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5. Januar. Heute, beim Einkaufen, wünschte mir die Kassiererin ein frohes neues Jahr. Ich war etwas überrascht, eigentlich hatte ich das schon vergessen. Die ersten Tage des Januars bieten, wenn man Glück hat, etwas Erholung von diesem Feier-Marathon, den man hinter sich hat. Alles geht wieder seinen gewohnten Gang, mit einigen Änderungen hier und da.
Silvester war laut, so wie immer. Die Fernsehsendungen dazu waren seicht, auch wie immer. Als man noch ein Kind war, glaubte man, das neue Jahr zu fühlen – etwas ganz, ganz Neues. So wie Einwickelpapier, das frisch von der Rolle kommt und noch nicht angeknittert ist. Dass es sich dabei nur um das Ende des Rechnungsjahres handelte, wusste man ja nicht. Weihnachten war eine magische Sache damals, der Silvesterabend auch. Je nach Region gab es die traditionellen Gerichte, und man konnte es kaum erwarten, raus zu kommen und unter der elterlichen Kontrolle diese Dinger zu zünden. Später durfte man auch alleine, wenn man älter war. Heute sind Feuerwerke für manche eher ein Ärgernis – für Hundehalter zum Beispiel oder Leute, die grundsätzlich vor Mitternacht schlafen gehen. Es gibt ja auch Menschen, die an diesen Jahresendfeiertagen arbeiten müssen.
Aber mit den Jahren breitet sich eine Ernüchterung aus, so ein: "War's das wieder?" Vor dem Weihnachtsfest kam man kaum zur Ruhe vor lauter Vorbereitungen, die aus Kaufen, Verpacken, Lebensmittel hamstern, Dekorieren und Einladungen aussprechen bestanden. Eigentlich will man es immer "schön" haben an so großen Feiertagen – man steigert sich oft in eine Erwartungshaltung regelrecht hinein. Und dieses angespannte und nackensteifige "das muss jetzt aber harmonisch und wunderschön werden" lässt nichts Gutes erwarten im Falle einer Enttäuschung.
Es heißt, dass nach den Weihnachtsfeiertagen sehr viele Scheidungen eingereicht werden – und wahrscheinlich liegt es tatsächlich an dieser Harmoniepflicht, der sich alle widmen. So viel Arbeit, so viel Stress und Hetzerei für zweieinhalb Tage. Die sind ganz schnell vorüber – und auch wenn "zwischen den Jahren" alles ein wenig langsamer angegangen wird, wo es möglich ist, sind auch Silvester und der Neujahrstag sehr schnell vorbei. Dann wird der Glanz von buntem Stanniol, die Lichterketten und die ganzen Engel und Weihnachtsmänner noch etwas belassen ... wenn es auch Pragmatiker gibt, die sofort "abräumen".
Aber die Magie ist vergangen, sollte sie tatsächlich da gewesen sein. Denn gerade, weil man so unglaublich hohe Erwartungen an das "Fest der Feste" hat, reagiert man wahrscheinlich weitaus sensibler auf jede Störung ... auf das allerkleinste Anzeichen, dass einem die Vorstellung vom wunderschönen Weihnachten "weggenommen" wird. Das ist kein Wunder, denn irgendwie will man ja auch belohnt werden für den unermüdlichen Einsatz und die ganze Rennerei, Backerei und alles, was dazugehört. Aber diese Sensibilität für Störungen ist der Grund für die vielen Streitereien unterm Weihnachtsbaum oder bei der Silvesterbowle. Es läuft ganz einfach darauf hinaus, dass wir viel zu viel erwarten.
In den letzten Jahren wurden in den Geschäften immer früher die Weihnachtssachen in die Regale geräumt – das ging soweit, dass Leute in kurzen Hosen und Sandalen vor Engeln und Lametta standen. Das riesige Geschäft mit der Harmonie und dem Glitzerkram steigert sich immer mehr. Wer sich darauf einlässt, kann nur enttäuscht werden. Man kann das, was dieses Fest ausmachen sollte, eben NICHT kaufen.
Kaum sind übrigens die Christstollen aus den Märkten verschwunden, wackeln schon die Schokohasen verkaufsfördernd mit den Ohren. Man sollte diese "Pawlowsche Reaktion" beim Anblick der saisonbedingten Kaufgebote unter Kontrolle bekommen. Wir sehen Osterhasen und Marzipaneier, und schon beginnt im Kopf der von der Industrie eingepflanzte Chip zu arbeiten: "Ostern? Meine Güte ... ich muss an den Hausputz denken, die Eier einkaufen, Schokolade für Besucher horten, Geschenke besorgen, Einladungen verschicken oder annehmen ..." Es wird einem schwindlig. Bei Weihnachten und Silvester ist es ebenso – und die Ernüchterung ist Teil des Programms.
Sinnvoll wäre es hier, sich folgendes zu überlegen: selbst bei mehreren Feiertagen wird es KEINE Lebensmittelknappheit geben. Exzessives Einkaufen ist völlig unnötig. Und Geschenke sind nicht das Allerwichtigste.
Stellen Sie sich weiterhin vor, es gäbe keine Werbung und keine Verkaufsgondeln mit diesem ganzen Kram. Betrachten Sie die Feiertage als mehrere aufeinander folgende Ruhetage. Tun Sie genau das, was Ihnen dazu einfällt ... die freie Zeit und die Stimmung genießen. Das kann ein der Tradition folgendes, völlig stressfreies Fest sein – aber auch Kino, Sauna, Wanderung, Ausgehen, Lesen und alles, wozu man sonst nicht kommt.
Vermeiden Sie Stress und tun Sie es das nächste Mal einfach.
© "Jahreswechsel – und schon wieder ist alles vorbei": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2013. Bildnachweis: Feuerwerk, Lizenz: gemeinfrei, Public Domain.
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