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Während man mal eben nachsieht, wie viele Anrufe in "Abwesenheit" auf dem Handy angezeigt werden, dringen Geräusche aus dem Wohnzimmer, die Schlimmes ahnen lassen. Tatsächlich gibt es wieder den gewohnten Streit um die Fernbedienung – denn wer die hat, ist der Meister des Programms und natürlich auch der heiligen Feierabendstätte.
So ein Streit kann eine erstaunlich hohe Dezibelzahl erreichen, weswegen es bei vielen ruheliebenden Eltern pro Kind einen Fernseher gibt – einen in jedem Kinderzimmer. Dort kann jeder kleine Despot auf dem flachen Teil herumtippen, wie er möchte und stört niemanden damit. Außer natürlich in den Ausnahmefällen, in denen die Batterien leer sind und neue organisiert werden müssen – unter den Kindern entbrennt ein kurzer, aber heftiger Kampf darum, bis jemand ein Machtwort spricht und einen Satz Akkus herausrückt – meistens also ein Elternteil.
So oder ähnlich geht es in vielen Familien zu. Die Fernbedienung ist zu einem äußerst wichtigen Element geworden – vor allem, da man manche TV-Geräte und vor allem DVD-Player kaum noch manuell bedienen kann – selbst, wenn man es wollte. Das kommt zwar selten vor – wenn zum Beispiel die Fernbedienung irgendwo zwischen Gerät und Couch verschollen ist – aber tatsächlich wäre es ganz moderat, wenn irgendjemand dafür aufstehen müsste. Das allerdings hätte wahrscheinlich prompt einen Minikrieg zur Folge.
Am 20. Mai 2012 verstarb der Erfinder dieses nicht mehr aus dem Haushalt wegzudenkenden Feierabendmodules – der Amerikaner Eugene Polley – im Alter von 96 Jahren. Er baute die erste kabellose Fernbedienung, die in den USA schon in den 1950er-Jahren verkauft wurde. Hierzulande musste man noch sehr viel länger aufstehen, aber das kam eigentlich nur selten vor. Außer dem Ein- und Ausschaltknopf ging es im höchsten Fall noch um die Lautstärke – ansonsten konnte man sitzenbleiben. Schließlich gab es damals keine Kanäle, über die man hätte zappen können. Man schaltete den Fernseher ein, und das war es dann. Es gab sogar einen Programmschluss, was heutzutage kaum noch einer weiß: spätestens um Mitternacht war Schluss und nur Testbildfans blieben vor dem Gerät sitzen.
Heute gibt es unzählige Kanäle, für jeden Geschmack und für jede Sparte. Fernsehen ist zu einer Art Fastfood geworden, zu einem Schnellimbiss in Sachen Information und Unterhaltung. Damals, als es noch sehr wenige Kanäle gab, hatte das Fernsehen noch etwas von Kino: man versammelte sich vor dem Kasten und sah sich einen Film an. Von Anfang bis Ende blieb man dabei – außer denjenigen, die sofort einschliefen, wenn der Titel über den Bildschirm flimmerte. Man plante praktisch noch das Menü – diese Art des Konsumierens war zielgerichteter. Heute zappt man über unzählige Kanäle, lässt Fragmente von Werbespots, Spielfilmen, Shows und Nachrichten auf sich niederprasseln, bevor man sich für eine Sendung entscheidet. Das allerdings nur, um dann dabei zu telefonieren oder mal schnell zu gucken, wer gerade etwas Interessantes gepostet hat in der Lieblingscommunity.
Seit den Tagen, da die Fernsehzuschauer lässig von der Couch aus auf eines der drei Programme umschalten konnten und sich dabei fühlten wie die Schneekönige, hat sich ungeheuer viel verändert. Nicht nur zum Besten, aber auch nicht nur zum Schlechten. Obwohl Kritiker schon damals das Fernsehen verteufelten, hatten diese frühen Jahre mehr mit Lesen zu tun, als man annahm. Man konzentrierte sich auf eine bestimmte Sache, sah sie sich von Anfang bis Ende an. Man aß also den ganzen Apfel auf und biss nicht eine ganze Kiepe davon an, nur um sie dann liegenzulassen. Schade eigentlich – aber wie immer man darüber denken mag, Eugene Polleys Erfindung ist ein schönes Beispiel dafür, wie an und für sich simple, kleine Dinge die Welt nachhaltig verändern können.
© Text und Foto zu "Mister Polley und der Krach im Wohnzimmer – Der Streit um die Fernbedienung": Winfried Brumma (Pressenet), 2012.
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