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Es ist zwar nicht hundertprozentig schlüssig, aber man fragt wahrscheinlich nicht den Konditor nach einem guten Gulaschrezept (obwohl der Mann vielleicht ein begabter Hobbykoch ist). Den Klavierlehrer des Sprösslings behelligt man eher selten mit "Kurz nach dem Anlassen macht er so komische Geräusche", und im Umkehrschluss wird man den Automechaniker nicht bitten, die Gitarre zu stimmen. Jedenfalls nicht, wenn man die Leute nur beruflich kennt – man wendet sich da eher an die Fachleute.
Zwar können sich Experten durchaus einmal irren, aber wahrscheinlich ist man wegen Zahnschmerzen bei einem Dentisten besser aufgehoben als beim Orthopäden. Das weiß eigentlich schon jedes Kind, dass man sich an denjenigen wenden sollte, der etwas von der Sache versteht – Erwachsene haben diese Regel meist verinnerlicht. Warum also sollte man in Fragen der Verhütung einen absoluten Nichtfachmann – in diesem Falle den Papst – fragen? Wieso kommt eigentlich überhaupt jemand auf den Gedanken, eine so persönliche Sache dessen Diktat zu unterwerfen?
Der Papst ist mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit ein ausgezeichneter Theologe und in Dingen, die Kirche betreffend, höchst versiert. Was aber die Realität betrifft, hat er wahrscheinlich ein gewisses Erfahrungsdefizit, denn die Sache mit der Verhütung hat nicht wirklich etwas mit dem Glauben zu tun – genauer gesagt mit der Heiligen Schrift, auf die sich die katholische Kirche ja bezieht. Man muss schon sehr genau darin lesen, um ein Verhütungsverbot dort ausfindig zu machen.
Die Geschichte von Onan, der sich schlichtweg weigerte, eine Frau, die er nicht haben wollte, zu schwängern, ist zwar ein Beispiel der Verfechter des Verbotes, greift bei genauerem Hinsehen aber nicht. Diese Sache hatte einen anderen Hintergrund, wenngleich sie auch so praktisch gleich gegen zwei unliebsame Dinge ins Feld geführt wird: Masturbation und Verhütung. Lassen wir aber nun Onan mit seinen Eheproblemen außen vor und sehen es anders. Ein Kondom benutzt hat er jedenfalls nicht.
Der Papst hat nicht die geringste Ahnung davon, wie schwer das Überleben sein kann für eine Familie mit vielen Kindern. All die Ängste, Schmerzen und Nachteile, die eine Schwangerschaft, Geburt oder die Elternschaft mit sich bringen, sind ihm wohl lateinische Dörfer. Wollte man darüber sprechen, ob man nun verhüten sollte oder nicht, wären Familienberater, Gynäkologen oder Sozialarbeiter wohl die bessere Adresse. Hier geht es, wohlgemerkt, nicht um Schwangerschaftsabbruch. Darüber kann man durchaus geteilter Meinung sein, und hier greift das Gebot, welches besagt, dass Leben zu schützen ist, wohl eher. Aber ein Mensch, der nicht einmal als Zellverschmelzung existiert, kann nicht getötet werden.
Niemand kann sagen, dass sein Leben durch das Benutzen eines Kondoms verhindert wird, denn erstens führt nicht jeder Geschlechtsverkehr zu einer Schwangerschaft, auch nicht an den so genannten fruchtbaren Tagen, und zweitens sind die Zeiten, in denen so ein Ding rein zur Verhütung benutzt wurde, längst vorbei. Der Heilige Vater war ein wenig in Bedrängnis gekommen, als dieses Argument ins Feld geführt wurde – denn ungeschützter Sex kann jederzeit ein Leben in ernste Gefahr bringen und es tatsächlich durch eine Infektion mit HIV vorzeitig beenden. In den Augen der Kirche vielleicht kein wirklich gutes Argument, denn ginge es nach deren Lehren, wäre die Sache mit dem Sex eine völlig andere.
Genau hier liegt des Pudels Latexkern, denn lässt man sich auf eine Diskussion auf dieser Ebene ein, kann man kaum auf einen Nenner kommen. Dinge wie das Zusammenleben der Menschen, der Alltag in den Familien und die Erziehung der Kinder sollten zwar möglichst eine ethische Grundlage haben, aber das hat nichts mit der Kirche zu tun und liegt nicht in deren Zuständigkeit. Das Vermeiden von Gewalt, der humane Umgang mit anderen Menschen und das Verständnis von Pflicht und Gewissen ist weder Monopol der Kirche noch des Glaubens.
Wir haben an vielen Beispielen in den letzten Jahren gesehen, wohin es führt, wenn Kirche und Staat nicht getrennt sind, wenn der Glaube alles und jedes regelt – es führt zu Unfreiheit und in extremen Fällen zu eben diesem Fanatismus, der eine neue globale Terrorwelle ausgelöst hat. Es wäre an der Zeit, dass die Kirche sich um ihre eigenen verloren gegangenen Werte bemüht und es endlich unterlässt, überkommene Dogmen oder strittige Auslegungen ihrer Schriften als göttliche Weisungen darzustellen, denn das sind sie mit Sicherheit nicht. Und wir sollten uns angewöhnen, diejenigen zu fragen, die etwas von der Sache verstehen ... genau wie beim Auto.
© "Des Pudels Latexkern und das Diktat der Kirche": Textbeitrag von Winfried Brumma (Pressenet), 2010. Foto des Kondoms: Flegmus, Creative Commons-Lizenz.
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