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Eine Gruppe von Schülerinnen eines Eliteinternats verschwindet nach einem Wochenendausflug spurlos. Die örtliche Polizei steht vor einem Rätsel.
Kriminaloberrat Tinus Geving – neuer Ermittler beim Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt – wird daher mit Ermittlungen betraut, die zunächst nicht mehr sind als bloße Routine. Doch schon bald wird der neue Ermittler in ein Geflecht aus Macht, Politik und Intrigen verwickelt, das weit über die eigentlichen Ermittlungen hinausgeht und ihn mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert.
Der 532-seitige Politthriller "Mitten im kalten Winter" liegt als Taschenbuch und E-Book vor ist und bei Knaur erschienen.
Es dauerte einige Minuten, sich Zugang zur Hütte zu verschaffen. Zunächst musste der Besitzer ausfindig gemacht werden. Erst als klar war, dass dieser nicht rechtzeitig genug kommen könne, ohne die weiteren Arbeiten wesentlich in die Länge zu ziehen und nach dessen Einverständnis konnte die Tür geöffnet werden. Minuten, die Geving wie Stunden vorkamen.
"Chef, die Hütte ist offen", meldete Henneberg.
Mit einladender Geste wies Grünwald ins Innere. "Nur herein, Geving. Es ist Ihre Ermittlung."
Der quittierte es mit einem "Na, dann wollen wir mal."
Geving, Grünwald und Vogel betraten die Hütte. Der Staatsanwalt wies Geving erneut darauf hin. "Ich behalte Sie im Auge, wir bewegen uns auf dünnem Eis. Also bauen Sie bitte keinen Mist."
Die Hütte selbst besaß zwei Etagen und war entgegen ihrem äußeren Erscheinungsbild im Inneren recht geräumig. Das Trio stand sofort nach Betreten im Wohn- und Essbereich, welcher in der Raummitte von einer Treppe geteilt wurde, die in die Gästezimmer der zweiten Etage führte. Rechts davon befand sich die Küche und auf der linken Seite die Essecke. Der vordere Bereich war mit gemütlichen Polstermöbeln ausgestattet, die sich um einen Kaminofen gruppierten, welcher sich – und das war recht ungewöhnlich – von der Eingangstür aus betrachtet in der linken Ecke befand.
"Ganz schön kalt hier", stellte Polizeirat Grünwald fest. "Sonst fällt mir nichts auf. Ihnen, Geving?"
"Bis jetzt nicht. Ordentlich scheinen sie ja zu sein. Der Abwasch steht gespült im Becken." Staatsanwalt Vogel stand erst unschlüssig in der Mitte des Raumes, sah sich nach allen Ecken um und fragte schließlich: "Wie kalt mag es hier drin sein?"
Da kam Geving eine Idee. "Das ist eine gute Frage. Eine, die wir rasch klären können. Wir sollten auch einen Anhaltspunkt erhalten, seit wann diese Hütte verlassen ist." Geving bog in die Küche ab, Grünwald und Vogel folgten ihm.
"Moment, was machen Sie da?", rief Vogel etwas panisch.
"Keine Angst", so Geving. "Eine volle und ungeöffnete Flasche Mineralwasser." Geving öffnete die Flasche. Zum Erstaunen von Grünwald und Vogel gefror das Wasser in Sekundenschnelle zu Eis.
Grünwald ließ ein leises Pfeifen der Anerkennung vernehmen. "Na, das nenne ich mal 'nen Zaubertrick!"
"Physik, meine Herren, Physik", entgegnete Geving. "Das Wasser in der Flasche hatte bereits eine Temperatur unter 0 Grad C. Man nennt das unterkühlt. Als ich die Flasche öffnete, setzte die Kohlensäure Gasbläschen frei, wodurch es zum Druckabfall kam. Dadurch wurde dem Wasser erneut Wärme entzogen. Zusammen genommen löste das die schlagartige Kristallisation aus."
Vogel gestand: "Erstaunlich, wirklich erstaunlich! Aber was beweist uns das?"
Geving führte seine Überlegungen weiter aus. "Wir verzeichnen seit Tagen Außentemperaturen von unter -10 Grad C. Wenn wir davon ausgehen, dass die Hütte bei normaler Zimmertemperatur verlassen wurde und diese Temperatur auf einen Wert gefallen ist, der sogar Mineralwasser zum Gefrieren bringt, so müssen wir davon ausgehen, dass die Gruppe seit über 24 Stunden nicht mehr hier war. Eher 36 Stunden. Und sollte ich eine pessimistische Schätzung abgeben müssen, würde ich sogar auf 48 Stunden gehen."
"Verdammte Scheiße", fluchte Grünwald.
Danach nahmen sie sich die obere Etage vor. Vier kleine Zimmer mit Etagenbetten und ein Gemeinschaftsbad. Doch auch hier wurden sie nicht fündig. Mit Ausnahme eines Laptops im Zimmer des Tutors. Aber der war tabu.
Ratlos ging der Kriminaloberrat im Mittelflur auf den Polizeirat zu. "Nichts. Bei Ihnen?"
"Negativ", zuckte Grünwald mit den Schultern. "Die Damen sind wohl mit leichtem Gepäck gereist. Es hängen keine Jacken und Winterschuhe hab ich auch keine stehen sehen. Zumindest wissen wir, dass sie nicht überstürzt aufgebrochen sind."
In diesem Moment kam Henneberg die Treppe hochgelaufen. "Verzeihung, aber die Bereitschaftspolizei ist eingetroffen."
Grünwald wandte sich an ihn. "Danke, Henneberg."
Geving seufzte. "Gehen wir runter. Hier können wir doch nichts erreichen."
Das Bild, welches sich Tinus Geving beim Verlassen der Hütte bot, war durchaus beeindruckend. 80 Mann, verteilt auf vier Züge standen bereit wie zum Fahnenappell. Er ging auf den Hundertschaftsführer zu, der korrekt Meldung machte. "2. Einsatzhundertschaft der Bereitschaftspolizei angetreten. Wir erwarten Ihre Anordnungen, Herr Kriminaloberrat."
Geving positionierte sich in etwa der Mitte zwischen den Zügen. "Also gut, ich mache es kurz für Sie. Sie alle wissen, warum Sie hier sind. Seit über 24 Stunden werden sechs Schülerinnen aus dem Gymnasium Kloster Eichenburg sowie ein Lehrer vermisst. Noch sind uns die Personalien der in Frage stehenden vermissten Personen unbekannt. Gehen Sie aber davon aus, dass es sich um junge Frauen im Alter zwischen 17 und 18 Jahren handelt. Gehen Sie weiter davon aus, dass die vermissten Personen nicht alleine, sondern in der Gruppe unterwegs sind. Viele von Ihnen kennen dieses Gebiet genauso gut wie ich, nämlich gar nicht. Polizeirat Grünwald wird daher jedem Zug einen ortskundigen Beamten der Revierstation Erzhütte zur Seite stellen. Das sollte Ihnen die Suche etwas erleichtern. Bisher haben wir keine Hinweise auf ein Verbrechen gefunden. Sie sollten aber noch etwas wissen: Die Schätzung von 24 Stunden ist optimistisch, gehen Sie von bis zu 48 Stunden aus. Wir sind also zwei volle Tage im Rückstand. Was bedeutet das für die vermissten Personen: Bei diesen Witterungsbedingungen kann ein Mensch nach 3-4 Tagen verdursten, nach 8 Tagen verhungern. Treten Hunger und Durst gemeinsam auf – und wir wissen nicht, ob die Gruppe verproviantiert war – droht nach ebenfalls 3-4 Tagen, eher nach fast exakt 3 Tagen der Tod durch Erfrieren. Uns bleiben 24 Stunden. Zeit ist ein Luxus, den wir nicht haben. Gehen Sie daher aufmerksam vor und melden Sie jedes kleine Detail, so unwichtig es auch erscheinen mag. An die Arbeit!"
Es geschah. Geving wandte sich an den Revierkommissariatsleiter. "Grünwald, übernehmen Sie bitte die Suchaktion. Ich möchte mal in diesem Kloster Eichenburg ein wenig auf den Zahn fühlen. Warum haben die uns eigentlich noch nichts geschickt? Merken die nicht, dass die unsere Arbeit behindern?"
Vogel lachte zynisch. "Eichenburg. Ganz heißes Pflaster. Wir sollten hier nicht länger rumstehen, ich erkläre es Ihnen unterwegs. Ohne amtliches Schreiben erreichen Sie da gar nichts. Ich werde mit dem Ermittlungsrichter telefonieren, aber ich befürchte, für das gute Stück müssen wir uns direkt nach Kreisstadt bemühen."
Geving nickte. "Dann mal los. Ich möchte Namen, Gesichter, Hintergründe. Alles, was uns irgendwie weiterbringt. Grünwald, Sie kommen hier klar?"
"Wünsche viel Glück. Brauchen wir auch. Der Wald ist groß. Im Umkreis gibt es mehrere Höhlen und Hochmoore. Wenn sie da reingeraten sind, dann gute Nacht! Hier oben schlägt auch das Wetter recht ordentlich um. Wären nicht die Ersten. Was sich der Berg erst einmal nimmt, gibt er so schnell auch nicht wieder raus." ...
© Dem Autor Arvid Heubner danken wir herzlich für diese Leseprobe und die Abbildung des Buchcovers.
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