|
"Mode ...", so hat Konrad Lorenz in seinem Buch 'So kam der Mensch auf den Hund' geschrieben, "... ist das dümmste aller dummen Weiber." Nicht gerade schmeichelhaft für Frauen, aber es betrifft wohl alle Geschlechter.
Äußerst direkter hat es Erich Kästner in seinem Gedicht "Sogenannte Klassefrauen" präzisiert. Wann es nun wirklich angefangen hat – das Vortäuschen nicht vorhandener Normen – kann nur vermutet werden. Aber irgendwann bastelte die Spezies Mensch sich eine Art Skala zusammen, auf der jeder beliebig abgehakt werden konnte, sobald einige Punkte nicht stimmig waren.
Vor nicht allzu langer Zeit musste man auf die Tricks der Rosstäuscher zurückgreifen, um dem gerade angesagten Ideal zu entsprechen, also ausstopfen hier, flachdrücken da und einflechten anderswo. Man kann natürlich mit Farbe sehr viel machen, keine Frage – aber eben nicht alles. Unsere Gegenwart nun ist das Paradies für Fälscher – die nicht so gut betuchten Leute nehmen Photoshop, um die Beine länger, das Lächeln strahlender, den Bauch flacher und die Haut glatter zu machen. Wer es sich leisten kann, geht eben zum Chirurgen. Das alles gehört zum Lifestyle und regt niemanden auf – jeder kann schließlich mit seinem Körper machen, was er will.
Was daran stört, ist das, was Erich Kästner in seinem Spottgedicht gemeint haben könnte, als er das krankhafte Modebewusstsein so beschrieb. Selbstquälerische Accessoires gehören seit dem Schnürmieder ja selbstverständlich dazu. Oder sieht jemand Schuhe mit acht Zentimeter hohem Absatz als bequemes Schuhwerk an? Dazu kommen Piercings an allen, wirklich allen erdenklichen Stellen – bei manchen Liebhabern dieses Körperschmucks fragt man sich, ob die Träger durch die elektronischen Flughafenkontrollen kommen mit all dem Metall. "Das hat doch nicht wehgetan" hört man dann, wenn man tatsächlich fragt, wie lange dieses hübsche Perlchen im Nabel oder der Brustwarze für Unbehagen gesorgt hat. Das mit der Brustwarze ist bei dünnen Shirts sichtbar – man braucht nicht am FKK-Strand zu sein, um so etwas zu sehen. Piercings an Stellen, die sich südlich von der Brust befinden, sollen hier nicht groß erwähnt werden. Nun sind Liebhaber von metallenem Körperschmuck auch gar nicht gemeint mit "dem dümmsten aller dummen Weiber", sondern die gnadenlosen Überwacher des "Geht gar nicht".
Was gar nicht geht, ist zum Beispiel Natürlichkeit in irgendeiner Weise (außer die akribisch aufgeschminkte). Und dazu gehören scheinbar vor allem Haare. Öffentlich diskutiert wird da zum Beispiel die Schambehaarung. Glaubt man den Leuten, stellen die glatten oder gekräuselten Löckchen eine fürchterliche Gefahr für die Gesundheit dar. UNHYGIENISCH ist das Wort dafür. Wobei angemerkt werden sollte, dass nicht jeder Mensch, der sich nicht die Intimgegend rasiert, schmutzig ist. Das eine hat mit dem anderen sogar überhaupt nichts zu tun. Wer darauf besteht, bezichtigt alle Männer und Frauen vor diesem Modediktat der Ungepflegtheit – was ich persönlich als äußerst diskriminierend empfinde. Wer auf sich hält, zeigt sich glatt wie ein Kleinkind, was an und für sich schon bedenklich ist.
Erwachsene Menschen haben nun einmal Schamhaare – die kann man stutzen, in schicke Muster trimmen und die Farbe variieren, sogar Schmuck einflechten. Marilyn Monroe hat sich ihre sogar blond gefärbt. "Ich will mich überall blond fühlen", soll sie dazu gesagt haben. Die Schöne muss eine extrem unempfindliche Haut gehabt haben – denn die Färbemittel dieser Ära waren ziemlich aggressiv. Wie auch immer – schmutzig war sie wohl nicht, die Sexgöttin Hollywoods.
Die Intimrasur ist eine persönliche Sache – dass sie mittlerweile zum absoluten Muss avanciert, stimmt bedenklich. Zwar sind die meisten Menschen dafür – aber es gibt einige, die es nicht unbedingt als stimulierend ansehen, wenn sich ein Erwachsener mit völlig blankem Genitalbereich zeigt. Es erinnert an Kinder, hat mir ein Mann gesagt und lehnt das ab. Er erzählte weiter, dass er auf die Antwort, dass Frauen früher ja auch sauber waren, obwohl sie nicht rasiert waren, folgende Antwort bekam: "Wir haben schließlich nicht mehr 1945." Da hatte sich doch tatsächlich die Dummheit – also die Modekönigin selber – in das Gespräch eingemischt.
Was aber wirklich beängstigend klingt, ist die Tatsache, dass – da ja nun nichts mehr von Haardreiecken verdeckt – alles völlig sichtbar ist und damit wiederum den angesagten Normen unterliegt. Die Schönheitschirurgie hat eine neue Sparte – was früher nicht unbedingt ins Auge fiel, muss nun ebenso angepasst werden wie ein Doppelkinn oder eine schiefe Nase. Man geht nur hundertprozentig perfekt miteinander in den Clinch. Da kann man froh sein, dass Erich Kästner das nicht erleben musste.
Ja und eben dieser Mann sagte noch: "Stellen Sie sich doch vor, dass das, was sonst bis zum Duschen an den Härchen war, jetzt auf der Haut ist ... widerlich."
Da kann ich wiederum nur sagen: "Wo er recht hat, hat er recht."
© Textbeitrag "Goldenes Dreieck oder Krankheitsrisiko": Winfried Brumma (Pressenet), 2013. Bildnachweis: Illustration langes Haar, CC0 (Public Domain Lizenz).
Archive:
Jahrgänge:
2022 |
2021 |
2020 |
2019 |
2018 |
2017 |
2016 |
2015 |
2014 |
2013 |
2012 |
2011 |
2010 |
2009
Themen:
Rezensionen |
Krimi Thriller |
Ratgeber |
Sagen Legenden |
Fantasy Mythologie
Noch mehr Bücher lesen (Werbung):
Fantasy & Science Fiction
| Krimis & Thriller
| Ratgeber
| Reise & Abenteuer
Sie schreiben anspruchsvolle Romane und Erzählungen? Wir suchen neue Autorinnen und Autoren. Melden Sie sich!
Wenn Sie die Informationen auf diesen Seiten interessant fanden, freuen wir uns über einen Förderbeitrag. Empfehlen Sie uns auch gerne in Ihren Netzwerken. Herzlichen Dank!
Sitemap Impressum Datenschutz RSS Feed