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Wann war die Niederlage der deutschen Fußballer gegen Südkorea? Ach ja, am Mittwoch, den 27.06.2018.
Bereits drei Tage später konnte ich beim Einkaufen auf dem riesigen Parkplatz des Supermarktes kein einziges beflaggtes Auto mehr erkennen. Auch hier, in der Straße, in der ich wohne, wo neben den Fahnen üblicher Größe auch schwarz-rot-goldene Tücher von geschätzten neun Quadratmetern Größe zu sehen waren, ist gerade noch an einem Fenster ein verschämtes Fähnchen zu entdecken.
Schwarz-Rot-Gold ist zumindest hier in unserer Kleinstadt in privaten Bereichen sonst das ganze Jahr über kaum zu sehen. Also hat die plötzlich ausbrechende Fahnenseligkeit mit internationalen Fußballturnieren zu tun. Aber alle Seligkeit endet, wenn für die Deutschen nichts mehr zu holen ist. Vor 2006 hielten sich Flagge zeigen und Jubel noch in Grenzen, selbst beim Gewinn der Weltmeisterschaft 1990. Vielleicht lag das Aufkochen der Begeisterung an der Einrichtung von öffentlichen Fernsehbereichen, innerhalb derer die Anhänger dicht an dicht einander aufheizen konnten.
Ich erinnere mich noch an das damalige Gruppenspiel gegen Polen, für mich ein armseliger und glücklicher Sieg. Kurz nach Abpfiff begann draußen, auf der Straße vor der Kneipe, lautes Gehupe. Ich wohne hier seit fast vierzig Jahren, aber einen Autokorso zu solchen Anlässen hatte ich bisher noch nicht erlebt. Meine Frage, was das denn nun solle, beantwortete der Wirt harsch damit, dass solches in anderen Nationen üblich sei und wir Deutschen hinter diesen nicht zurückzustehen bräuchten. Seither brandet nach jedem deutschen Erfolg in einem Turnier der Hupenlärm hier durch die engen Straßen, ohne Rücksicht auf Kranke, Alte oder Kinder.
Es wurde ja auch viel getan, um diese Jubelstimmung zu erzeugen und zu erhalten. (Wer versprach sich welchen Nutzen davon?) Von Medienvertretern wurde jede Regelverletzung von Gegnern herausgestellt, die Fouls der deutschen Spieler aber beschönigt oder gar in Abrede gestellt. Nur ein Beispiel: 2006, im Achtelfinale gegen Schweden schwenkte die Kamera vom Ball weg auf den deutschen Stürmer Miroslav Klose. Der hielt – warum auch immer – mit beiden Händen den Unterarm des schwedischen Spielers Lucic fest. Der versuchte sich zu befreien, indem er seinen Arm anzog. Der Schiedsrichter wurde aufmerksam, unterbrach und zeigte Lucics, dem Angegriffenen, Gelb-Rot. Eine offensichtliche Fehlentscheidung, aber der deutsche Kommentator, ganz beflissen, beeilte sich zu bemerken, dass nach Lucics Foul an Klose dieser zurecht des Feldes verwiesen worden sei.
Seit 2006 geht man von medialer Seite so mit deutschen Nationalspielern um. Wenn einer bei einem ausländischen Verein spielt, kann er ruhig einen schwachen Tag haben, wenn ein deutscher Journalist kommentiert. Der wird ihn nämlich sogar noch über die Mitspieler erheben. Ja, der Spieler könnte als einzige "Leistung" auf dem Feld einen Furz ziehen lassen, der deutsche Kommentator würde noch behaupten, das sei ein Luftballon. – Spaß beiseite. Verzerrung der Realität zur Verschönerung und Erfüllung leidenschaftlicher Wunschbilder kann der Nährboden für Übles sein. Dankenswerterweise trieb da der Kult um die deutsche Mannschaft bisher noch nicht zu schlimmen Taten an. Und vielleicht hat er ja jetzt doch auch einen Dämpfer bekommen.
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Nach dem Höhenflug mit dem Titelgewinn vor vier Jahren ist das erstmalige Ausscheiden in der Vorrunde ein tiefer Fall, der aus Träumen wachrütteln kann. Aber warum sind die deutschen Farben nur gefragt, wenn es um internationale Fußballtitel geht? Nun, solange die Mannschaft erfolgreich ist, zeigt der Träger der Farben nach außen an, dass er zu den Erfolgreichen gehört und diese Zugehörigkeit ihn selbst zum Erfolgreichen macht. Bleibt der Erfolg aus, will man nicht mehr dazugehören und lässt die Farben verschwinden.
Was sonst noch von diesen Farben symbolisiert wird, die Gemeinschaft der Mitbürger, gemeinsame Sprache und Kultur, Tradition, wirtschaftliche und politische Zukunft, ist in solchen Fällen ausgeklammert. Es geht nur um Selbstbeweihräucherung. Also ist der Jubel um die Fußballsiege reiner Selbstbefriedigungsnationalismus!
© "Sag mir, wo die Fahnen sind": Textbeitrag von Friedrich Treber, 07/2018. Bildnachweis: Deutschland-Fahnen im Stadion, CC0 (Public Domain Lizenz).
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