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Kein Tier, dessen sich die Menschen in besonderer Weise angenommen haben, ist so fabelhaft wie der Fuchs. Denn von Aesop bis Johann Christoph Gottsched ist "Vulpes vulpes", wie der fabulöse Geselle auf lateinisch heißt, der Held von Legenden und Fabeln. Meister Rotrock spielt da nicht unbedingt den strahlenden Helden, sondern eher den rotberockten Gauner.
Und Gaunermethoden wendet der findige Intrigant mit Vorliebe an, so verlegt er sich durchaus aufs Schmeicheln und bedient sich auch der dreisten Lüge. Natürlich sind in den Fabeln niemals wirkliche Tiere gemeint, sondern es werden mittels der Fauna Menschen dargestellt, die über die Eigenschaften verfügen, die man ihren tierischen Vertretern zuschreibt.
Jeder kennt den tapferen Recken, der mutig wie ein Löwe daherschreitet, den Gelehrten, der klug wie eine Eule ist, oder die Schöne mit der Sanftheit der Taube. Meister Reineke kann sich nicht mit solch edlen Attributen schmücken, ihm schreibt man meist nichts Gutes zu. Zwar bescheinigt man ihm große Klugheit, doch mehr im Sinn von Gerissenheit – so hat die "füchsische Schläue" auch längst Eingang in den Sprachgebrauch gefunden: Ein Mensch, dem diese Eigenschaft zugeschrieben wird, ist nicht unbedingt ein Sympathieträger.
Und um der poetischen Gerechtigkeit Genüge zu tun, nützen in den Fabeln dem Fuchs alle Schliche nichts, denn zu guter Letzt ist er nicht besser dran als vorher und hat noch den Spott dazu. In der Geschichte "Reineke Fuchs", die Gottsched in Prosa übertragen hat, liefert der Held einige politische Bravourstücke, die ebenso klug wie riskant sind und die ihn vor dem Galgen bewahren. Die turbulenten Ereignisse in der Geschichte stellen fast die modernen Seifenopern in den Schatten, zumal sich alles an einem Königshof abspielt. Ähnlichkeiten mit Begebenheiten auf glattestem politischem Parkett waren wohl nicht zu vermeiden. Die Wohnstatt des Helden der Geschichte heißt übrigens Malepartus, was so viel wie "Böser Ort" bedeutet.
Aber nicht nur in Europa gab es Fuchsgeschichten, auch in Afrika oder Asien gehören sie zum kulturellen Gut. Immer aber geht es um die Gerissenheit und Schläue des großohrigen Hühnerdiebs, die ihm viele Sympathien einbringt. Er ist der typische Gauner, der zwar nicht von großer Stärke ist, aber durch seine Pfiffigkeit durchaus gegen seine Feinde bestehen kann – vor allem, wenn diese über mehr Muskeln als Verstand verfügen. Eine interessante Variante sind die japanischen Fuchsgeister – Dämonen, die den Menschen gerne einen Schabernack spielen. Als Pendant zum europäischen "Loup-Garou", dem Werwolf, erzählt man sich in Japan Sagen von schönen Damen, die sich in Füchse verwandeln können und einige Verwirrung unter den Männern anrichten.
Auf jeden Fall waren die Waldbewohner lange Zeit hindurch nicht eben positiv belegt, denn sie zeichnen sich tatsächlich durch große Findigkeit aus, wenn es darum geht, sich fremdes Gut anzueignen. Einen Stall fuchssicher zu machen, ist gar nicht so einfach, wie so mancher Bauer bestätigen konnte. Und da Reineke ein Feinschmecker ist, mundeten ihm nicht nur die Eier, sondern vor allem auch ihre Erzeuger. Der flinke und freche Dieb nahm den Menschen sozusagen die Butter vom Brot und war daher nicht sehr beliebt. Manche Vertreter der Gattung hatten sich sogar auf das Fallenplündern spezialisiert.
Man liebte zwar das schöne Haarkleid ... doch ohne den Fuchs darin, wenn irgend möglich. Sein Winterpelz machte den Jäger mit der buschigen Rute sehr oft zum Gejagten, vor allem die Variationen wie Blau- oder Eisfuchs. Er gehört zwar zu den Hundeartigen, den Caniden, aber er lebt nicht in Familienverbänden, wie zum Beispiel Wölfe das tun.
Ein Fuchs hat eine oder mehrere Fähen, mit denen er sein Territorium bewohnt. Die zierlichen Raubtiere müssen auf Wendigkeit und Intelligenz sowie auf ihre große Anpassungsfähigkeit setzen, denn ihr natürlicher Lebensraum wird immer kleiner. Aber da wir in ihre Territorien eingebrochen sind, revanchieren sich die Füchse mit heimlichen Invasionen. Wenn in einem Vorort eine Mülltonne geplündert wird, sind nicht immer streunende Katzen oder Ratten dafür verantwortlich. Die Wohlstandsgesellschaft sorgt für eine überreich gedeckte Tafel, die von den äußerst flexiblen Rotröcken gerne in Anspruch genommen wird.
Berühmt sind mittlerweile die Londoner Füchse geworden, denn eine große Population von ihnen lebt in der Millionenstadt. Nicht eben gesund, aber relativ sicher. Es gibt Aufnahmen von Naturfilmern, die zeigen, wie Füchse geschickt Milchflaschen öffnen, die sie vor den Haustüren "erbeuten". Ähnlich wie Katzen kommen die kleinen flinken Allrounder tatsächlich in der Betonlandschaft der Metropolen gut zurecht. Allerdings bekämpft man sie dort auch mit vielerlei Mitteln, von Gewehr bis Falle reicht die Palette. Sie würden die Gärten verunreinigen, heißt es. Tollwut ist in Großbritannien schon lange kein Thema mehr, aber der berüchtigte Fuchsbandwurm schon. Deshalb macht man in den Städten Jagd auf sie, denn sie gelten als Überträger von Krankheiten.
Den Füchsen verdanken einige Hunderassen ihre Existenz, denn Dachsbracken oder Teckel wurden eigens mit sehr kurzen Beinen gezüchtet, damit sie leichter in Fuchsbaue "einfahren" konnten. Aber die klugen Bewohner wählen den Standort ihrer Wohnung durchaus mit Bedacht und haben für den Notfall meist einige Zweitwohnungen parat. Erfahrene Füchse kennen jede Menge Kniffe, um ihren auffällig roten Pelz zu retten ... selbst die Hundemeuten haben nicht immer Erfolg. Das liegt wohl nicht zuletzt daran, dass ein frei lebender erfahrener Fuchs einem domestizierten Hund an Intelligenz weit überlegen ist.
Die Vertreter der Gattung sind nicht nur schlau, sie sind auch hübsch. Und so fanden die Tausendsassas auch Eingang in die Welt der Kinder. Viele spannende Bücher oder auch animierte Filme haben einen Helden mit buschiger Rute. Eine Disney-Verfilmung hat sogar die Freundschaft zwischen einem Jagdhund und einem Fuchs zum Thema. Schon viele Füchse sind bei Menschen aufgewachsen und haben auch hier ihr großes Talent zur Anpassung gezeigt. Aber wenn es auch tatsächlich zu einem friedlichen Zusammenleben mit Mensch und Haustieren kommt ... der Mitbewohner aus dem Wald bleibt doch immer, was er eigentlich ist, ein wilder Geselle.
Da der Aberglaube der vergangenen Jahrhunderte die Füchse doch sehr in Verruf gebracht hat, weil ihnen dämonische Umtriebe unterstellt wurden, ist ihre neue Belegung als Sympathieträger doch sehr erstaunlich. Sogar in Britannien gibt es mittlerweile Fuchsjagden, bei denen kein vierbeiniger Rotrock mehr zu Tode kommt. Entweder, weil man das Töten des Gestellten vermeidet und sich mit dem sportlichen Erfolg begnügt, oder weil ein Mensch den Fuchs vertritt. Man legt das Hauptgewicht auf das Jagen und nicht mehr auf das Töten. Allerdings könnte es sein, dass so mancher erfahrene Fuchs den hübschen Kopf mit der spitzen Schnauze schüttelt, wenn er einen Menschen sieht, der versucht, seine Spur zu verwischen, damit ihn die Meute nicht aufspürt.
Den endgültigen Durchbruch für die Rehabilitierung des Fuchses dürfte eine britische Zeichentrickserie aus den neunziger Jahren gewesen sein, in denen verschiedene Tiere ihren zerstörten Lebensraum verlassen und sich auf den Weg zu einem Naturschutzpark machen. Da es sich um verschiedene Spezies handelt wie Fleischfresser, Nagetiere, Greifvögel und sogar Amphibien, wird ein Eid abgelegt, der es verbietet, einander aufzufressen. Geführt wird diese bunte Gesellschaft von ... einem Fuchs.
Dieser setzt seine Intelligenz und Schläue vor allem dazu ein, die Gemeinschaft sicher zu ihrem Ziel zu bringen. Die Serie hat nichts mit "Bambi" zu tun, sie zeigt die Gefahren und Bedrohungen, denen die Tiere ausgesetzt sind, durchaus real. Der Held der Geschichte gewinnt sehr an Tiefe, der Fuchs ist nicht nur schlau oder "ausgefuchst" – er erwirbt sich mit der Zeit Weisheit.
Es wäre gar nicht so weit hergeholt, wenn man annimmt, dass dieser Film viel zu der neuen Sichtweise beigetragen hat, was Füchse betrifft und die damit verbundenen Jagden. Aber wer immer an Fuchsjagden denkt – wahrscheinlich ist der unbeteiligte Zuschauer auf der Seite des Klügeren und auch Tapferen. Und das ist in diesem Fall immer der schlaue und flinke Fuchs.
© "Der Fuchs – gewitzter Gauner und Hühnerdieb": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Bildnachweis: Schlauer Fuchs, CC0 (Public Domain Lizenz).
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