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Wer Arbeit will, findet auch welche. Das waren noch Zeiten, in denen dieser Ausspruch wenigstens einigermaßen mit der Wahrheit zu tun hatte. Aber sie haben sich nun mal geändert, die Zeiten.
Seit einigen Jahren haben die Wahlslogans der Parteien viel mit diesem Begriff zu tun: "Arbeit". Da heißt es markig: "Arbeit statt Sozialhilfe". Welch schöner Gedanke. Die Neue Linke will mit interessanten Ansätzen wie "Wir schaffen die Sozialhilfe ab" punkten. Verzeihung – es muss natürlich "Hartz IV" heißen.
Ein deutscher Spruch aus alten Zeiten, in denen so manches anders gelagert wurde, heißt gar: "Das halbe Leben Arbeit ist, ein deutscher Mann das nie vergisst". Dazu könnten einem Fragen einfallen, warum zum Beispiel Frauen das vergessen können, oder was das andere halbe Leben ausmacht. Oder was die Arbeit mit der Nationalität zu tun hat. Irgendwie scheint der Begriff etwas von der sprichwörtlichen heiligen Kuh zu haben.
Was genau ist das eigentlich: "Arbeit"?. Für gewöhnlich bedeutet es wohl, dass man etwas tut, wofür man entlohnt wird. Bekommt man nichts dafür, ist es dann auch Arbeit? "Geh lieber arbeiten, anstatt hier rumzustehen" – ist der Spruch nichts als die Empfehlung zu einer Beschäftigungstherapie, oder ist damit eher gemeint: "Sieh zu, dass du Geld ins Haus bringst"? Das Wort an sich kommt wohl aus dem Gotischen, wo es Mühsal und Ungemach bedeutet. Also muss Arbeit wehtun? Die genaue Auslegung des Wortes war schon immer ein Punkt im Klassenkampf.
Arbeiter schimpften auf die Handwerker, die ein Bierchen tranken, während der Lehrling die Arbeit machte und dafür Gesellenstunden abgerechnet wurden (böse Zungen behaupten, das wäre heute immer noch so). Handwerker und Arbeiter schimpften auf die Akademiker, die im Prinzip gar keine Ahnung von Arbeit hatten, und alle zusammen schimpften auf die Beamten. Die nämlich taten nur das Gegenteil von Arbeit, und davon viel.
Als Gegenteil wurde nämlich die Faulheit angesehen, welche – als Beleidigung gebraucht – den Effekt eines ganzen Zoos bei weitem übertraf. Das traf bis ins Mark. Ein höchst gefährliches Wort, sozusagen. Wer faul ist, taugt nichts. Jedenfalls war das vor Jahren so, wo es für fast jeden einen Ausbildungsplatz oder eine feste Anstellung gab. Für Leute, die eine Entschuldigung dafür hatten, dass sie nicht den ganzen Tag arbeiten konnten, wie zum Beispiel Mütter, gab es die "Halbtagsarbeit". Es gab auch die Variante der Heimarbeit, eigentlich eine gut bezahlte Angelegenheit – damals.
Diese Varianten sind völlig abgeschafft heutzutage, es gibt mittlerweile andere. Vollzeitbeschäftigung und so etwas wie "450-Euro-Jobs". Letztere beinhalten, dass die Arbeitnehmer hart arbeiten, meist verfügbar sein müssen und pauschal 450 Euro dafür beziehen. Und diese Abart stellt bei weitem die Mehrheit.
Eine illegale Spielart stellt die Schwarzarbeit dar, die meist eine Vollzeitbeschäftigung bezeichnet, die trotz Bezug von Arbeitslosengeld ausgeübt wird und verboten ist, obwohl im Prinzip jeder sie in Anspruch nimmt. Der Schwarzarbeiter an sich ist zwar ein sozialer Schmarotzer, aber er ist nicht faul. Und das bewahrt ihn zwar nicht vor Strafe, wohl aber vor gesellschaftlicher Ächtung.
Hier wird es wieder kompliziert, denn Schwarzarbeit schadet der Allgemeinheit, aber nützt dem Einzelnen. Zum Beispiel denen, die sich keine angemeldeten Handwerker leisten können und selber zwei linke Hände haben. Das kann auch bei Leuten vorkommen, die Hartz IV beziehen. Denen bliebe nichts anderes übrig, als die Kinder die alte Tapete runterreißen zu lassen, und vielleicht ein oder zwei Sprüher aus dem Viertel zu "beauftragen", die unentgeltlich die Wände verschönern. Mit der alten Dame und der mageren Rente muss man erst gar nicht anfangen, die braucht wohl nur bedingt eine Wohnungsrenovierung oder einen gemähten Rasen. Also gibt es mehrere Arbeitskategorien. Legale und illegale, angesehene und schmutzige, nützliche und unnütze Arbeit.
Im Allgemeinen wurde ein Mensch, der für wenig oder gar kein Geld arbeitete, als Idiot angesehen. Einer, der für viel Geld sehr wenig tat, wurde als gewieft bewundert und gleichzeitig gehasst. Einer, der arbeitslos wurde, wird als Versager verachtet – und einer, der keine Arbeit sucht, als Faulenzer betrachtet. Heute gilt der Letztere eher als Realist.
Diese Unterscheidungen waren ein beliebtes Maß für den Wert eines Bürgers. Nun ist die Messlatte ziemlich verbogen, denn die heilige Kuh "Arbeit" hängt praktisch am Tropf und ist in absehbarer Zeit schlachtreif. Also gilt hier – wie in anderen Bereichen – auch die "Nur-zwei-Größen"-Regelung, welche nur noch zwischen solchen, die einen Job haben, und solchen, die keinen haben, unterscheidet.
So gesehen sind wir der Gleichheit ein gutes Stück näher gerückt. Das Leben ist weniger kompliziert geworden dadurch. Wer wird sich da wohl die alten Zustände zurückwünschen wollen?
© "Arbeit! Legale, illegale, nützliche und unnütze Arbeit": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Bildnachweis: Bagger auf Baustelle, CC0 (Public Domain Lizenz).
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