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Nach mehrmaligem Kopfschütteln, anschließendem Brillenputzen und nochmaligem Hinsehen entpuppt sich die Meldung nicht als blutleere Ente, sondern als tatsächliche Nachricht: Wenn Sie einen Job möchten, könnte es sein, dass man Ihr Blut verlangt.
Nicht weil der Personalchef ein Vampir ist oder jemand dringend eine Infusion braucht, sondern weil das mittlerweile Usus ist bei manchen Firmen. Personalausweis, Lebenslauf, Zeugnisse oder das Internet sagen ja vielleicht nicht genug aus über einen neuen Mitarbeiter.
Die Blutgruppe ist unabdingbar wichtig, könnte man annehmen. Möglicherweise haben interne und von der Wirtschaft bezahlte Forscher schon lange Ergebnisse abgeliefert, die belegen, dass Mitarbeiter mit der Blutgruppe Null nicht teamfähig sind. Oder dass solche, die der Blutgruppe A zuzurechnen sind, öfter krank machen oder jährlich um Gehaltserhöhung bitten. Die Folgen wären natürlich nicht abzusehen. Oder gibt es vielleicht doch etwas im Blutbild, das gewerkschaftskompatibel macht?
Wie man hören und lesen kann, werden die Tests erst gemacht, nachdem man sich für einen Bewerber entschieden habe. Das macht weder Sinn noch ist es glaubhaft, denn was um alles in der Welt will man dem Blutbild denn entnehmen? Will man vielleicht verhindern, dass Sozialabgaben in den Sand gesetzt werden, weil man den neuen Mitarbeiter in absehbarer Zeit durch eine schwere Krankheit verliert? Oder will man etwas über das Suchtverhalten erfahren? Solche naiven Fragen muss man stellen, denn die – durch das Lesen dieser Meldungen – aufgekommene Blutleere im Gehirn verhindert wohl, dass man die Zusammenhänge erkennt.
Wer gerne knobelt, kann sich mit der Frage befassen, wieso Mediengrößen wie der NDR, der WDR oder die Axel Springer AG solche Praktiken zugeben. Oder war man dort nur nicht diskret genug? Denn wenn die Kosten schon kein Faktor für die Firmen sind, kann man sich auch Betriebe vorstellen, in denen nach Schichtschluss in den Toilettenräumen Haare und in der Kantine Speichelspuren gesammelt werden, um den genetischen Abdruck abzunehmen. Wer dann Aussicht auf eine ausbrechende Erbkrankheit hat, wird unter einem der gängigen Vorwände entlassen oder gezielt aus der Firma gemobbt.
Oder muss man misstrauisch werden, wenn man bei einem Vorstellungsgespräch netterweise einen Kaffee angeboten bekommt und die Sekretärin die Tasse wegräumt, wenn sie leer ist? Und dass die Zeit, die bis zur endgültigen Zu- oder Absage verstreicht, genau die ist, die es braucht, bis das Ergebnis aus dem Genlabor da sind? Nun, selbst wenn Ihr Herzblut an diesem Job hängt: Wenn Sie zur Diabetes neigen, war die Bewerbung wohl umsonst.
Das Ganze erinnert an die unglaublichen Machenschaften des Playboy-Imperiums. Die in den Clubs arbeitenden "Bunnies", also die in fürchterliche Schuhe und unsägliche Kostüme gezwängten Frauen, waren ziemlichen gesundheitlichen Problemen ausgesetzt. Ihr Job war neben dem Servieren natürlich auch das Nettsein plus positiver Ausstrahlung. Das nun gehört zu fast jedem Berufsbild, doch ging die Firmenleitung wohl davon aus, dass jedes Bunny sich nebenbei prostituiert. Von den Frauen wurden nämlich in regelmäßigem Turnus verlangt, dass sie einer gynäkologischen Untersuchung zustimmten. So als wäre der intime Kundenkontakt eine Sache, die außer Frage steht. Das alles kam erst an die Öffentlichkeit, als eine Journalistin sich in einen Club einschleuste und dort als Bunny arbeitete.
Im Falle des Hefner-Imperiums liegt die Problematik etwas anders, aber was die Menschenwürde betrifft, so sind beide Fälle gleich – es ist jeweils eine eklatante Verletzung der Würde. Wenn es nun wirklich dazu kommt, dass Menschen wie Gebrauchtwagen auf Tauglichkeit überprüft werden, und zwar nicht nur auf das Fachliche, dann knüpft man da an, wo das Dritte Reich den Faden verloren hat. Hier scheint der Begriff "Material" irgendwie unausgesprochen durch.
Vor nicht allzu langer Zeit gab es lustige Momente, als man von Firmen hörte, die ihre Mitarbeiter tatsächlich und ohne Witz nach den Sternzeichen aussuchten. Das Lachen hätte uns im Halse stecken bleiben sollen.
Schon eher das Blut in Wallung brachten manche Hausbesitzer, die recht sonderbare Dinge von den künftigen Mietern verlangten. So zum Beispiel mussten Familien mit ihrer Unterschrift bestätigen, dass sie verhüten. Das ist natürlich nicht rechtskräftig, aber es zeigt auf, wozu Menschen fähig sind, wenn sie ihre Interessen durchsetzen wollen. Die Wohnungsnot in manchen Städten leistete da Vorschub, und nicht wenige unterschrieben einen solchen oder ähnlichen Wisch und glaubten sich tatsächlich daran gebunden.
Die schlechte Situation auf dem Arbeitsmarkt, und zwar tatsächlich in allen Sparten – und lassen Sie sich da bitte nichts anderes weismachen – bringt mit sich, dass aus Angst geschwiegen bzw. stillgehalten wird.
Was kommt als Nächstes? Das freiwillige Einverständnis, sich vom firmeneigenen Arzt sterilisieren zu lassen, damit die Babypause flachfällt? Muss man außer den üblichen Bewerbungsunterlagen auch eine Speichelprobe mitbringen? Vielleicht auch die Krankengeschichten der Eltern und Großeltern, um den Genlabors die Arbeit zu erleichtern? Kopien aller vom Hausarzt ausgestellten Rezepte, um die Ergebnisse des Bluttests erklären zu können, und um nicht als haltloser Pharmazieabhängiger dazustehen?
Was ist mit den Röntgenbildern, gehören die in Zukunft auch in die Bewerbungsmappen? Wird die irre Zukunftsvision vom Chip unter der Haut, den jeder Personalchef mit einem Lesegerät entschlüsselt, bald Tatsache?
Aber ruhig Blut, vielleicht ist ja alles ganz harmlos.
© "Ruhig Blut ... er hat doch nur AIDS": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Bildnachweis: rote Blutzellen, CC0 (Public Domain Lizenz).
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