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Suppen sind in gewisser Weise ein Kulturgut. Oder zumindest eine Erinnerung an Omas Küche. Als es noch keine großen Imbissketten gab, aber dafür fast eiserne Essregeln, war der Eintopf am Samstag praktisch Pflicht. Linsen-, Bohnen- oder Erbseneintopf mit Einlage wie Bauchfleisch oder Würstchen gehörten mindestens einmal pro Woche dazu. Deftige Gerichte waren das, sättigend und irgendwie ein Symbol für "daheim".
Vor dem Sonntagsbraten mit den handgemachten Klößen oder den Spätzle gehörte die Suppe allerdings genauso dazu. Rindfleisch- oder Markklößchen-Suppe mit Gemüse machte das Sonntagsessen perfekt.
Große Firmen entdeckten das Lieblingsessen vieler Deutscher für sich und verkauften heimisches Suppengefühl für die Eiligen. Und dann waren die Regale voll mit platzsparenden Tütchen, die sich in die Brust warfen und Titel trugen wie Champignon-Creme-Suppe, Tomaten- oder Rindfleischsuppe. Das Zeug musste eigentlich nur in kochendes Wasser geschüttet und umgerührt, ansonsten etwas beobachtet werden. Und dann waren alle glücklich.
Nach der Bekömmlichkeit fragte man damals nicht – Hauptsache, es ging schnell.
Heute fragt man nach den Inhaltsstoffen und ist dann zuweilen sehr erstaunt. Die schnellen Mahlzeiten aus der flachen Tüte sind irgendwie nicht das, was sie zu sein scheinen. Da gab es vor einiger Zeit die Analyse eines Verkaufsschlagers, Rindfleischsuppe mit extra viel Gemüse. Was allerdings drinnen war, in der Tüte, war absolut kein Fleisch, sondern Malz-Extrakt. Der sorgt nämlich für das deftige Geschmackserlebnis. Und das "extra viel Gemüse" waren getrocknete Karotten ... nicht einmal ein Gramm.
Fassen wir also zusammen: in so einer hochstaplerischen Tüte befinden sich Geschmacksverstärker – entweder künstliche oder natürliche. Dazu kommen Fette und chemische Haltbarmacher. Nicht zu vergessen die Farbstoffe und andere Dinge aus dem Labor. Künstliche Phosphate zum Beispiel.
Warum sollte sich irgendjemand so etwas antun?
Natürlich gibt es auch Eintöpfe in Dosen. Die sind doch eine Klasse besser als die Tüten, denkt man – denn man sieht doch, was drin ist. Dass die Zutaten allerdings nicht die allererste Wahl sind, muss jedem klar sein. Fette, Glutamat sowie Konservierungsstoffe sind meist unerlässlich, denn das Zeug soll ja einige Jahre in der Büchse haltbar sein. Außerdem hat niemand die Komponenten gesehen, bevor sie gekocht und eingedost wurden.
Natürlich ist es verständlich, wenn niemand nach einem stressigen Arbeitstag noch Lust auf eine größere Kochorgie hat, wenn die Kinder quengeln, man selber müde ist und der Hund noch raus muss. Da sind fertige Sachen wirklich ein Geschenk des Himmels und ersparen die aufwendige Kocherei.
Aber ist es wirklich so aufwendig? Natürlich kostet eine frisch gekochte Gemüsesuppe ebenfalls Zeit – aber nicht so viel, wie man sich vorstellt. Zudem verfügen wir über Gefriertruhen, oder etwa nicht?
Eine Gemüsebrühe herzustellen ist nicht schwierig – das Internet bietet da tausende von Tipps und guten Rezepten. Das muss natürlich etwas köcheln – aber man kann eine größere Menge machen und in Portionen einfrieren.
Linsen oder andere Hülsenfrüchte müssen eingeweicht werden, sicher – aber wenn sie erst einmal mit Wasser bedeckt sind, braucht man sich nicht mehr darum zu kümmern bis zum nächsten Tag. Tiefkühlgemüse sind eine gute Alternative zu Dosen oder Tütenprodukten. Darauf kann man durchaus zurückgreifen.
Sonst braucht man einen Pürierstab oder einen Mixer – denn das Ganze durch ein Sieb streichen ist wirklich übertrieben. Außer natürlich, man hat ganz viel Zeit.
Für Leute die nur Fertigprodukte verwendet haben und sich der Gesundheit und des Geschmackes wegen wieder auf die "alte Weise" zurückgreifen wollen, wird das zu einem Abenteuer. Man entwickelt einen völlig anderen Bezug zu den Lebensmitteln. Es ist eine Herausforderung, und das Einlassen darauf lohnt sich auf jeden Fall.
Wo man vorher in fünf Minuten einen Eintopf aus der Dose erhitzt hat, greift man jetzt eben zu den eingeweichten Erbsen, nimmt sich eine Portion selbstgemachter Brühe aus der Truhe und zerkleinert rasch einige frische Zutaten.
Das dauert doppelt so lange, zugegeben. Aber nehmen wir eine Tomatensuppe. Da werden die Tomaten in heißes Wasser gelegt, damit die Haut wie von selbst abgeht. Tut sie dann nämlich. Zwiebel und Gemüse, je nach Rezept und Brühe, sind schnell zur Hand. Man glaubt ja gar nicht, was für eine Geschwindigkeit und Souveränität man im Gemüseschnetzeln erreichen kann. Außerdem gibt es da sehr viele Helferlein.
Die Tomaten sind wirklich schnell püriert – die Brühe ebenso schnell heiß und das zerkleinerte Gemüse ganz schnell durch. Je nach Art der Suppe dann Sahne oder Rotwein oder was auch immer dazu – nicht mehr als dreißig Minuten. Garantiert. Kartoffelcremesuppe ist auch nicht schwieriger. Das Kartoffelschälen hält vielleicht etwas auf. Aber auch nicht allzu lange.
Wer auf fertige Brühe zurückgreifen will, sollte sich die Inhaltsstoffe ganz genau ansehen. Tütenprodukte sind sehr günstig – aber dafür bekommt man praktisch nichts für sein Geld. Ein Magenfüller bestenfalls, der auch nicht ganz so gesund ist. Meinen Kindern gebe ich so etwas nicht.
Das Zeitmanagement sieht schwieriger aus, als es ist. Vielleicht nimmt man sich an einem Tag einen großen Topf, kocht Brühe vor und raspelt Grünzeug für die Truhe. Für eine Woche oder mehr – es lohnt sich auf jeden Fall.
Wir legen so viel Wert auf Dinge, lassen aber die einfachste Gesundheitsvorsorge oft außen vor, weil es uns zu aufwendig oder zu zeitraubend ist. Aber unser Essen hat sehr viel mit unserer Gesundheit zu tun. Im ungünstigsten Fall kann es uns sogar krank machen. Deshalb sollten wir umdenken und zumindest darüber nachdenken, was wir essen. Und in unserer eigenen Küche wieder mündig werden. Soll heißen: genau wissen, was da auf dem Teller landet.
Eine gute, heiße Suppe vielleicht an einem etwas kühlen Tag. Mit frischen Sachen darin und ohne chemische Zusätze. Selbstgemacht. Guten Appetit!
© "Nein, diese Suppen ess ich nicht! Das Kulturgut Suppe": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2017. Bildnachweis: Rindssuppe Nudelsuppe, CC0 (Public Domain Lizenz).
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