschinen herumtippt?
Es ist kaum noch möglich, eine Meinung zu äußern, ohne dass jemand anfängt, wie wild zu tippen und dann triumphierend die eigene Sichtweise per Internet untermauert und den Minibildschirm mit den Suchergebnissen herumgehen lässt. Es ist einer entspannten Atmosphäre auch nicht sehr zuträglich, weil ein Teil der Anwesenden mehr oder weniger laut vor sich hinkichert, weil man sich gegenseitig lustige Video-Clips zeigt, während ein Gespräch geführt wird. Spricht irgendjemand die Scherzkekse darauf an, erntet er erstaunte Blicke – wenn überhaupt eine Reaktion erfolgt. Wahrscheinlich wird ein Kommunikationsversuch nur noch wahrgenommen, wenn er über das iPhone oder zumindest per SMS gestartet wird.
Beim Autofahren ist das Telefonieren verboten – leider nur da. Es wäre eine schöne Idee, es in einem Restaurant, oder auch den Fußgängern, ebenfalls zu verbieten. Natürlich gibt es Fälle, in denen man erreichbar sein muss – aber ein entspanntes Essen in schöner Atmosphäre zu unterbrechen, indem man hektisch in der Handtasche oder dem Jackett nach dem Bimmelding sucht, nur um von jemandem zu hören, dass er die falsche Nummer angewählt hat, ist mehr als nur störend. Und wenn so ein Teil neben dem Teller mit der Vorspeise liegt, braucht es gar keinen Ton von sich zu geben, um die Stimmung zu kippen.
Wer zu einer Feier oder Party eingeladen hat, sollte diese Teile besser noch im Flur einsammeln. Ausgenommen natürlich, wenn es richtige Gründe für das Telefonieren gibt. Der Babysitter ruft an oder sonst etwas Wichtiges – das ist kein Thema. Aber sich stundenlang mit Kumpels per Handy zu unterhalten oder Statements im sozialen Netzwerk zu posten ist eigentlich ein Zeichen für Desinteresse an allem, was gerade real geschieht und kann somit als Beleidigung gesehen werden. Wer den Nerv hat, so etwas zu tun, zeigt, dass er die Menschen um ihn herum nicht wirklich wahrnimmt und dass er nicht gerade ein Gewinn für die Party ist.
Wer sich so benimmt, ist von der Angst gebeutelt, dass er etwas verpassen könnte – ebenso, wie von der Unfähigkeit, etwas direkt und ohne zwischengeschaltetes Medium wahrzunehmen, was bedeutet, dass er völlig überfordert von der Aufgabe ist, sozial zu interagieren. Das Grapschen nach dem Mini-Terminal, das mit dem Internet verbunden ist, stellt wahrscheinlich so etwas wie Nägelkauen oder Fußwippen dar – es beruhigt und vermittelt Sicherheit. Menschen, die diese Dinger benutzen, um Suchtverhalten zu verlagern, sind daran zu erkennen, dass sie am iPhone nuckeln oder das Handy im Aschenbecher ausdrücken.
Man sollte darüber nachdenken, ob man nicht das Schaffen von iPhone- und handyfreien Zonen anregen sollte. Kreative Menschen mit emotionaler Intelligenz wären dort so richtig unter sich.
© "Handyterror: Mein großer Bruder iPhone ist immer dabei": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2012. Illustration: Thomas Alwin Müller, littleART.
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