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Dialekte sind etwas, das dem territorialen Empfinden zugehörig ist. Eigentlich ist sie ja verpönt, die Mundart der jeweiligen Region. Wer frühzeitig den Wert einer "Interlingua", also einer allgemein verständlichen Sprache erkennt und in diesem Falle das Schriftdeutsch verwendet, sieht sich allerdings schnell dem umgekehrten Effekt ausgesetzt. In den Köpfen der Mundartler hält sich nämlich hartnäckig ein Vorurteil, welches besagt, dass "Hochdeutsch" sprechende Bürger sich für etwas Besseres halten.
Das hat möglicherweise etwas mit dem Wortteil "hoch" zu tun – also im Sinne von unten und oben. Solches Deutsch spricht also nur ein "Höherer" oder jemand, der sich dafür hält – und das Volk bringt solchen Leuten nun einmal ein gewisses Misstrauen entgegen.
Das allgemeine Deutsch verdanken wir, wie es heißt, zu einem nicht unbeträchtlichen Teil dem Reformator Luther. Dieser stand vor dem Problem, seine Bibelübersetzung in ein Deutsch zu fassen, das jeder im Lande verstand – und das wird nicht einfach gewesen sein – denn so etwas wie eine deutsche Sprache mit allgemein gültigen Regeln gab es nicht wirklich. Also leistete der tapfere Übersetzer noch ein wenig mehr Arbeit und verband die vielen Idiome des Landes zu einer Sprache, die allen etwas sagte.
Zwar wurde früher in der Schule – heute leider zunehmend weniger – grundsätzlich Schriftdeutsch gesprochen, jedenfalls was die Lehrer anbelangt, doch schlug man sich mit dieser ersten Fremdsprache oftmals widerwillig herum, um nach Schulschluss zum breitesten Idiom der Gegend zurückzukehren. "Vom Herzen auf die Zunge", hieß es dann und wurde gerne "vertümelt". Lokalpolitiker, die ihre Sache mit leichter oder weniger leichter Dialektfärbung vertreten, werden entweder nicht ernst genommen oder wegen ihrer Volksnähe geliebt. Vor allem von den Lokalpatrioten.
Die Herabsetzung des Dialektes hat ihre Wurzeln darin, dass man Mundart mit mangelnder Bildung gleichsetzte und das immer noch tut. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass geistiges Vermögen ohne jede Sprache auskommt und Gedanken erst einmal – da nämlich, wo es Dinge schafft, bevor sie ausgesprochen werden – im Kopf entstehen. Ideen haben erst einmal keine Sprache, und Schlussfolgerungen auch nicht.
Der Nationalheilige, Geheimrat von Goethe, soll ja recht kräftig gesächselt haben – was seiner Sprachgewalt in Gedichten und Dramen kaum geschadet hat. Eine große Idee, ein bewegender Gedanke wird nicht weniger durch Dialekt – ebenso wenig wie Blödsinn durch gestochenes Schriftdeutsch plötzlich zu geistiger Meisterleistung mutiert – Bundestagsdebatten sind da durchaus als Anschauungsmaterial geeignet, was diese Theorie betrifft.
Niemand wird dadurch zum Idioten, weil er Dialekt spricht – aber so mancher macht sich dazu, weil er weder zu seinem Idiom steht noch das Schriftdeutsche beherrscht. So entstehen zuweilen putzige Kreuzungen, die sich zwar lustig anhören, aber tatsächlich kaum ernst genommen werden. Dialekt ist nichts, wofür man sich "genieren" muss – aber Schriftdeutsch hat eben auch seine Berechtigung.
Ein Landsmann aus dem äußersten Süden, der den äußersten Norden bereist, wäre wohl verloren ohne diese allgemein verständliche Sprachregelung. Allerdings könnte man sich mit Englisch behelfen ... das passt mittlerweile auch zum Dialekt.
© "Mei is des cool – Gedanken über die Sprache": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2013. Bildnachweis: Bleisatz, CC0 (Public Domain Lizenz).
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