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(28.02.2017) Am gestrigen Montag wurden zwei junge Männer vom Berliner Landgericht des Mordes für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt. Sie haben sich auf dem Berliner Ku'damm ein Autorennen geliefert, dabei mehrere rote Ampeln mit 160 km/h überfahren und dadurch schließlich einen unbeteiligten Mann getötet.
Was die beiden Verurteilten getan haben, ist ohne jeden Zweifel in höchstem Maße unverantwortlich, rücksichtslos und verachtenswert. Das sehe ich keinen Deut anders. Auch gehört den Angehörigen des Mannes, den die beiden auf dem Gewissen haben, mein uneingeschränktes Mitgefühl.
Ich bin aber nicht nur entsetzt von der ganzen Tragik, die dieser Fall ausgelöst hat, sondern auch davon, wie die Öffentlichkeit und Politik auf das Urteil reagiert, das zumindest aus meiner Sicht ein klassisches Fehlurteil ist.
Der Paragraf, der in unserem Strafgesetzbuch definiert, wann ein Mörder ein Mörder ist, lautet: "Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet."
Man braucht kein Jurist zu sein, um zu erkennen, dass hier die Richter ordentlich übers Ziel hinausgeschossen sind. Weder hat die beiden jungen Männer Mordlust, noch ein unkontrollierter Geschlechtstrieb oder Habgier angetrieben, noch sind sie heimtückisch vorgegangen oder bewusst grausam. Bis heute galten Autos gemeinhin auch nicht als gemeingefährliche Mittel, und schließlich gab es in dem Prozess auch überhaupt keinen Anhalt dafür, dass die beiden versuchten, eine andere Straftat durch ihr Handeln zu ermöglichen oder zu verdecken.
Die beiden waren schlicht von völligem Übermut gepackt, der offensichtlich unheilvoll verstärkt wurde durch einen völligen Mangel an Eigenverantwortung und der Fähigkeit, die Folgen des eigenen Handelns im Voraus einzuschätzen. Sie haben dadurch in höchstem Maße fahrlässig gehandelt mit der tragischen Folge, dass ein Mensch sein Leben verlor. Sie haben ihr illegales Autorennen aber nicht mit der Absicht gestartet, jemanden zu töten, also zu ermorden. Auch für diese Feststellung muss man weder Rechtsanwalt noch Richter sein, sondern einfach nur den äußerst klar und einfach verständlich gefassten Gesetzestext lesen, der da in Paragraf 222 unseres Strafgesetzbuchs, der die fahrlässige Tötung regelt, lautet: "Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Schlimm genug, wenn von einem deutschen Gericht ein Fehlurteil gesprochen wird und das in einem so bedeutenden Fall. Wirklich schlimm wird es aber für mich, wenn ein derartiges Urteil von den Medien und der Politik völlig unreflektiert aufgenommen und bejubelt wird. Nur weil es dem eigenen Gerechtigkeitsempfinden entspricht, wird dieses Urteil sachlich und juristisch betrachtet noch nicht Recht! Ich halte es für einigermaßen unverantwortlich von all den Politikern, eifrig in den recht-so-Kanon einstimmen, weil sie merken, wie gut es bei der Bevölkerung (den Wählern) ankommt, wenn sie hier lautstark verbal nachtreten.
Wir leben in einem Rechtsstaat und in diesem gilt und muss gelten: Vor dem Gesetz ist jeder gleich.
Nur weil eine Tat in ihrer spezifischen Ausprägung besonders grausam oder abscheulich ist, muss dafür trotzdem das Strafmaß eingehalten bleiben, das das Gesetz hierfür vorsieht.
Man kann sicher der Ansicht sein, dass derartige illegale Autorennen und ihre Folgen härter bestraft werden müssen. Dem kann auch ich einiges abgewinnen. Dann muss dies aber unbedingt nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geschehen. Die vom Volk gewählten Parteien müssen in dem dafür vorgesehenen parlamentarischen Verfahren ein entsprechendes Gesetz verabschieden, das diese härteren Strafen vorsieht. Daran haben sich dann die Richter zu halten, die in einem solchen Fall ein Urteil sprechen sollen.
Das sollte nicht nur, sondern muss eigentlich all den Politikern klar sein, die sich heute eifrig zu Wort gemeldet und teilweise regelrecht darüber ereifert haben, wie gut, wichtig, bedeutend und richtungsweisend dieses Urteil ist.
Ich hoffe hingegen, dass dieses Urteil gerade nicht richtungsweisend ist, denn es würde in eine Richtung weisen, die gänzlich wegführt von unseren rechtsstaatlichen Grundsätzen, die aus meiner Sicht unveräußerlich sind, egal wie stark auch immer das menschliche Gerechtigkeitsempfinden in kollektiver Verstärkung und Bestätigung einen danach trachten lässt, den Verbrecher seiner als gerecht empfundenen (!) Strafe zuzuführen.
Zu Ende gedacht hat dieses Urteil sogar all denjenigen einen Bärendienst erwiesen, die nach härteren Strafen für die illegalen Raser rufen. Denn es ist aus meiner Sicht keineswegs davon auszugehen, dass sich in zukünftigen ähnlich gelagerten Fällen noch mehr Richter finden lassen, die ein derart überzogenes Urteil fällen werden. Es handelt sich also vorliegend um einen Einzelfall, der für eine gewisse Zeit Genugtuung und den Eindruck verschafft, dass hier ausreichend hart genug durchgegriffen wird. Gibt es doch ungewollt all denjenigen Raum, die eine notwendige Verschärfung der gesetzlichen Grundlagen zur Ahndung solcher illegaler Autorennen infrage stellen.
Aller Voraussicht nach wird im Wege der Revision dieses Urteil vom Bundesgerichtshof korrigiert werden auf das Strafmaß, das das Gesetz in diesem Fall vorsieht – und solange das geltende Gesetz keine andere bzw. höhere Strafe zulässt, ist das auch gut so. Ob es gut so ist, dass illegale Straßenrennen lediglich eine Ordnungswidrigkeit darstellen, kann und muss wohl auch diskutiert werden, aber eben durch den Gesetzgeber, der übereifrigen Richtern für ein Fehlurteil nicht auch noch öffentlich applaudieren darf.
© Foto-Essay "Die neue Definition von Mord" – Textbeitrag und Fotografien eines leerstehenden Gerichtsgebäudes: Autor Christian Sünderwald ... Weitere Texte mit Fotomaterial präsentiert der Chemnitzer Kunst- und Architekturfotograf via Facebook.
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