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Ist Bildung in Deutschland wirklich eine Katastrophe?
Dies behauptet der Autor Michael Winterhoff in seinem Sachbuch "Deutschland verdummt: Wie das Bildungssystem die Zukunft unserer Kinder verbaut", das er im Mai 2019 veröffentlicht hat.
Winterhoff, Jahrgang 1955, ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, dazu auch Psychotherapeut in Bonn. Den Hauptteil seiner Erkenntnisse schöpft er aus Erfahrungen in tausenden Gesprächen mit Eltern, Lehrern, Schulleitern und Bildungspolitikern sowie aus seiner Praxis.
Nach Winterhoffs Meinung ist Deutschland am Verdummen. Und das nicht nur, weil in den Schulen immer weniger gelernt werde. Schlimmer noch sei, dass Kinder immer weniger über emotionale Intelligenz und soziale Fähigkeiten verfügten.
Als emotionale Intelligenz sei die Fähigkeit zu sehen, eigene Erfahrungen zu verarbeiten, die eigenen Gefühle zu erkennen und ab einem gewissen Alter auch steuern zu können.
Soziale Fähigkeiten seien das Gespür für die Mitmenschen, aus dem sich Rücksichtnahme entwickle. Auf dieser Basis könne dann die Befähigung erworben werden, für andere Verantwortung zu übernehmen.
Emotionale Intelligenz und soziale Fähigkeiten aber würden für ein Miteinander in der Gesellschaft dringend benötigt. Würden aus Kindern mit nicht entwickelter Psyche Erwachsene mit nicht entwickelter Psyche, so werde die Gesellschaft mit zu vielen Mitgliedern überlastet, die sich wie Autisten, Egomanen und Narzissten benähmen.
Die Entwicklung der kindlichen Psyche könne nur stattfinden, wenn das Kind sich mit Erwachsenen auseinandersetzen und an ihnen orientieren könne, meint Winterhoff.
Nun, da wären doch zuerst die Eltern gefragt. Winterhoff aber findet, dass der "Erregungslevel" in unserer Gesellschaft heute so hoch wie nie sei und die meisten Eltern überfordert und nicht mehr fähig dazu, ihren Kindern ein Gegenüber zu sein.
In Kindergärten und Grundschulen würden Erzieher und Lehrer durch das Dogma des autonomen Lernens gezwungen, die Kinder sich selbst zu überlassen und abzuwarten, bis sie sich selbst entwickeln. Bildungseinrichtungen bzw. pädagogische Fachkräfte könnten ihnen so keine Orientierung geben. Das könnte bei vielen Kindern zur Folge haben, dass sie auf der Entwicklungsstufe von Kleinkindern stehenbleiben und nie fähig würden, einen Beruf zu ergreifen und für sich selbst zu sorgen.
Den Mangel an Fachkräften führt der Autor auf mangelnde Berufsreife der Schulabgänger infolge von Defiziten an methodischen, emotionalen und sozialen Fähigkeiten zurück. An höheren Schulen habe der Mangel an entwickelten Fähigkeiten einen Abbau der Leistungsanforderungen zur Folge gehabt und zu einer Erhöhung der Abiturientenzahlen geführt. Für die Schüler sei das aber kein Gewinn, wie aus der wachsenden Anzahl von Studienabbrechern zu ersehen sei.
Hauptaufgabe der Schulen sei es, die kindliche Psyche zu fördern. Dazu werden nach Meinung des Autors Ganztagsschulen und viele zusätzliche gut ausgebildete Erzieher und Lehrer vonnöten, denen die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, mit kleinen Gruppen zu arbeiten. Wenn die Gesellschaft die Kosten hierfür nicht tragen wolle, dann würden die Zeiten des Friedens und des Wohlstandes bald vorbei sein.
Die gebundene Ausgabe von "Deutschland verdummt: Wie das Bildungssystem die Zukunft unserer Kinder verbaut" umfasst 224 Seiten und ist im Gütersloher Verlagshaus erschienen (ISBN 978-3579014685). Das Sachbuch von Michael Winterhoff ist im Online-Buchhandel auch als E-Book erhältlich.
© "Ist Bildung in Deutschland wirklich eine Katastrophe?". Eine Buchbesprechung von Friedrich Treber, 10/2019. Bildnachweis: Schüler: Junge und Mädchen, CC0 (Public Domain Lizenz).
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