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Menschen, die Tiere lieben, gelten als sozialverträgliche und freundliche Zeitgenossen, was sich vor allem auf Hundehalter bezieht. Das stimmt zu einem großen Teil auch, allerdings gibt es auch hier mehr oder weniger große Unterschiede. Wer öfter mit einem Hund unterwegs ist, lernt mit den Jahren so einige Spielarten der Hundeliebhaber kennen – und da sind manche gewöhnungsbedürftig.
Da gibt es den Leibwächtertypen, der seinen Hund mit sanfter bis erkennbarer Gewalt von allen anderen Lebewesen fernhält. Es handelt sich meist um verbissen dreinschauende Menschen, die sich so verhalten, als fürchteten sie eine Art von Bazillenübertragung, wenn ihr Hund in die Nähe von Hunden oder Menschen kommt. Sie rucken öfter auch hart an der Leine, um Lumpi näher an sich heranzuholen, sobald sich auf der gleichen Straßenseite ein Individuum nähert. Es geht nicht darum, dass der Hund jemanden belästigen könnte – oft handelt es sich nämlich um sehr kleine Tiere. Hier heißt es einfach: "Bleib weg von allem und jedem, du brauchst das genauso wenig wie ich."
Da Hunde überaus soziale Wesen sind, gehört das Beschnuppern und Kennenlernen anderer Leute oder Hunde einfach zu ihrem Leben. Die Wirkung auf ein solchermaßen eingeengtes Tier kann man sich vorstellen – aber vielleicht hat sich der Hund ja an das wohl eher freudlose Zusammenleben mit seinem einzigen sozialen Kontakt gewöhnt und erwartet nicht besonders viel vom Leben. Solche Leute kann man auch nicht auf ihr Verhalten ansprechen – sie verweigern jedes Gespräch.
Gerade das Gegenteil stellen die Menschen dar, die sich über jede Gelegenheit zum Plaudern über ihren Lumpi freuen und es lieben, wenn er gestreichelt und bewundert wird. Sie sprechen von ihm, als sei er ein geschätztes Familienmitglied – was er wohl auch ist in diesem Fall – und sind stolz darauf, wenn die Bewohner des ganzen Viertels stehenbleiben, um ein paar Worte mit Frauchen/Herrchen oder dem Hundchen zu wechseln.
Die glücklichen Hunde solcher Leute genießen den Bürgerstatus und werden als gleichberechtigte Einwohner betrachtet. Der Erkennungsruf dieser Hundefreunde lautet etwa: "Ja guck einmal wer da kommt – die liebe Frau Meier, ja da freust du dich aber, gelt?" Oder auch: "Ja schau, da kommt der Rexi – jetzt begrüß ihn aber lieb." Und Hundchens Schwanz bricht fast ab vor Wedeln – schließlich hat dieser Vierbeiner noch nie schlechte Erfahrungen gemacht. Jeder kennt ihn, jeder liebt ihn und sogar Hundehasser verkneifen sich einen Kommentar. Bei Angriffen auf den geschätzten Vierbeiner würde der sonst so nette Besitzer allerdings auch sehr überrascht reagieren – und die Welt nicht mehr verstehen. Denn ein solcher Hundebesitzer liebt nicht nur seinen Hund, sondern alle Hunde und Menschen auch.
Besonders interessant sind Hundehalter, die gar nicht wissen, dass sie einen Hund haben. Sie schwadronieren bei den ausgewählten Kontakten im Park ausnahmslos über ihr Tier, das meist über einen Stammbaum verfügt. Hunde, die einen solchen nicht haben, werden ignoriert – und solche Vierbeiner, die anderen Rassen angehören, werden zwar wahrgenommen, aber nicht als akzeptabel angesehen. Ein solch ausgemachter Leinensnob wird alles, aber auch wirklich alles über die Hunderasse, die er sich erwählt hat, wissen – aber nichts über seinen Hund.
Stößt dem Tier etwas zu, dauert es nicht sehr lange und ein neuer, dem Vorgänger bis aufs durchgezüchtete Haar gleichender Hund ist wieder im Park mit dabei. Womöglich aus einer noch besseren Zuchtlinie und absolut pokalverdächtig. Tatsächlich sind diese Hunde nicht sehr kontaktfreudig – sie wissen, dass das nicht gut aufgenommen wird am anderen Ende der Leine. Bewundern darf man sie, den endlosen Monologen des Halters zuhören darf man auch – sich ihnen nähern darf man nicht. Diesen Tieren fehlt es an nichts, was Pflege und Haltung betrifft – aber wahrscheinlich können sie von Menschen, die mit ihnen Bällchen spielen oder gar auf dem Boden herumrollen und Rangeln, nur träumen. Vielleicht wird der Hund, sobald man daheim ankommt, auf ein Podest geschickt und angewiesen, in Starre zu verfallen. Bis zum nächsten Ausgang.
Die zwanghaften Ausbildungsanhänger bevölkern so manche Gassirouten, es sind Hundehalter, die aus irgendeinem Grund eine militärische Laufbahn knapp verfehlt haben. Sie halten ihren – meist großen – Hund völlig korrekt an der Leine, die Nase des Tieres befindet sich etwa zehn Zentimeter vor dem linken Knie. Ein Hund wird links geführt, das weiß jeder, der Ahnung hat. Die rechte Hand muss zur Selbstverteidigung frei bleiben (für Linkshänder gilt das entgegengesetzte Prinzip). Geht Hasso nun einige Zentimeter voraus, weil es vielleicht da unter dem Holunderbusch so interessant riecht, gibt es einen harten Ruck an der Leine. Hund und Herr laufen umher wie ein Werbeplakat für eine Militärschule.
Man hört diese Art von Leinenführern schon, bevor man sie sieht – denn sie bellen im kurzen Abstand immer wieder das Wort "Fuß" heraus – damit Hasso auch ja nicht um eine Zentimeterbreite ausschert. Belohnt wird diese Plackerei mit einem Hund, der ebenso ein Roboter sein könnte. Egal, wie unsinnig ein Befehl auch sein mag – er gehört nun mal zur Ausbildung. Jedwede Eigeninitiative des Vierbeiners wird im Keim erstickt. Ein Befehlsempfänger auf vier Beinen ist er und austauschbar. Was Herrchen/Frauchen damit dokumentieren will, ist nicht so genau zu erklären. Wahrscheinlich geht es um eine tief sitzende Angst – vor allem, was zivilen Charakter hat.
Der überängstliche Typ ist daran zu erkennen, dass er seinen meist sehr winzigen Hund auf den Arm nimmt (wörtlich zu verstehen) und ihn so in Sicherheit zu bringen sucht, sobald in der Ferne ein anderer Hund auftaucht. Dieser Hundehalter geht davon aus, dass alle anderen Hunde von einem erbarmungslosen Killerinstinkt besessen sind. Deren Halter fühlen sich als Bestienbändiger und sind beleidigt, weil sie schließlich keine Killermaschinen an der Leine führen, sondern allenfalls einen gut erzogenen Schäferhund oder einen Mittelpudel. Nun wird jeder gesunde Hund versuchen, das andere Hundchen eingehend zu beschnuppern, was bedeutet, dass sie ein wenig auf die Hinterbeine gehen müssen. Der ängstliche Hundehalter wertet das sofort als Angriff und beginnt zu zetern, sein Hundchen fühlt sich über die Situation erhaben (da es ja auf dem Arm sitzt) und geifert drauflos.
Der fremde Hund und sein Halter können nur noch den Rückzug antreten, denn falls Bello das nicht auf sich sitzen lassen will, kann es zu Kampfhandlungen kommen – und somit genau zu der Situation, die Herrchen/Frauchen vermeiden wollte. Diese Leute lassen außer Acht, dass jeder gesunde Hund in gewisser Weise sozial interagiert und ein kleiner Hund nicht einfach angegriffen wird, WEIL er klein ist. Rottweiler und Yorkshire Terrier, die zusammen über die Wiese wetzen und sich austoben, sind keine Wunschvorstellung, sondern Hundealltag ... wenn man sie lässt. Übrigens wird der große Harras sich den kleinen Frechling wahrscheinlich wirklich vorknöpfen, wenn er ihn auf dem Boden erwischt. Denn der hat jede Anstandsregel verletzt, weil er sich so sicher auf dem Arm seines Halters gefühlt hat. Dem überängstlichen Typen etwas über das natürliche Verhalten von Hunden zu erklären, ist nicht möglich. Er haut ja sofort ab.
Bei manchen Zeitgenossen hat er auch durchaus Grund dazu – nämlich beim stellvertretenden Rambo-Syndrom. Dieser Hundehalter hat meist ein sehr kompaktes, muskelbestücktes Tier an der Leine. Im Idealfall (wie er das sieht) handelt es sich um einen so genannten Listenhund. Das Tier ist meist harmlos, was der Halter tunlichst zu vertuschen sucht, indem er den Hund mit dem obligatorischen Leinenruck und einer gebrüllten Beleidigung von allen anderen Passanten zurückreißt. Irgendwann wird der Hund – je nach Veranlagung und Intelligenz – diesen schmerzhaften Eingriff in sein Wohlbefinden den Vorübergehenden zuschreiben und so böse werden, wie es Herrchen/Frauchen gerne hätte. Dann allerdings wird er gegen einen anderen Hund ausgetauscht, denn am meisten Angst hat nun mal der Besitzer.
Diese Art der Leinenhalter erkennt man am wiegenden Gang und dem aufmerksam vorgereckten Hals – es könnte ja jemand entgegenkommen, der sich zur Einschüchterung eignet. Diese Hundehalter wären – schöben die Bestimmungen da nicht Riegel vor – an den überkreuzten Patronengurten über dem Hemd erkennbar und an dem locker an der Hand baumelnden Schlüssel für den Panzer. Da dies auf Schwierigkeiten stößt in unserem Land, weichen sie leider auf Hunde aus. Das dürfen sie.
© Textbeitrag "Hundehalter – eine kleine Typenlehre": Winfried Brumma (Pressenet), 2012. Illustration: Thomas Alwin Müller, littleART.
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