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In Frankreich ist man – wie wohl in ganz Europa – geteilter Meinung über den Gesetzentwurf, der für allzu dünne Models das Berufsverbot bedeuten würde. Die einen begrüßen einen solchen Schritt, die anderen halten das für einen zu großen Schnitt in die Rechte des Einzelnen (Quelle: spiegel.de).
Was nun die Rechte des Individuums angeht, betrachten wir doch einmal die Szene. Einige Modeschöpfer schicken mit Haut überzogene Skelette auf den Laufsteg, an denen die sündhaft teuren Fähnchen weniger wie Kleidung, sondern eher wie mühsam balancierte Fetzen aussehen. Das hat längst keinen ästhetischen Wert für den Betrachter. Der Hüftschwung, den die gut gedrillten Mädchen über den Catwalk bringen, ist eigentlich keiner – es sollte als das gesehen werden, das es ist: ein mühsames Verschieben der Beckenknochen, um die Illusion eines geschmeidigen und erotischen Ganges aufrechtzuerhalten.
Natürlich könnte man einwenden, dass die jungen Frauen das alles freiwillig tun und für ihre Gesundheit selbst verantwortlich sind. Und genau hier greift das Argument gegen dieses grausame Diktat.
Keine einzige dieser Frauen tut sich das in letzter Konsequenz freiwillig an. Denn wenn sie auf dem Laufsteg bleiben und ihre Position bei den Bookings halten will, muss sie sich grausam minimieren durch Hunger, Verzicht und wohl auch mit Hilfe von chemischen Mitteln. Ein Körper, der aussieht wie ein Opfer eines Konzentrationslagers kurz vor dem Tod, ist nicht ohne Tortur zu bekommen. Verstehen wir uns richtig: diese Mädchen sind nicht schlank oder vielleicht dünn – sie sind gefährlich unterernährt.
Wer für manche Designer laufen will, muss sich also sehr viel antun, um diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Die Eigenverantwortung dem Leben und der Gesundheit des Körpers gegenüber wird völlig ausgeschaltet. Die Frauen reduzieren sich bis auf das Skelett, um einen Wahn auszuleben, der nicht einmal der eigene ist.
Die Modedesigner wehren sich entschieden gegen den Gesetzentwurf. Nicht etwa, weil sie befürchten, in Größe 36 könnte ein Fähnchen schlechter aussehen als in Größe 34. Das ist es durchaus nicht. Was hier gefürchtet wird, ist der Machtverlust. Ein Mann kann hier hunderte von Frauen dazu zwingen, ihrem Körper jedes Attribut der Weiblichkeit abzuhungern. Sicherlich sind die Mädchen per definitionem durchaus noch weiblich – jedenfalls aus biologischer Sicht. Aber auch nur danach. Was da über den Steg der Träume wandelt, krallt die Skelettfinder krampfhaft an etwas, das längst nicht mehr aus dem eigenen Wollen kommt, sondern ein Selbstläufer geworden ist, der auf den Abgrund zurennt.
Das klingt aber sehr dramatisch? Wer jemals etwas mit Magersucht zu tun hatte, mit dieser besessenen Liebe zur Grenznähe des Todes, findet das nicht dramatisch, sondern beängstigend.
Die Modeschöpfer designen nicht nur die Kleider, sie designen auch die Körper der Models. Sie tun genau das, was ein Feeder – also ein besessener Fütterer – seinem Opfer antut: sie genießen die Macht über einen Menschen. Ein Feeder mästet seine Feedee, bis sie bewegungsunfähig und somit irgendwann zum Pflegefall wird. Sie nimmt das an, scheinbar freiwillig, aus einem Gefühl nach Geborgensein und der Sicherheit heraus. Die Models tun dasselbe für ihre Karriere. Wobei anzumerken ist, dass das "Feeden" als psychische Störung betrachtet wird. Das systematische Krankmachen junger Frauen ist allerdings nicht mit einem Tabu belegt – noch nicht.
Da die Models kaum noch ihre Lage realisieren und sich wahrscheinlich mit knöchernen Händen und Füßen gegen dieses Gesetz wehren, muss an der Wurzel angesetzt werden. Wenn ein Mannequin ein gewisses, erträgliches Gewicht haben muss, um arbeiten zu können, verlieren die Modekaiser ihre Macht über sie.
Mädchen, die gerade eben mit der Pubertät begonnen haben, hungern sich ernsthaft krank, weil sie das Schönheitsideal des extrem Untergewichtigen für erstrebenswert halten. Wer heute keinen "Thigh Gap" hat, hält sich für zu fett. Ein Thigh Gap ist die Leere zwischen den Oberschenkeln. Wer da nicht mehr locker einen Gymnastikball durchreichen kann, ist out. Es gibt sogar Übungen dafür.
Also fassen wir zusammen: es gibt keinen vernünftigen Grund für die extrem dünnen Models. Die Modellkleider hängen an und über ihnen, als ob es Drahtbügel wären und keine Menschen. Warum also pochen die Designer so auf die hyperschlanken Frauen auf dem Steg? Wohl kaum aus Gründen der Ersparnis in Sachen Stoffzuschnitt. Also muss es einen anderen Grund geben, und dieser ist vermutlich nichts anderes als Macht. Einem Heer von Frauen ihre Körper und ihre Selbstbestimmung zu nehmen und billigend in Kauf nehmen, dass sie ernsthaft krank werden, kann nur durch Freude an der Macht erklärt werden.
Dass niemand ein Mädchen zwingt, Model zu werden, ist als Gegenargument untauglich. Jeder hat Träume, und die meisten tun etwas für die Verwirklichung. Dass die Mädchen das Recht an ihrem Körper verlieren, dass er nicht mehr ihnen gehört – das realisieren sie zu spät oder gar nicht. Wenn niemand von diesem Todestanz lassen will, dann muss das Gesetz greifen.
© Textbeitrag "Frankreichs Vorstoß für die Frauen": Winfried Brumma (Pressenet), 2015. Bildnachweis: Illustration Mode Modelle, CC0 (Public Domain Lizenz).
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