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Die Malerin Margret Hofheinz-Döring schuf zeitlebens rund neuntausend Bilder. In ihrer einzigartigen experimentellen Strukturmalerei übermalte sie Stoff-Collagen und sogar Bilderrahmen. Überregional wurde sie besonders durch mehrere Bilderzyklen zu Goethes Faust bekannt, die sie in den unterschiedlichsten Techniken ausführte.
Die ehemalige Deutschlehrerin und Autorin Jutta Schöps-Körber lässt in ihrer Erzählung einige Episoden aus dem Leben der 1994 verstorbenen Malerin wieder aufleben.
Vier Jahre später trat Margret Döring zum letzten Mal aus der Eingangstür der Kunstakademie. Wie beim ersten Mal blieb sie stehen, atmete durch.
"Hallo, Margret!" Die junge Frau drehte den Kopf. Ein Student winkte ihr zu. Er stand ein paar Schritte von ihr entfernt. Sie errötete.
"Hallo, Fritz!" Sie ging zu ihm.
"Meine Glückwünsche zur bestandenen Prüfung."
Margret strahlte ihn an.
"Danke!" Gemeinsam gingen sie die Straße vor der Akademie entlang.
"Und, was willst du nun machen?", begann Fritz ein Gespräch, "Reisen? Nach Italien? Oder nach München? Vielleicht nach Weimar, eine Hochburg für Künstler." Das Leuchten, das eben noch auf Margrets Gesicht gewesen war, verschwand im selben Augenblick.
"Geht nicht."
"Wieso?"
Margret schwieg.
"Was ist los? Willst nicht darüber sprechen? Mensch Margret, wir haben zusammen studiert, wir kennen uns nun schon so lange, ich dachte, du magst mich."
"Schon", bekannte die junge Frau, "aber ich muss Geld verdienen. Weißt, mein Vater ist vor zwei Jahren gestorben und die Witwenrente für meine Mutter ist nicht sehr groß. Meine kleine Schwester hat deswegen das Gymnasium abgebrochen und macht eine Ausbildung zur Sekretärin. Ich kann unmöglich meiner Mutter noch länger auf der Tasche liegen."
"Was willst du dann machen? Doch nicht etwa die Kinder fremder Leute bändigen und sie an die Kunst heranführen wollen?", fragte Fritz, der wusste, dass Margret Kunsterziehung auf Lehramt studiert hatte. "Wirst du denn eine Stelle als Gymnasiallehrerin finden? Es gibt doch Einstellungsstopp für Lehrer."
Margret zuckte die Schultern.
"Ich kann's nur probieren und hoffen."
"Ach, Mädle!" Fritz blieb plötzlich stehen, riss sie an sich und küsste sie rasch auf den Mund. Dann meinte er:
"Ich bleibe auch nicht auf der Akademie." Margret sah ihn überrascht an.
"Warum nicht? Dir ist das Studium doch so wichtig."
"Tja, wenn sich aber Kunst und Politik verbrüdern --- um studieren zu können, müsste ich in den NS-Studentenbund. Nein, nie!" Er war heftig geworden. Margret schwieg nachdenklich.
"Was willst Du stattdessen machen?", fragte die junge Frau schließlich.
"Ich werde eine private Zeichenschule eröffnen."
"Da kannst du mich als Lehrerin anstellen", machte sie Spaß.
"Sobald sie läuft ... – Jetzt muss ich los. Wir bleiben in Kontakt. Und vergiss nicht: Nur wenn Du malst, lebst Du!"
In den Jahren, die nun kamen, lebte Margret Döring nicht einmal, sondern vegetierte nur. Durch den Einstellungsstopp bei Lehrern fand sie keine Arbeit und hatte somit kein Geld für Farben und Leinwand. Nur vereinzelt entstanden Bilder. Doch dann kam der letzte Tag im März 1936 und Post vom Kultministerium.
"Mama!", schrie Margret "ich habe eine Stelle, eine Stelle, ich werde unterrichten, in Schramberg, bloß eine Vertretung, aber immerhin!" Überglücklich zog sie sich in ihr Zimmer zurück. Das Schreiben in der Hand haltend plumpste sie auf ihr Bett. Was für ein Glück! Endlich frei sein!
Doch diese Freiheit endete bereits drei Wochen später und noch schlimmer, sie wandelte sich in Zwang. Alles, was Margret bekam, waren Vertretungen. Eine Stelle jagte die andere, es lohnte nicht einmal, mehr als das Allernötigste an persönlichen Sachen mitzunehmen, so rasch folgte ein Wohnungswechsel auf den anderen. In zwei Jahren waren es acht.
"Weißt du, wie schrecklich das ist, Mama? Überall fühle ich mich fremd, an meinem Wohnort, bei den Schülern", klagte Margret ihrer Mutter an einem Wochenendbesuch.
"Das wird auch irgendwann mal besser, glaub' mir. Vielleicht triffst du einen netten Studienassessor und heiratest. Dann können die dich nicht mehr quer durchs Ländle schicken."
+ + +
Die junge Lehrerin befolgte den Rat ihrer Mutter und heiratete im Juli 1939 den Studienassessor Herbert Hofheinz. War es Liebe oder war Margret nur des Herumziehens müde? Jedenfalls war der Rat von Ida Kerkovius vergessen, sich nicht an einen Mann zu hängen, nicht, wenn sie künstlerisch tätig sein wollte.
Der 2. Weltkrieg brach aus.
Herbert wurde eingezogen.
Tochter Brigitte wurde geboren.
Der Krieg endete.
Herbert kehrte aus der Gefangenschaft zurück und hoffte auf ein geregeltes Leben an der Seite seiner Ehefrau Margret.
Für Margret als Künstlerin war die Falle zugeschnappt. Sie konnte nicht mehr malen, denn in den ersten Nachkriegsjahren fehlte das Geld für Malutensilien. Den Schuldienst hatte sie unvorsichtigerweise aufgegeben als sie schwanger geworden war.
Statt den Pinsel in leuchtende Farben zu tauchen und ihn über die Leinwand fliegen zu lassen, musste sie sich um ihre Kleine kümmern, die sie natürlich liebte, den Haushalt führen, tun, was ihr Mann von ihr erwartete und in dem kleinen Garten, der glücklicherweise zur Wohnung gehörte, die Beete umgraben und Gemüse anbauen.
Sie war Mutter, Ehefrau und Hausfrau. Aber keine Künstlerin mehr.
Ob sie sich dabei frei fühlte und glücklich?
Oder eingeengt und traurig?
© "Die Malerin (Zweiter Teil: 1934)" – eine Erzählung von Jutta Schöps-Körber, 2012
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