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Mancher Buchtitel lässt kaum erahnen, welche Geschichte dahintersteckt. Zunächst kannten wir nur einen Textausschnitt dieser Leidensgeschichte, der bereits unsere Aufmerksamkeit auf sich zog (den Link zur Leseprobe finden Sie am Schluss unserer Rezension).
"Das Mazerat", der Debütroman von Sophie Perken, ist die Geschichte eines Menschen, der als Kind durch die Hölle ging. Eingesponnen in eine Regelwelt, die ihm nie eine Chance ließ, weil das nie so gedacht war. Das Spiel war nie zu gewinnen, und das sollte es auch nicht, denn die Bestrafung gehörte zum Ritual. Die Übergriffe des Tätervaters brauchten vermutlich auch ein System, woraus ein teuflischer Seiltanz für ein Kind wurde.
Wer so etwas durchlebt, für den wird eine einfache Sache wie das Zähneputzen zum Problem, wenn dies nicht völlig lautlos geschieht. Ein Kind wird bestraft. Gewalt und Übergriff. Ein Kinderleben lang.
Uriel, der Protagonist, entkommt irgendwann, so wie jedes Kind nach außen hin entkommt. Besser gesagt, ein Teil entkommt. Und das ist nicht der größte Teil Uriels. Der nämlich sitzt noch immer fest in der Hölle und bestimmt ein Weltbild, das keiner verstehen kann, der nicht erlebt hat, was diesem Kind geschehen ist.
Was für den Leser neben Uriels Leiden zu einem wirklichen Schrecken wird, ist die Tatsache, dass Uriel nicht "Nein" sagt und zum Täter wird. Als Erwachsener verfügt Uriel nicht über eine Familie und somit über ein Kind, das ihm ausgeliefert ist. Das war nicht möglich für ihn. Er muss anders vorgehen. Differenzierter, heimlicher und sehr viel klüger. Er muss Vertrauen gewinnen und sein Opfer fangen. Dass es am Ende nicht anders ist, als es für ihn war, will er sich nicht eingestehen.
Uriel bedient sich eines Hilfsmittels: des Mazerats. Es soll ihm helfen, seine inneren Dämonen im Zaum zu halten. Doch um es zu bekommen, braucht er einen kleinen Jungen. Ihm scheint es völlig logisch, ein Kind für sich zu verwenden – man kann es kaum anders nennen – wenn auch auf andere Weise. Rohe Gewalt ist es nicht, die er im Sinn hat. Dennoch wird er zu seinem eigenen Teufel.
Ab hier nun liest sich die Geschichte stellenweise wie eine Anleitung (dies soll unser einziger Kritikpunkt sein). Die dramatische Entwicklung ist, wahrscheinlich wegen der Authentizität, sehr schwer zu ertragen.
Sophie Perkens Roman über einen gefolterten Jungen, der selber zum Täter wird, verstört wirklich nachhaltig. Und manche Textstellen in diesem Roman, den man auch als Thriller bezeichnen kann, sollten einem noch verunsicherten "Beutegreifer" (nach Andrew Vachss, der diese Täter so nennt) besser nicht vor die Augen kommen.
Wir müssen unsere Kinder schützen, damit es weniger Täter gibt. Ich berichtige: damit es gar keine Täter gibt. Das ist der Grundgedanke für mich, und das kann nicht oft genug gesagt werden. In diesem Buch wird es so eindringlich gesagt und gezeigt, dass man es teilweise kaum erträgt.
Besonders zu würdigen ist der hervorragende Schreibstil der Autorin Sophie Perken. Ihr absolut empfehlenswerter Debütroman ist als 324-seitiges Taschenbuch erhältlich (ISBN 978-3751905640). "Das Mazerat" wurde via BoD im April 2020 auch als E-Book veröffentlicht.
© "Eine dramatische Entwicklung, die schwer zu ertragen ist": Eine Rezension von Izabel Comati (Pressenet), 09/2020.
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