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(April 2012) Viele Fernsehzuschauer kennen Herrn Rach, den sympathischsten Koch der Nation. Eigentlich ist er ja so etwas wie ein berufsmäßiger Gutmensch, der Herr Rach – er hilft, wo er kann und er bietet seit neuestem jungen Zweit- bis Drittstartern eine berufliche Chance. Aber ... Rach, der Restauranttester hat auch eine dunkle Seite, oder sollte man sagen, dass er einfach die Tatsachen des Lebens kennt und akzeptiert?
In der letzten Sendung nämlich zog der Initiator von "Rachs Restaurantschule" mit seinen Schülern als Jagdgesellschaft durch den Wald, um hautnah bei der Beschaffung des leckeren Wildbrets, das sich so publikumswirksam zubereiten lässt, dabei zu sein. Die jungen Leute sind alles andere als begeistert, auch dann nicht, wenn ihr Lehrherr und Gönner begeistert fragt beim Aufbrechen eines erlegten Tieres: "Seht ihr, wie das noch dampft?" Die Schüler sehen es und wünschen sich wohl weit fort. Obwohl ihnen Herr Rach eigentlich den Respekt vor der Natur beibringen wollte.
So manch einer fragt sich, was am Dokumentieren eines Teiles der Nahrungsbeschaffung so falsch ist – schließlich gehört das Schlachten zum Essen – moderne Jägerei ist nichts anderes (denn das Wild hat ebenso wie das Schlachtvieh keine Chance). Das kann keiner bestreiten – aber tatsächlich gehört eine Treibjagd nicht zum Unterrichtsstoff für Köche. Übrigens muss auch in der Schule kein Hauswirtschaftsschüler einem Huhn den Hals umdrehen.
Falsch ist viel an der Art, wie wir die Dinge, was unsere Nahrung betrifft, ansehen. Die verpackte und manchmal sogar in putzige Herzchenformen geschnittene Wurst hat für den Konsumenten nichts mit einem Schwein zu tun (Lästerer sagen, dass das verpackte Zeug auch nicht viel mit Wurst zu tun hat). Man denkt einfach nicht daran – es sieht appetitlich aus und schmeckt hervorragend auf dem Brötchen. Kinder lieben Würstchen, aber auf dem Bauernhof mit Kuschelfaktor in den Ferien lieben sie auch die kleinen Schweinchen. Und das geht nicht nur Kindern so, wir sind der Nahrungsbeschaffung eigentlich völlig entwöhnt. Richtig ist das nicht, denn der Bezug ist verloren gegangen. Dasselbe gilt natürlich auch für das Ernten von Getreide – dieser Vorgang ist den meisten Leuten beim Essen der Cornflakes nicht bewusst. Der ganze Kram, den wir essen, könnte auch aus Algen bestehen – wir sind sehr weit weg von der Basis, sozusagen.
In früheren Zeiten war das völlig anders – ob es besser war, ist Ansichtssache. Allerdings gab es keine Massenhaltung, bei der Tiere unter grausamsten Bedingungen gehalten, ebenso höllisch transportiert und in riesigen Tötungsstraßen verarbeitet wurden. Die Jagd war immer blutig – aber es ging doch ein wenig mehr von gleich zu gleich. Die Chancen waren zwar auch nicht gerecht verteilt – aber Präzisionsgewehre gab es keine, dafür war es riskanter für die Jäger. Heute könnte man in Pantoffeln einen Braten schießen, selbst wenn es sich um Schwarzwild handelt.
Und genau da liegt der Fehler, genau da ist der Punkt, an dem sich die Haare sträuben bei dieser Episode von Rachs Restaurantschule. Denn diese Art der Jagd mag sein, wie sie will – respektvoll ist sie nicht. Das Getue der Jäger mit ihren Ritualen, das angeblich das Wild ehren soll, ist bloße Pose. Ein Tier mit solch einer Waffe auf größte Distanz zu töten ist eher eine zynische Angelegenheit – da hat jeder Bauer, der ein Huhn von Hand schlachtet, wohl mehr Ehre. Außerdem hat er das Tier wahrscheinlich großgezogen und unter Umständen sogar gut gehalten. So etwas gibt es nämlich durchaus. Jenseits von den gigantischen Nutzgeflügelfarmen jedenfalls.
Wer Fleisch essen will, weiß, dass dafür Tiere getötet werden. Dagegen kann man nicht argumentieren. Und es ist auch korrekt, zeigt man das auf – Köche sollten darüber Bescheid wissen. Aber eine öffentliche medienwirksame Schau daraus zu machen – das ist nicht weit weg von der Übertragung einer Hinrichtung im Fernsehen im Detail. Hier ging man auf Quotenfang und mal wieder über Leichen, oder besser gesagt: über Wildragout.
© "Sternekoch Rach lehrt uns Respekt vor der Natur": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2012. Illustration: Thomas Alwin Müller, littleART.
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