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Wenn zuweilen eine gewisse Art von trüber Langeweile über mich kommt und ich wirklich und wahrhaftig nicht weiß, was ich noch anklicken oder über welches Fernsehprogramm ich mich noch aufregen könnte, wende ich mich an irgendjemanden, den ich kenne und frage so ganz nebenbei: "Spielst du Schach?" Fast könnte ich das erschreckte Augenaufreißen genießen, aber da ich weiß, was es bedeutet, stimmt es mich irgendwie traurig.
Schach gilt, wie ich erstaunt gelesen hatte, als Sport. Und es wird in großem Stil in Vereinen betrieben. Das mag ja stimmen, obwohl ich das mit dem Sport so nicht wirklich glauben kann – aber wieso spielt niemand Schach, so wie man einen Film ansieht oder Münzen in einen Automaten wirft? Viele meiner Bekannten glauben, es handele sich um eine Art Geisteswissenschaft dabei und fürchten sich geradezu. Dabei stimmt es nicht: Schachspielen ist nicht besonders schwer. Ich persönlich sehe mich mit den Pokerregeln eher überfordert – die kann ich mir nur eine begrenzte Zeit merken und vergesse sie dann wieder.
Wie man Schach spielt, weiß ich. Ich habe es ziemlich früh gelernt, oft gespielt und es nie zur Virtuosität gebracht. Ein eher mittlerer Spieler ist aus mir geworden, aber einer, der Spaß an der Sache hat. Verlieren ist mir egal, es kommt mir eher auf den spannenden Mittelteil an.
Früher fand ich viele "Gegner", Schulfreunde und andere Kumpel – Schachspielen war etwas Normales. Heute scheint es eher angstlastig zu sein. Wahrscheinlich glaubt jeder, dass man einen Intelligenzquotienten an der Grenze zum Genie haben muss, um damit zurechtzukommen. Wenn ich anbiete, schnell zu erklären, wie es geht (man kann die Regeln schnell erklären), werden abwehrend bis entsetzt die Köpfe geschüttelt.
Ich frage dann meist: "Kannst du Mühle spielen?" Das können die meisten – ich allerdings nicht. Egal wie ich das angehe, mein Gegner hat immer zuerst eine Mühle und kassiert fröhlich Spielstein auf Spielstein. Ich habe – und das kann ich beschwören – kaum jemals im Leben ein Mühlespiel gewonnen. Eigentlich noch nie. Das glaubt mir keiner – jeder denkt, dass Mühle sehr viel einfacher ist. Und dass ich vermutlich gar nicht Schach spielen kann, wenn ich an Mühle scheitere. Dabei bin ich auch ein sehr mäßiger Damespieler.
Oder nehmen wir Halma. Das liebe ich geradezu – blamiere mich aber grundsätzlich. Wie toll ich hätte springen können, sehe ich immer erst dann, wenn ein anderer Spieler meine Figuren benutzt, um seine Schäfchen ins Trockene zu bringen. Dann ist es zu spät und ich bin der Einzige, der praktisch noch in der Mitte festhängt mit seinen kleinen Spielmännlein. Ich kann nur das schnelle Erfassen der Chancen bewundern, das ich bei den anderen sehe. Mein Mitspieler muss schon sehr unkonzentriert sein, damit ich eine Chance habe. Irgendwie bin ich da überfordert.
Und solche Leute, die auf dem Spielplan zum Tiger werden, mögen nicht Schachspielen – wollen es nicht einmal lernen. Dabei ist Schach ein Abenteuerspiel. Jede Partie ist anders – es wird nicht langweilig. Man braucht keine Würfel, und "Glück" spielt keine Rolle. Ein Spiel ist transportabel, kann überall aufgestellt werden und funktioniert ohne Strom. Schachcomputer gibt es natürlich auch – aber das hat nichts zu sagen – man kann schließlich sogar Monopoly auf dem PC spielen. Ja, und für Ästhetiker gibt es wundervolle Figuren und Bretter. Von ganz einfach bis hin zu ausgearbeiteten Figuren ist alles zu haben.
Für Turniere bin ich weder gut genug, noch habe ich die Zeit, um zu trainieren – aber ein Spiel hin und wieder wäre doch sehr schön. So wie manche Leute gerne am Wochenende Schafkopf oder Canasta spielen, kann man das auch mit dem Spiel der Könige – aber das glaubt keiner. Und ich stoße entweder auf Profispieler oder Leute, die Angst vor Schach haben. Sehr schade – aber es soll ja ganz tolle neue PC-Programme geben.
© "Schach der Langeweile. Das Spiel der Könige": Textbeitrag und Foto von Winfried Brumma (Pressenet), 2013.
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